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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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II. Theil: Quellen zur Geschichte der kaiserlichen Haussammlungen und der Kunstbestrebungen des Allerdurchlauchtigsten Erzhauses
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Zimmermann, Heinrich: Das Inventar der Prager Schatz- und Kunstkammer vom 6. Dezember 1621: nach Akten des k. und k. Reichsfinanzarchivs in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0280
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XIV

Das Inventar der Prager Schatz- und Kunstkammer vom 6. Dezember 1621.

Schatz- und Kunstkammer möglichst hintanzuhalten,
weil dadurch ihren betrügerischen Machenschaften und
Unterschleifen von selbst ein Ziel gesetzt worden wäre.
Dagegen sollte man voraussetzen, daß gleich nach Ru-
dolfs Tode, schon mit Rücksicht auf die Erbsübernahme
durch Kaiser Matthias, ein genaues Verzeichnis von
Rudolfs Verlassenschaft und damit auch der Prager
Kunstkammer angelegt wurde. Und in der Tat erzählt,
wie Josef Svdtek berichtet,1 der gleichzeitige böh-
mische Chronist Paul Skala von Zhof in seinem großen
Geschichtswerke, daß «Kaiser Matthias gleich nach
Rudolfs Tode dessen Schätze durch den Kammerherrn
Desiderius Pruskowsky, den Grafen Adam von Wald-
stein und den geheimen Rat Barvitius inventieren ließ,
wobei an vierundzwanzig Zentner Gold- und sechzig
Zentner Silbersachen gefunden wurden, ungerechnet das
Silbergerät, die Edelsteine und Perlen sowie andere
wertvolle Gegenstände, so daß der ganze Schatz auf
17 Millionen bewertet wurde». Mag diese Angabe auch
übertrieben sein, so lautet die Nachricht, die uns sogar
die Namen der Verlassenschaftskommissäre nennt, doch
ZU bestimmt, als daß sie einfach aus der Luft gegriffen
sein könnte. Sie findet zudem eine indirekte Bestäti-
gung durch die in diesem Jahrbuch2 veröffentlichte
Korrespondenz des Kaisers Matthias mit den Erzher-
zogen Maximilian und Albrecht über die Teilung der
Prager Kunstkammer, die von diesen gefordert, von
jenem wenigstens teilweise zugestanden wurde; sie
konnte doch wohl nur auf Grund eines genauen Ver-
lassenschaftsinventars stattfinden. Umso befremdender
ist es, daß ein solches überall dort, wo man es in erster
Linie suchen mußte, also in den Archiven von Prag und
Wien, trotz jahrelanger eifriger Nachforschungen bis-
her nicht aufzufinden war.

Wurde aber wenigstens ein Exemplar des Inven-
tars in der Prager Schatz- und Kunstkammer selbst
aufbewahrt, was man billigerweise voraussetzen sollte,
dann war noch eine andere Möglichkeit seiner Wieder-
auffindung vorhanden. Bei den bekannten Schicksalen
der Prager Kunstkammer schien es nicht ausgeschlossen,
daji dieses Inventar zugleich mit ihren von den Schwe-
den im Jahre 1648 fortgebrachten Schätzen mitgenom-
men wurde, wie denn auch wieder der freilich nicht
sehr verläßliche Svdtek erzählt,3 daß Königsmark sich
von dem Schatzmeister Miseroni unter Androhung der
Tortur das Originalinventar und die Schlüssel der
Schatzkammer habe übergeben lassen.

Nun hat Beda Dudik im Sommer i85i bei einer
Durchforschung schwedischer Archive allerdings drei
Inventare der Prager Kunstkammer, zwei davon im
Wrangischen Schlosse Skokloster am Mälar gefunden,
die er in den Mittheilungen derk.k. Central-Commission
Zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale,
XII. Jahrgang, Wien 1867, S. XXXIIIff., veröffent-
lichte. Eine Abschrift des dritten, dessen Original in
der kgl. Bibliothek zu Stockholm liegt, teilte er im Jahre
i854 dem Professor der Geschichte zu Bordeaux M. A.
Geffroy mit, der es im folgenden Jahre abdrucken ließ*

1 Josef Svdtek, Culturhislorische Bilder aus Böhmen, Wien
1870, S. 2 ?5, Anm.

2 Jahrbuch, Band XX, 2. Regg. 17126, 1-7141, 17151, 17256,
17338, 17140. — Vgl. da\u ebenda, Reg. 1713g, 17161.

3 A. a. O., S. 257.

4 Notices et extraüs des manuscrits concernant Vhistoire ou
la lilte'rature de la France qui sont conserves dans les biblio-

