Zur Ikonographie des Hauses Habsburg.
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Beschreibung wohl nur durch einen Gedächtnisfehler veranlaßten Abweichungen ist das Verhältnis der
schon besprochenen Replik des älteren Pradoporträts Nr. 1078 in Cläre Ford Collection zu diesem
späteren Bilde (Nr. 605). Auch hier findet sich der viereckig gefaßte Stein mit der Hangperle im Haare,
dessen Wülste hier wie dort bogenförmig verlaufen, der weiter herabhängende Schulterkragen mit der
Perlengarnitur, die an die Stelle des alten wuchtigen Goldschmuckes getreten ist. Erst von diesem
Kragen abwärts stimmt das Kleid und
die Stellung auf dem Bilde bei Cläre
Ford mit dem älteren Pradobilde (Nr.
1078) überein. So möchte man fast ver-
muten, es hätte der Maler dieser Replik
das ältere Bild, dem er im allgemeinen
folgte, im Kostüm wenigstens teilweise
modernisieren wollen, um sein Porträt
getreuer der späteren ' äußeren Erschei-
nung der Königin zu gestalten.
Da nahmen es die Franzosen weit
weniger genau. Denn als man nach dem
am 17. September 1665 erfolgten Tode
Philipps IV. in Frankreich das Bedürfnis
empfand, den Kupferstichliebhabern nun
auch ein Bild der Witwe und Königin-
Regentin zu bieten, war man dort trotz
der schon am 9. Juni 1660 stattgefunde-
nen Vermählung des jungen Roi Soleil
mit der Infantin Maria Theresia augen-
scheinlich nicht davon unterrichtet, daß
spanische Fürstinnen als Witwen jene
Art von Nonnentracht anzulegen pflegten,
die damals an den Höfen von Madrid,
Brüssel und Wien schon seit mehr als
einem Jahrhundert das Kennzeichen fürst-
licher Witwen bildet. Man glaubte diese
durch ein schwarzes Kleid mit weißer
Leinwandkrause und durch einen wallen-
den schwarzen Schleier genügend zu cha-
rakterisieren. So zeigt uns Marianne ein
Stich in ovalem Rahmen (228: 160 mm), der von P. Bertrand in Paris herausgegeben ist (Fig. 36)
Er muß nach seiner langen Legende,1 die bereits die Vermählung von Mariannens Tochter Margareta
Theresia mit Kaiser Leopold I. vom 12. Dezember 1666 erwähnt, nach diesem Datum erschienen sein,
wahrscheinlich aber vor deren noch nicht erwähntem Tode (12. März 1673). Das Kostüm, in dem
Marianne auf diesem Stiche erscheint, hat sie gewiß nie getragen.
Anderswo in Europa war man über ihre Tracht als Witwe weit besser unterrichtet, vor allem
natürlich in jenen Ländern, die damals noch spanische Provinzen bildeten, in Mailand und in den
Anna
HISPANLAJCV.M. ET
fäeuttaif Jen.-
Maria
INDIARVAt REGINA, etc.
Fig. 3i. Bildnis der Königin ivlarianne.
Nach einem Stiche von F. Bouttats.
1 cjl/ar/e Anne d'Austriche Reyne Regente d'Espagne veufue de Feu Philippe 4? du nom Roy Catholique des
Espagnes, quelle avoit epouse le ?e 8bre de 164.9, et duquel eile a eu l'Infante Margueritte en 1655 et VInfant Charles 2?
en 1661, la premiere a epouse en 1666 VEmpereur Leopold Ignace. Le second est a present regnant Sur le Tröne
d'Espagne par la mort du Roy son pere, ariuee le iye ?bre 1665. Cette vevtueuse princesse nacquit ä Neustad le 24c xbre
1634, fille unique de VEmpereur Ferdinand 3e et de Marie d'Austriche Infante d'Espagne etc. A Paris che\ P. Bertrand,
Rue St Jacques ä la Pomme d'or proche St Seuerin. Avec privil. du Roy.»
