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Gustav Glück.
eine Anzahl von Bildern, deren Beschreibung in den Inventaren uns deutlich den miniaturartig feinen
Charakter der Malweise erkennen läßt. Besonders wert war Margareten auch eine Folge von dreißig
ganz kleinen Passionsdarstellungen, die ein anderer Hofmaler Isabellas der Katholischen, Juan de
Flandes, gemalt hatte und von denen Margarete einen Teil später zu einem reich mit Silber verzierten
Reiseoratorium vereinigte. 1 Auch Dürer fielen diese Bildchen auf, als er im Jahre 1521 die Sammlung
Margaretens besichtigte. An den im Escurial und im Besitze des Fürsten Fondi in Neapel2 befind-
lichen Resten dieser Folge kann man auch heute noch die miniaturartig feine Durchführung und die
reiche Erfindung bewundern. Doch vermögen wir schwer zu begreifen, daß Margarete solche Arbeiten
auf eine Stufe mit dem Werke gestellt hat, das uns heute als das allerwertvollste Stück der ganzen
Sammlung erscheinen muß: mit Jan van Eycks unübertrefflichem Bildnis Arnolfinis und seiner Frau;
freilich kann man von Margarete nicht verlangen, daß sie die volle kunstgeschichtliche Bedeutung dieses
Werkes hätte ermessen sollen, und es muß uns genügen, daß auch sie schon wenigstens an der unsäglich
feinen malerischen Durchführung ihre Freude gehabt hat.
Was aber der Sammlung Margaretens einen ganz besonderen Charakter verlieh, war die große
Anzahl von Bildnissen von Verwandten, fremden Fürstlichkeiten, Freunden und Bekannten. Wäre
diese Porträtgalerie, die mehr als sechzig Bildnisse umfaßte, heute noch vorhanden, sie wäre wohl eine
wahre Wonne für den Freund der Geschichte und auch dem Kunstfreunde böte sie genug des Bemer-
kenswerten. Vortrefflich vertreten waren die Höfe von Spanien, Frankreich und England, zu denen
allen ja Margarete manche Beziehungen hatte. In der Mehrzahl waren aber natürlich Ahnen- und
Familienbildnisse. Wie man heute auch in bürgerlichen Kreisen bei kinderlosen weiblichen Mitgliedern
der Familie gerne Sammlungen von Familienporträten (freilich leider nur in Photographien) findet, so
vereinigte auch Margarete in ihrem Palaste eine fast lückenlose Reihe solcher Bilder: hier sah man
Johann den Unerschrockenen, Philipp den Guten, Karl den Kühnen und seine Gattin Margarete von
York, Kaiser Friedrich III., Maximilian I., Philipp den Schönen und seine Frau Johanna von Kastilien,
Karl V. und seine Gemahlin Isabella von Portugal, Ferdinand I. und seine Gattin Anna von Ungarn,
die Schwestern Karls V. Leonore, Isabella und Maria, die Gemahle Isabellas und Marias Christian von
Dänemark und Ludwig von Ungarn, die drei Kinder Christians und Isabellas, die vier ersten Kinder
Ferdinands I. u. a. m. Dazu kommen noch eine Anzahl von Bildnissen Margaretens selbst und ihres
Gemahls Philibert.
Wo Margarete die Wahl hatte, — und sie hat wohl gewiß manche Bildnisse in ihrem eigenen
Auftrage ausführen lassen — wird sie auch hier neben der Porträtähnlichkeit sorgsamer Ausführung
den Vorzug gegeben haben, selbst vor großartiger Auffassung, wie man vielleicht aus der bekannten
Stelle von Dürers Tagebuch schließen kann. Diese Annahme findet man bestätigt, wenn man den Kreis
von Hofbildnismalern ansieht, den Margarete um sich versammelte. Nicht nur Dürer fehlt in dieser
le pctit Dieu dort.» Karl Justis Hinweis auf ein mit dieser Beschreibung übereinstimmendes Madonnenbild in der Kirche
S. Maria de la Oliva zu Lebrija in der Provinz Sevilla ist besonders wichtig, da das hier beschriebene Motiv nicht häufig zu
sein scheint. Mir ist nur eine ähnliche, wenn auch spätere Darstellung (wohl von der Hand des Meisters vom Tode Mariä)
erinnerlich, ein Bild, das im Kataloge der Odiotschen Versteigerung (Paris 1889) abgebildet ist. Maria hält hier auf dem
rechten Arme das Kind, das an ihrer Brust eingeschlafen ist, und deutet mit der Linken auf ein Gebetbuch, das auf ihrem
Schöße ruht.
1 Karl Justi, Juan de Flandes, ein niederländischer Hofmaler Isabella der Katholischen: Jahrbuch der preußischen
Kunstsammlungen VIII (1887), S. 157 ff.
2 Zwei, wie mir scheint, zu dieser Folge gehörende Bildchen, die Versuchung Christi und die Hochzeit von Kana,
kamen auf der Versteigerung der fürstlich Fondischen Sammlung in Neapel 1895 vor (im Kataloge der bolognesischen Schule
zugeschrieben, Nr. 738 und 738 bis, mit Abbildung der Versuchung Christi). Sie wurden auf der Auktion zurückgezogen
und befanden sich noch 1897 >m Besitze des Fürsten di Fondi in Neapel. Es sind offenbar die zwei Stücke, die Margarete
selbst zu einem reich mit Silber beschlagenen Diptychon hatte zusammenfügen lassen, während sie achtzehn der übrigen
Bildchen zu einem größeren Reisealtar vereinigte. Vgl. Jahrbuch der kunsthistor. Sammlungen III, S. C, Anm. 70, und für die
weiteren Schicksale der Täfelchen Karl Justi, a. a. O., S. 159 fr.
