Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 36.1923-1925

DOI Artikel:
Kris, Ernst: Vergessene Bildnisse der Erzherzogin Johanna, Prinzessin von Portugal
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6171#0170
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
164

Ernst Kris.

Die ikonographische Bestimmung vermag sich nicht allein auf den Vergleich mit den
Bildnissen der Fürstin zu stützen, deren schönstes ein wohl 1559 entstandenes Werk des
Antonio Moro im Prado ist;1 den unzweideutigsten Beweis bietet eine bisher kaum beachtete Me-
daille, von der das Münzkabinett des Wiener Kunsthistorischen Museums einen einseitigen Silber*

abguß (Abb. 3) bewahrt.2 Sie wiederholt die Darstellung der
Gemme in nahezu doppelter Größe. Die Umschrift lautet:
IOANNA CAROL • V • CAES • F • PORTUGAL PRINC.
Aus einem Vergleich beider Werke ergibt sich mit voller Sicher*
heit die Priorität des Cameos. Die Formen des Gesichts sind
auf der Medaille verflaut und matt, dem Blick fehlt das Leben.
Die Wendung des Kopfes ist zwar beibehalten, allein statt
der spitz zulaufenden Umrißlinien des Antlitzes, die von den
Backenknochen jäh zum Kinn führen und das Hektisch=Spiri*
tualisierte in den Zügen betonen, finden wir ein verschliffenes
Oval, das an der recht ungeschickt verkürzten rechten Ge*
sichtshälfte unsicher gezogen ist. In der Fältelung des Gewan*
des hat der Medailleur den Reichtum des Vorbildes beizu*
behalten gesucht; auch da aber hat er mancherlei durch
schematisierende Parallelführung verdorben. An der rechten
Schulter sind die Mängel am deutlichsten: Die Fortsetzung
des Untergewandes, die unter dem Schleier hervorkommen
sollte, ist fortgelassen, um Platz zu schaffen für die Legende.
Die doppelte Perlenkette, die sich am Cameo scharf von der Plissierung des Gewandes ab«
hebt, hat der Medailleur in einen Faltenkranz verwandelt, den er in der kleinlichen Fältelung
des Brusteinsatzes widersinnig fortführt.

Die stilistische Einordnung von Cameo und Medaille
wird erleichtert, wenn wir ein Kunstwerk in den Kreis unse*
rer Betrachtung ziehen, das in der Literatur wiederholt be*
handelt wurde: Das Grabmal der Prinzessin Johanna in der
Kirche der Descalzas zu Madrid.3 Die Fürstin kniet in lan*
gern wallenden Mantel, die Hände andächtig faltend, vor einem
Betpult. Die Übereinstimmung des Brustausschnittes (Abb. 4)
mit den von uns behandelten Bildnissen ist im Innerlichen,
in der Auffassung des psychischen Ausdrucks, wie im Äußer*
liehen, in Tracht und Schmuck, gleich deutlich; auch kleine
Details sind beibehalten: so die Perlenschnüre, die im Haar
am seitlichen Rande der Haube sichtbar werden.4

Den Meister, der das Grabmal ausführte, kennen wir:
Die Figur trägt unter dem rechten Ärmel die Signatur Pompeo

Abb. 1. Jacopo da Trezzo, Cameo.
Infantin Johanna.

Wien, Kunsthistorisches Museum.

Abb. 2. Rückseite von Abb. 1. ■ HymanSi Antonio Moro, Brüssel 1910, p. 115. - Die Porträte der

Infantin zusammengestellt bei L. Roblot=Delondres, Portraits d'Infantes,
Paris 1913, p. 93 ff. — Auf ein im Depot der Wiener Galerie befindliches, nach Coello kopiertes Bildnis machte mich
freundlichst Herr Hofrat Zimmermann in Wien aufmerksam, der, wie eine gütig gewährte Einsicht in seine Nos
tizen ergab, unabhängig zu der gleichen Auffassung über die hier behandelten Stücke gelangt ist.

2 Herrgott, Nummotheca, Tab. XXVII, 114, p. 115. Andere Exemplare dieser Medaille, die bei Armand und Heiß
fehlt und meines Wissens auch in der neueren Literatur nicht erwähnt wird, sind mir nicht bekannt geworden.

3 Plön, Leone et Pompeo Leoni, Paris 1887, p. 199 u. 324. Babelon, Jacopo da Trezzo, p. 245 f. und Revue
de l'art ancien et moderne I (1913), p. 307 f.

4 Soweit die mir zugänglichen Abbildungen ein Urteil gestatten, sind die Züge der Fürstin auf dem
Grabmal gealtert. Es mag sein, daß der Cameo ein paar Jahre vor ihrem Tode entstand. Etwa 1566? Worauf
sich der Goldschmied, der die Emaillierung der Inschrift besorgte, gestützt haben mag, bleibt unsicher. Viel*
leicht ist dieses Datum an der Rückseite des Steines, der nicht aus seiner Fassung entfernt werden konnte, eins
geschnitten.
 
Annotationen