In französischer Sprache geschrieben, hat es den Mu-
seumskustos der Königin Christine Raphael Triebet
Marquis du Fresne zum Verfasser und ist vom Jahre
i652 datiert. Es kommt daher als Nachlaßinventar
Rudolfs II. ebensowenig in Betracht als das zweite, mit
B bezeichnete, der von Dudik veröffentlichten beiden
Inventare, das, wie seine Datierung ze>gc> 'n der Zeit
vom 10.—12. September 1648 niedergeschrieben wurde
und sich als jene kurze Spezifikation darstellt, die
Königsmark für Oxenstierna und die Königin Chri-
stine anfertigen ließ.1

Daß aber auch in dem ersten von Dudik abge-
druckten Inventar A nicht das Nachlaßinventar Ru-
dolfs II. zu erblicken ist, beweist die darin enthaltene
Erwähnung einer Kupferplatte, «darauf Ferdinandus
der Dritte gestochen»;2 es kann daher nicht vor dem
Regierungsantritt dieses Herrschers (i5. Februar 1637)
abgefaßt sein und ist vielleicht das dem Schatzmeister
Miseroni im Jahre 1648 abverlangte « Originalinventar-»
der Prager Kunstkammer. Mit Rücksicht darauf, daß
sowohl in der Uberschrift als auch im Kontexte den
Kaisern wiederholt der Titel «kays. mayst.» beigelegt,
dagegen der König von Schweden, bei Erwähnung eines
Gnadenpfennigs mit seinem Bilde, kurzweg als solcher,
ohne besondere Reverenzformel, bezeichnet wird, ist es
wahrscheinlicher, daß dieses Inventar einen kaiserlichen
und nicht einen schwedischen Beamten zum Verfasser
hat, der bei der überstürzten Einpackung der Kunst-
kammer wohl auch kaum dazu Zeit gefunden hätte.
Trotzdem die zweite Möglichkeit anzunehmen, ist Olof
Granberg in der Einleitung zu seinem Buche über
die Galerie der Königin Christine 3 geneigt, der darin
die Bilderverzeichnisse aus Dudiks Inventar A und aus
dem Inventar du Fresnes als Appendice I und II neuer-
dings abdruckt. Wie sich dies nun auch immer ver-
halten mag, sicher ist, daß auch Dudiks Inventar A
nicht das Nachlaßinventar Rudolfs II. ist und daß
sich dieses auch in Schweden bisher nicht wieder ge-
funden hat.

Auch an anderer Stelle darnach angestellte Nach-
suchungen waren erfolglos. Es war nämlich nicht aus-
geschlossen, daß Königin Christine das ihr eventuell
aus der Prager Kunstkammer überbrachte älteste In-
ventar derselben mit nach Rom genommen hätte und
daß dieses mit ihrer Büchersammlung an die vatika-
nische Bibliothek gelangt wäre. Diese Vermutung schien
umso begründeter zu sein, als sich in der Vaticana, und
Zwar in der Bibliotheca Reginae unter Nr. 661, auch
jener in diesem Jahrbuche* von Albert Starzer ver-
öffentlichte Münzkatalog Ferdinands I. gefunden hat,
der nur über Prag nach Stockholm, von dort mit den
übrigen Büchern der Königin Christine nach Rom und
nach ihrem Tode in den Besitz Papst Alexanders VIII.
gelangt sein kann, der ihn der vatikanischen Bibliothek
einverleibte.5 So hatte denn Starzer, dem während
eines mehrjährigen Aufenthaltes in Rom Gelegenheit

thiques ou archives de Saide, Danemark et Norvege, Paris i855,
p.120 ff.

1 Svdtek, a. a. O., S. 257.

2 Dudik, a. a. O., S. XXXVI, Sp. 2.

3 La Galerie de tableaux de la reine Christine de Suide
ayant appartenu auparavant ä l'empereur Rodolphe II plus tard
aux ducs d'Orle'ans, Stockholm iSg7, p. 5.

4 Bd. XV, 2, S. CLXXXff.

5 Vgl. darüber die Vorbemerkung iur ermahnten Publikation
Starters, a. a. O., S. CLXXXIII.
 
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