Gustav Glück.
eine Anzahl von Bildern, deren Beschreibung in den Inventaren uns deutlich den miniaturartig feinen
Charakter der Malweise erkennen läßt. Besonders wert war Margareten auch eine Folge von dreißig
ganz kleinen Passionsdarstellungen, die ein anderer Hofmaler Isabellas der Katholischen, Juan de
Flandes, gemalt hatte und von denen Margarete einen Teil später zu einem reich mit Silber verzierten
Reiseoratorium vereinigte. 1 Auch Dürer fielen diese Bildchen auf, als er im Jahre 1521 die Sammlung
Margaretens besichtigte. An den im Escurial und im Besitze des Fürsten Fondi in Neapel2 befind-
lichen Resten dieser Folge kann man auch heute noch die miniaturartig feine Durchführung und die
reiche Erfindung bewundern. Doch vermögen wir schwer zu begreifen, daß Margarete solche Arbeiten
auf eine Stufe mit dem Werke gestellt hat, das uns heute als das allerwertvollste Stück der ganzen
Sammlung erscheinen muß: mit Jan van Eycks unübertrefflichem Bildnis Arnolfinis und seiner Frau;
freilich kann man von Margarete nicht verlangen, daß sie die volle kunstgeschichtliche Bedeutung dieses
Werkes hätte ermessen sollen, und es muß uns genügen, daß auch sie schon wenigstens an der unsäglich
feinen malerischen Durchführung ihre Freude gehabt hat.
Was aber der Sammlung Margaretens einen ganz besonderen Charakter verlieh, war die große
Anzahl von Bildnissen von Verwandten, fremden Fürstlichkeiten, Freunden und Bekannten. Wäre
diese Porträtgalerie, die mehr als sechzig Bildnisse umfaßte, heute noch vorhanden, sie wäre wohl eine
wahre Wonne für den Freund der Geschichte und auch dem Kunstfreunde böte sie genug des Bemer-
kenswerten. Vortrefflich vertreten waren die Höfe von Spanien, Frankreich und England, zu denen
allen ja Margarete manche Beziehungen hatte. In der Mehrzahl waren aber natürlich Ahnen- und
Familienbildnisse. Wie man heute auch in bürgerlichen Kreisen bei kinderlosen weiblichen Mitgliedern
der Familie gerne Sammlungen von Familienporträten (freilich leider nur in Photographien) findet, so
vereinigte auch Margarete in ihrem Palaste eine fast lückenlose Reihe solcher Bilder: hier sah man
Johann den Unerschrockenen, Philipp den Guten, Karl den Kühnen und seine Gattin Margarete von
York, Kaiser Friedrich III., Maximilian I., Philipp den Schönen und seine Frau Johanna von Kastilien,
Karl V. und seine Gemahlin Isabella von Portugal, Ferdinand I. und seine Gattin Anna von Ungarn,
die Schwestern Karls V. Leonore, Isabella und Maria, die Gemahle Isabellas und Marias Christian von
Dänemark und Ludwig von Ungarn, die drei Kinder Christians und Isabellas, die vier ersten Kinder
Ferdinands I. u. a. m. Dazu kommen noch eine Anzahl von Bildnissen Margaretens selbst und ihres
Gemahls Philibert.
Wo Margarete die Wahl hatte, — und sie hat wohl gewiß manche Bildnisse in ihrem eigenen
Auftrage ausführen lassen — wird sie auch hier neben der Porträtähnlichkeit sorgsamer Ausführung
den Vorzug gegeben haben, selbst vor großartiger Auffassung, wie man vielleicht aus der bekannten
Stelle von Dürers Tagebuch schließen kann. Diese Annahme findet man bestätigt, wenn man den Kreis
von Hofbildnismalern ansieht, den Margarete um sich versammelte. Nicht nur Dürer fehlt in dieser
le pctit Dieu dort.» Karl Justis Hinweis auf ein mit dieser Beschreibung übereinstimmendes Madonnenbild in der Kirche
S. Maria de la Oliva zu Lebrija in der Provinz Sevilla ist besonders wichtig, da das hier beschriebene Motiv nicht häufig zu
sein scheint. Mir ist nur eine ähnliche, wenn auch spätere Darstellung (wohl von der Hand des Meisters vom Tode Mariä)
erinnerlich, ein Bild, das im Kataloge der Odiotschen Versteigerung (Paris 1889) abgebildet ist. Maria hält hier auf dem
rechten Arme das Kind, das an ihrer Brust eingeschlafen ist, und deutet mit der Linken auf ein Gebetbuch, das auf ihrem
Schöße ruht.
1 Karl Justi, Juan de Flandes, ein niederländischer Hofmaler Isabella der Katholischen: Jahrbuch der preußischen
Kunstsammlungen VIII (1887), S. 157 ff.
2 Zwei, wie mir scheint, zu dieser Folge gehörende Bildchen, die Versuchung Christi und die Hochzeit von Kana,
kamen auf der Versteigerung der fürstlich Fondischen Sammlung in Neapel 1895 vor (im Kataloge der bolognesischen Schule
zugeschrieben, Nr. 738 und 738 bis, mit Abbildung der Versuchung Christi). Sie wurden auf der Auktion zurückgezogen
und befanden sich noch 1897 >m Besitze des Fürsten di Fondi in Neapel. Es sind offenbar die zwei Stücke, die Margarete
selbst zu einem reich mit Silber beschlagenen Diptychon hatte zusammenfügen lassen, während sie achtzehn der übrigen
Bildchen zu einem größeren Reisealtar vereinigte. Vgl. Jahrbuch der kunsthistor. Sammlungen III, S. C, Anm. 70, und für die
weiteren Schicksale der Täfelchen Karl Justi, a. a. O., S. 159 fr.