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Beschreibung wohl nur durch einen Gedächtnisfehler veranlaßten Abweichungen ist das Verhältnis der
schon besprochenen Replik des älteren Pradoporträts Nr. 1078 in Cläre Ford Collection zu diesem
späteren Bilde (Nr. 605). Auch hier findet sich der viereckig gefaßte Stein mit der Hangperle im Haare,
dessen Wülste hier wie dort bogenförmig verlaufen, der weiter herabhängende Schulterkragen mit der
Perlengarnitur, die an die Stelle des alten wuchtigen Goldschmuckes getreten ist. Erst von diesem
Kragen abwärts stimmt das Kleid und
die Stellung auf dem Bilde bei Cläre
Ford mit dem älteren Pradobilde (Nr.
1078) überein. So möchte man fast ver-
muten, es hätte der Maler dieser Replik
das ältere Bild, dem er im allgemeinen
folgte, im Kostüm wenigstens teilweise
modernisieren wollen, um sein Porträt
getreuer der späteren ' äußeren Erschei-
nung der Königin zu gestalten.
Da nahmen es die Franzosen weit
weniger genau. Denn als man nach dem
am 17. September 1665 erfolgten Tode
Philipps IV. in Frankreich das Bedürfnis
empfand, den Kupferstichliebhabern nun
auch ein Bild der Witwe und Königin-
Regentin zu bieten, war man dort trotz
der schon am 9. Juni 1660 stattgefunde-
nen Vermählung des jungen Roi Soleil
mit der Infantin Maria Theresia augen-
scheinlich nicht davon unterrichtet, daß
spanische Fürstinnen als Witwen jene
Art von Nonnentracht anzulegen pflegten,
die damals an den Höfen von Madrid,
Brüssel und Wien schon seit mehr als
einem Jahrhundert das Kennzeichen fürst-
licher Witwen bildet. Man glaubte diese
durch ein schwarzes Kleid mit weißer
Leinwandkrause und durch einen wallen-
den schwarzen Schleier genügend zu cha-
rakterisieren. So zeigt uns Marianne ein
Stich in ovalem Rahmen (228: 160 mm), der von P. Bertrand in Paris herausgegeben ist (Fig. 36)
Er muß nach seiner langen Legende,1 die bereits die Vermählung von Mariannens Tochter Margareta
Theresia mit Kaiser Leopold I. vom 12. Dezember 1666 erwähnt, nach diesem Datum erschienen sein,
wahrscheinlich aber vor deren noch nicht erwähntem Tode (12. März 1673). Das Kostüm, in dem
Marianne auf diesem Stiche erscheint, hat sie gewiß nie getragen.
Anderswo in Europa war man über ihre Tracht als Witwe weit besser unterrichtet, vor allem
natürlich in jenen Ländern, die damals noch spanische Provinzen bildeten, in Mailand und in den
Anna
HISPANLAJCV.M. ET
fäeuttaif Jen.-
Maria
INDIARVAt REGINA, etc.
Fig. 3i. Bildnis der Königin ivlarianne.
Nach einem Stiche von F. Bouttats.
1 cjl/ar/e Anne d'Austriche Reyne Regente d'Espagne veufue de Feu Philippe 4? du nom Roy Catholique des
Espagnes, quelle avoit epouse le ?e 8bre de 164.9, et duquel eile a eu l'Infante Margueritte en 1655 et VInfant Charles 2?
en 1661, la premiere a epouse en 1666 VEmpereur Leopold Ignace. Le second est a present regnant Sur le Tröne
d'Espagne par la mort du Roy son pere, ariuee le iye ?bre 1665. Cette vevtueuse princesse nacquit ä Neustad le 24c xbre
1634, fille unique de VEmpereur Ferdinand 3e et de Marie d'Austriche Infante d'Espagne etc. A Paris che\ P. Bertrand,
Rue St Jacques ä la Pomme d'or proche St Seuerin. Avec privil. du Roy.»