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Heinrich Zimmermann.
dend für die Ablehnung der Annahme Herrgotts, daß unser Ölbild die spätere Königin Marianne von
Spanien darstelle, ist jedoch, daß sich in Schönbrunn zwei weitere Bildnisse von Prinzessinnen finden,
die nicht allein fast genau dasselbe Format haben sondern auch sonst die größte Ubereinstimmung mit
ihm zeigen.
Eines davon (Fig. 6)1 wird dort als Eleonora Maria, Tochter Ferdinands III., spätere Gemahlin des
Königs Michael Koribut von Polen, dann des Herzogs Leopold Karl von Lothringen, das andere (Fig. 5)2
als deren jüngere Schwester Maria Anna Josefa, spätere Gemahlin Johann Wilhelms von der Pfalz, be-
zeichnet. Beide Prinzessinnen tragen Kleider aus weißem Atlas mit reicher Goldstickerei und nicht
schlichtes sondern in kurze Locken gekräuseltes, in der Mitte gescheiteltes Haar. Dies ist der einzige
Unterschied; sonst ist die Parallele mit Herrgotts Marianne eine vollkommene. Hier wie dort genau
der gleiche Hintergrund mit dem ungeschickt drapierten Vorhange, davor der von einem gleichfarbigen
Teppich bedeckte Tisch, auf dem statt des Erzherzog-
hutes allerdings eine nicht näher zu bestimmende
Krone ruht, dieselbe Stellung und Beschäftigung der
Hände, die zu kurzen Oberarme, die ungleich großen
Augen, dieselbe malerische Behandlung der Stoffe,
der Spitzen und des aus schwarzen Steinen gefügten
Schmuckes. Kurz, es kann keinen Augenblick zweifel-
haft sein, daß alle drei Bilder von einem und dem-
selben Maler und zur gleichen Zeit gemalt sind. Die
Ähnlichkeit der Gesichtszüge aber führt zu der wei-
teren Vermutung, daß wir in den drei Prinzessinnen
Schwestern vor uns haben, deren älteste, die angeb-
liche Eleonore, etwa 3, die andere weißgekleidete Erz-
herzogin etwa 1 — 2 Jahre älter war als unsere soge-
nannte Marianne. Nun hatte diese aber überhaupt
keine ältere Schwester, kann also in unserem Bilde
nicht dargestellt sein. Wer aber sind dann diese drei
Erzherzoginnen? Ein viertes Bild in Schönbrunn
(Fig. 7)3 führt auf die richtige Spur. Die darauf Ab-
gebildete steht an einem Tische, auf dem die Kaiser-
krone ruht, ist also deutlich als Kaiserin gekennzeichnet.
Nach der Ähnlichkeit der Gesichtszüge und der Tracht mit gleichzeitigen Stichen ist es Eleonora von der
Pfalz, die dritte Gemahlin Leopolds I., von demselben Maler porträtiert wie die drei Prinzessinnen. Der
dunkle Vorhang des Hintergrundes ist hier allerdings glücklicher drapiert und eröffnet links freien Aus-
blick auf eine Landschaft mit dunklen Bäumen und schwer bewölktem Himmel. Allein die Kaiserin trägt
dasselbe weiße, goldgestickte Atlaskleid wie die Eleonore Marie genannte Erzherzogin, Spitzen und
Schmuck sind von gleicher Form, Farbe und Ausführung; auch hier ist das Auge an der verkürzten Ge-
sichtsseite zu groß, sind die Hände, namentlich die rechte, nicht glücklich geraten. Die Ähnlichkeit der
Kaiserin mit der als Eleonore bezeichneten Erzherzogin verraten Mutter und Tochter, die erwähnte Ähn-
lichkeit dieser mit den beiden anderen Prinzessinnen läßt auch sie als Töchter derselben Kaiserin erkennen.
Mit Rücksicht auf die in den Bildnissen zutage tretenden Altersunterschiede ist anzunehmen, daß die
älteste Erzherzogin, eben die angebliche Eleonore, die spätere Statthalterin der österreichischen Nieder-
lande Marie Elisabeth (geboren i3. Dezember 1680), die zweite Erzherzogin Marianne (geboren 7. Sep-
tember i683), nachher vermählt mit König Johann V. von Portugal, die dritte endlich nicht Marianne
Fig. 9.
Jugendbildnis der Königin Marianne.
(Nach Herrgott.)
1 Depot I, Nr. 60, alt 75. H. 155, B. 117 cm. Schönbrunn, Gartenseite, 3. Stock, Nr. 18.
2 Depot VI, Nr. 165, alt 188. H. 156, B. 121 cm. Schönbrunn, Gartenseite, 3. Stock, Nr. 33.
3 Depot VI, Nr. 425, alt 170. H. 151, B. 105 cm. Schönbrunn, Franz Karl-Appartement.
Heinrich Zimmermann.
dend für die Ablehnung der Annahme Herrgotts, daß unser Ölbild die spätere Königin Marianne von
Spanien darstelle, ist jedoch, daß sich in Schönbrunn zwei weitere Bildnisse von Prinzessinnen finden,
die nicht allein fast genau dasselbe Format haben sondern auch sonst die größte Ubereinstimmung mit
ihm zeigen.
