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Ernst Kris.
eckig niederfallen, ist eine überaus verwandte. Der Johannesengel in der rechten Ecke des Büchs
deckels gemahnt an die Wappenhalter des Kaisersiegels; die weiche Haltung, der rundliche Ge*
sichtstypus mit der gewölbten Stirn sind anzumerken. Auch im dekorativen Empfinden werden
Gemeinsamkeiten deutlich: Man vergleiche bloß die Bildung der Baldachine mit den aufgesetzten
Fialen, die Art, wie das Maßwerk als Relief behandelt ist. Nur ist am Siegel alles noch reifer:
Die eckige, scharfe Biegung am Baldachin ist weich gewölbten Korbbögen gewichen, das Maß»
werk der Thronlehne steigt in leichtem Schwung auf.
Aus dem Vergleiche der beiden Werke können wir wegen der Verschiedenheit des Materials
— stumpfes Siegelwachs und fein ziseliertes, dünn vergoldetes Silber — nur auf ihre allgemeine
stilistische Verwandtschaft schließen. Ziehen wir indessen urkundliche Belege zur Ergänzung der
Abb. 1. Hanns von Reutlingen, Siegel Maximilians I.
stilistischen Kriterien heran, so wird es überaus wahrscheinlich, daß wir den Werken eines
Meisters gegenüberstehen.
Der Deckel des Schatzkammerevangeliars trägt das Beschauzeichen der Stadt Aachen und
die Marke eines Goldschmiedes, in der zuerst Rosenberg das Meisterzeichen des Hanns von
Reutlingen erkannte.1 Den Bemühungen Beissels2 und anderer gelang es, meist auf Grund der
Marke, eine Anzahl von erhaltenen Werken zusammenzustellen, deren bedeutendste der Aachener
Domschatz bewahrt.3
1 Rosenberg, Der Goldschmiede Merkzeichen, 1. Aufl. (1891), S. 3 f. Eine vollständige Liste aller bisher aufgefunden
nen erhaltenen Werke dieses Goldschmiedes findet sich in der 3. Auflage dieses Werkes (Frankfurt 1922), I. Bd, S. 9 f.
2 Vgl. namentlich Zeitschrift für christl. Kunst IV (1891), Sp. 379.
3 Beissel. Die Kirchenschatze des Aachner Kaiserdomes (1904), und Kunstdenkmale des Rheinlandes, Bd. X,
S. 237 f.
Ernst Kris.
eckig niederfallen, ist eine überaus verwandte. Der Johannesengel in der rechten Ecke des Büchs
deckels gemahnt an die Wappenhalter des Kaisersiegels; die weiche Haltung, der rundliche Ge*
sichtstypus mit der gewölbten Stirn sind anzumerken. Auch im dekorativen Empfinden werden
Gemeinsamkeiten deutlich: Man vergleiche bloß die Bildung der Baldachine mit den aufgesetzten
Fialen, die Art, wie das Maßwerk als Relief behandelt ist. Nur ist am Siegel alles noch reifer:
Die eckige, scharfe Biegung am Baldachin ist weich gewölbten Korbbögen gewichen, das Maß»
werk der Thronlehne steigt in leichtem Schwung auf.
Aus dem Vergleiche der beiden Werke können wir wegen der Verschiedenheit des Materials
— stumpfes Siegelwachs und fein ziseliertes, dünn vergoldetes Silber — nur auf ihre allgemeine
stilistische Verwandtschaft schließen. Ziehen wir indessen urkundliche Belege zur Ergänzung der
Abb. 1. Hanns von Reutlingen, Siegel Maximilians I.
stilistischen Kriterien heran, so wird es überaus wahrscheinlich, daß wir den Werken eines
Meisters gegenüberstehen.
Der Deckel des Schatzkammerevangeliars trägt das Beschauzeichen der Stadt Aachen und
die Marke eines Goldschmiedes, in der zuerst Rosenberg das Meisterzeichen des Hanns von
Reutlingen erkannte.1 Den Bemühungen Beissels2 und anderer gelang es, meist auf Grund der
Marke, eine Anzahl von erhaltenen Werken zusammenzustellen, deren bedeutendste der Aachener
Domschatz bewahrt.3
1 Rosenberg, Der Goldschmiede Merkzeichen, 1. Aufl. (1891), S. 3 f. Eine vollständige Liste aller bisher aufgefunden
nen erhaltenen Werke dieses Goldschmiedes findet sich in der 3. Auflage dieses Werkes (Frankfurt 1922), I. Bd, S. 9 f.
2 Vgl. namentlich Zeitschrift für christl. Kunst IV (1891), Sp. 379.
3 Beissel. Die Kirchenschatze des Aachner Kaiserdomes (1904), und Kunstdenkmale des Rheinlandes, Bd. X,
S. 237 f.