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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Kinderbildnisse aus der Sammlung Margaretens von Österreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0238
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234

Gustav Glück.

der Schöne aus der Vormundschaft entlassen und übernahm die Regierung über die niederländischen
Provinzen. Vor diesem Termine muß also unser Doppelbild entstanden sein.

Zu welchem Zwecke mag nun die Aufnahme der beiden Kinder Maximilians gemacht worden
sein? Suchen wir nach persönlichen Motiven, so könnte man sich denken, der Kaiser, der um diese
Zeit in den Niederlanden weilte, habe gewünscht, Bildnisse seiner Kinder, die so fern von ihm lebten,

in seine Heimat mitzunehmen. Ob-
wohl diese Annahme unserer mo-
dernen Empfindung entsprechen
würde, so scheint es mir doch wahr-
scheinlicher, daß die Aufnahme aus
politischen Gründen erfolgt sei.
Schon seit längerer Zeit war in den
Verhandlungen zwischen Maximi-
lian und dem Hofe von Spanien
von einer Doppelheirat die Rede:
Philipp der Schöne sollte die In-
fantin Johanna, Margarete den In-
fanten Johann heiraten. Uber die-
sen Heiratsplan, dem verschiedene
Schwierigkeiten im Wege lagen,
waren gerade im Frühjahre 1494
die verhandelnden Parteien einig
geworden.1 Nun mochten Ferdi-
nand von Aragonien und beson-
ders auch seine Gemahlin Isabella
die Katholische den Wunsch ge-
äußert haben, ihre künftigen
Schwiegerkinder wenigstens im
Bilde kennen zu lernen. Man mag
daraufhin am Hofe in Mecheln
einen niederländischen Maler mit
der Aufnahme betraut haben. Es
ist aber auch ebenso gut möglich,
daß Isabella die Katholische ihren
niederländischen Hof bildnismaler,
jenen Meister Michiel, zu diesem
Zwecke nach Mecheln entsendet
habe. Für diesen Meister würde
sowohl die miniaturartig feine Aus-
führung der leider durch manche
Ubermalung entstellten Bilder sprechen als auch der Umstand, daß ein etwa um dieselbe Zeit entstan-
denes Porträt Johannas der Wahnsinnigen im Vorrate der kaiserlichen Galerie einen ganz ähnlichen
Stil zeigt.

Wer auch der Künstler sein mag, der diese Bildchen geschaffen hat, so möchte ich glauben, daß
von derselben Aufnahme gleichzeitig mehrere Exemplare hergestellt worden sind. Der Kaiser wird kaum
die Gelegenheit versäumt haben, sich ein Bildnis seiner Kinder zu verschaffen, und auch Margarete von
York, die Witwe Karls des Kühnen, die treue Pflegerin der Kinder, mag sich eines bestellt haben. Das

Fig. t. Bildnis Philipps des Schönen.
Aus der Sammlung Chigi in Rom.

1 Heinrich Ulmann, Kaiser Maximilian I., Stuttgart 1884, I, S. 242.
 
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