Pieter Brueghel d. Ä» und sein Kunstschaffen.
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ihrer Schöpfung und unseren Tagen liegen, wirken sie doch in allem merkwürdig modern. Die sati-
rischen Darstellungen scheinen fast aus den Witzblättern von gestern genommen zu sein. Und die
unerhörte Lebendigkeit, die augenblickliche Bewegung und die treffende Charakterschilderung, die
raschen und sicheren Züge, die Freiheit von Phrase und Konventionalismus, dies alles ist es nicht das
Ideal der echtesten Gegenwartskunst? Es wird erzählt,1 daß Milet die Wände seines Ateliers mit
Stichen nach Brueghel schmückte, und daß Brueghel und Bastien Lepage mit staunenswerter Überein-
stimmung eine Figur zeichnen können, haben wir gesehen. Was endlich die Farbe betrifft, so erweckt
kein altes Bild so sehr den Anschein, als ob es erst heute gemalt wäre, wie die Bauernhochzeit des
Hofmuseums. Was mag endlich für jene, die hinter dem Meister den Menschen sehen wollen, an-
sprechender sein als diese treue und frohe Wahrheitsliebe, die ohne Schwanken und Irrtum aus dem
Leben schöpft, während aufgeblasene Hohlheit und «akademische» Banalität ringsum Gold und Lor-
beeren ernten!
1 E. Michel, Les Brueghels.
Fig. 50. Dorfansicht.
Handzeichnung von P. Brueghel d. Ä. im kgl. Kupferstichkabinet zu München.
(Rückseite von Fig. 45.)
XXV.
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ihrer Schöpfung und unseren Tagen liegen, wirken sie doch in allem merkwürdig modern. Die sati-
rischen Darstellungen scheinen fast aus den Witzblättern von gestern genommen zu sein. Und die
unerhörte Lebendigkeit, die augenblickliche Bewegung und die treffende Charakterschilderung, die
raschen und sicheren Züge, die Freiheit von Phrase und Konventionalismus, dies alles ist es nicht das
Ideal der echtesten Gegenwartskunst? Es wird erzählt,1 daß Milet die Wände seines Ateliers mit
Stichen nach Brueghel schmückte, und daß Brueghel und Bastien Lepage mit staunenswerter Überein-
stimmung eine Figur zeichnen können, haben wir gesehen. Was endlich die Farbe betrifft, so erweckt
kein altes Bild so sehr den Anschein, als ob es erst heute gemalt wäre, wie die Bauernhochzeit des
Hofmuseums. Was mag endlich für jene, die hinter dem Meister den Menschen sehen wollen, an-
sprechender sein als diese treue und frohe Wahrheitsliebe, die ohne Schwanken und Irrtum aus dem
Leben schöpft, während aufgeblasene Hohlheit und «akademische» Banalität ringsum Gold und Lor-
beeren ernten!
1 E. Michel, Les Brueghels.
Fig. 50. Dorfansicht.
Handzeichnung von P. Brueghel d. Ä. im kgl. Kupferstichkabinet zu München.
(Rückseite von Fig. 45.)
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