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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Giehlow, Karl: Dürers Entwürfe für das Triumphrelief Kaiser Maximilians I. im Louvre: Eine Studie zur Entwicklungsgeschichte des Triumphzuges
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0060
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Karl Giehlow.

Später hat man sich mit der vom Kaiser und seinen Humanisten selbst gegebenen Bedeutung nicht
begnügt. Siegmund von Birken, der 1668, also etwa hundert Jahre später, Fuggers Spiegel der Ehren
des Erzhauses Osterreich herausgab, verschweigt sowohl die in diesem als auch die in der Ehrenpforte
gegebene Erklärung, um eine eigene zu geben, die so recht das Fortwuchern der humanistischen Hiero-
glyphik widerspiegelt. Ihm «ist der Granatapfel unter den Baumfrüchten die herrlichste und gleichsam
ihr Kaiser, wie er dann auch gekrönt und gleichsam in guldin Stuck gekleidet ist, seine Koerner aber
mit Purpur angethan sind, auch das Teutsche Wort Korn sich in Krön verbuchstabwechselt. Dannen-
hero könnte man ihn dem höchstlöblichsten Kaiser- und Königlichen Erzhaus vor ein Hieroglyphicum

und Geheimbild zueignen und dar-
über schreiben:

Tot coronae, quot grana:
So manches Korn,
So manche Krön».1

Solchen Wortspielereien gegen-
über ist Pirckheimers Ideogram-
matik noch einfach und sewisser-
maßen wissenschaftlich zu nennen,
insofern sie sich bemüht, aus den
Berichten der Alten oder eigener
Naturbeobachtung die Gedanken
ihrer Sinnbilder zu wählen.

Nicht minder als symbolische
kehren stilistische Motive des
großen Triumphwagens auf dem
Holzschnitt des kleinen wieder,
und zwar wieder am Kutschier-
sitze seiner *jveglaiterin». In sei-
ner Vorliebe für barockartige Vo-
luten hat Dürer den Baldachin
des ersteren nicht nur an einem
üppig gebogenen Stabe befestigt, sondern er läßt den Wagen auch vorne sich in geschwungene For-
men zuspitzen, aus denen sich der Platz für die «ratio» entwickelt. Von dem gleichen Stilgefühl ge-
leitet, zieht der Künstler auch das Vorderteil des Hochzeitswagens in die schön geführte Kurve des
gewaltigen Astes zusammen, zwischen dessen Granatäpfeln die Führerin sitzt. Obwohl der Schwung
seiner Linie sich rückwärts weiter fortsetzt, läßt sich doch der ganzen Komposition etwas Gezwungenes
nicht absprechen. Dies findet seine natürliche Erklärung darin, daß der Wagen ursprünglich ebenso wie
die anderen mit den «kriegen und schlachten» durch Landsknechte ohne Pferde fortbewegt werden
sollte, wie denn auch tatsächlich ein solcher beim Hinterrade sich bemüht, ihn in Bewegung zu setzen.
Der Wunsch Pirckheimers, das Hochzeitsgefährt im Einklang mit dem Triumphwagen noch mehr zu
allegorisieren, wirkte auf dessen Formgebung, die somit im Vergleich mit der Darstellung in den Mi-
niaturen eine dritte Phase bedeutet. Denn darin wird analog den früher beschriebenen Schlachtenszenen
die burgundische Heirat ebenso wie die spanische auf einer großen Fläche abgebildet, die jedoch dies-
mal reichgekleidete Reiter an Stangen befestigt tragen (Fig. 16).

Es ist bezeichnend, wie man trotz der großen Umwandlungen, welche die Art der Zurschaustellung
der Hochzeitsszenen erleidet, doch bestrebt war, ihre gegenständliche Auffassung selbst zu erhalten. Sie
kehren daher auf den Holzschnitten fast genau in derselben Weise aufgefaßt wieder, wie sie bereits die

1 Vgl. Siegmund von Birken, Spiegel der Ehren des Erzhauses Österreich, S. 1384.
 
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