Eines davon (Fig. 6)1 wird dort als Eleonora Maria, Tochter Ferdinands III., spätere Gemahlin des
Königs Michael Koribut von Polen, dann des Herzogs Leopold Karl von Lothringen, das andere (Fig. 5)2
als deren jüngere Schwester Maria Anna Josefa, spätere Gemahlin Johann Wilhelms von der Pfalz, be-
zeichnet. Beide Prinzessinnen tragen Kleider aus weißem Atlas mit reicher Goldstickerei und nicht
schlichtes sondern in kurze Locken gekräuseltes, in der Mitte gescheiteltes Haar. Dies ist der einzige
Unterschied; sonst ist die Parallele mit Herrgotts Marianne eine vollkommene. Hier wie dort genau
der gleiche Hintergrund mit dem ungeschickt drapierten Vorhange, davor der von einem gleichfarbigen
Teppich bedeckte Tisch, auf dem statt des Erzherzog-
hutes allerdings eine nicht näher zu bestimmende
Krone ruht, dieselbe Stellung und Beschäftigung der
Hände, die zu kurzen Oberarme, die ungleich großen
Augen, dieselbe malerische Behandlung der Stoffe,
der Spitzen und des aus schwarzen Steinen gefügten
Schmuckes. Kurz, es kann keinen Augenblick zweifel-
haft sein, daß alle drei Bilder von einem und dem-
selben Maler und zur gleichen Zeit gemalt sind. Die
Ähnlichkeit der Gesichtszüge aber führt zu der wei-
teren Vermutung, daß wir in den drei Prinzessinnen
Schwestern vor uns haben, deren älteste, die angeb-
liche Eleonore, etwa 3, die andere weißgekleidete Erz-
herzogin etwa 1 — 2 Jahre älter war als unsere soge-
nannte Marianne. Nun hatte diese aber überhaupt
keine ältere Schwester, kann also in unserem Bilde
nicht dargestellt sein. Wer aber sind dann diese drei
Erzherzoginnen? Ein viertes Bild in Schönbrunn
(Fig. 7)3 führt auf die richtige Spur. Die darauf Ab-
gebildete steht an einem Tische, auf dem die Kaiser-
krone ruht, ist also deutlich als Kaiserin gekennzeichnet.
Nach der Ähnlichkeit der Gesichtszüge und der Tracht mit gleichzeitigen Stichen ist es Eleonora von der
Pfalz, die dritte Gemahlin Leopolds I., von demselben Maler porträtiert wie die drei Prinzessinnen. Der
dunkle Vorhang des Hintergrundes ist hier allerdings glücklicher drapiert und eröffnet links freien Aus-
blick auf eine Landschaft mit dunklen Bäumen und schwer bewölktem Himmel. Allein die Kaiserin trägt
dasselbe weiße, goldgestickte Atlaskleid wie die Eleonore Marie genannte Erzherzogin, Spitzen und
Schmuck sind von gleicher Form, Farbe und Ausführung; auch hier ist das Auge an der verkürzten Ge-
sichtsseite zu groß, sind die Hände, namentlich die rechte, nicht glücklich geraten. Die Ähnlichkeit der
Kaiserin mit der als Eleonore bezeichneten Erzherzogin verraten Mutter und Tochter, die erwähnte Ähn-
lichkeit dieser mit den beiden anderen Prinzessinnen läßt auch sie als Töchter derselben Kaiserin erkennen.
Mit Rücksicht auf die in den Bildnissen zutage tretenden Altersunterschiede ist anzunehmen, daß die
älteste Erzherzogin, eben die angebliche Eleonore, die spätere Statthalterin der österreichischen Nieder-
lande Marie Elisabeth (geboren i3. Dezember 1680), die zweite Erzherzogin Marianne (geboren 7. Sep-
tember i683), nachher vermählt mit König Johann V. von Portugal, die dritte endlich nicht Marianne
Fig. 9.
Jugendbildnis der Königin Marianne.
(Nach Herrgott.)
1 Depot I, Nr. 60, alt 75. H. 155, B. 117 cm. Schönbrunn, Gartenseite, 3. Stock, Nr. 18.
2 Depot VI, Nr. 165, alt 188. H. 156, B. 121 cm. Schönbrunn, Gartenseite, 3. Stock, Nr. 33.
3 Depot VI, Nr. 425, alt 170. H. 151, B. 105 cm. Schönbrunn, Franz Karl-Appartement.