Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 36.1923-1925

DOI Artikel:
Grosz, August: Camillo List: geboren am 18. Juli 1867, gestorben am 25. März 1924
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6171#0175
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Camillo List.

169

Erwerbung der drei Spangenhelme aus St. Vid in Dalmatien machen, die er im Jahre 1902 in
einem ausgezeichneten Aufsatze im Jahrbuche der Zentralkommission publizierte. Im gleichen
Jahre veranstaltete er seine zweite Ausstellung, die «Historische Ausstellung für Jagd* und
Schützenwesen in Stockerau», die ebenso wie der von ihm verfaßte Katalog mustergültig war.

Nun folgte eine Zeit des intensivsten Studiums und er begann seine höchst wichtige
Sammlung von Waffenmarken, insbesondere solcher von Büchsenmachern, und auch einen Zettel*
katalog über Büchsenmacher, da er vorhatte, über dieses sein Lieblingsthema ein Werk heraus*
zugeben, was aber leider der Tod verhinderte. Studienreisen nach Frankreich, England, Belgien,
Spanien, Rußland und Konstantinopel erweiterten seinen Gesichtskreis und seine Kenntnisse.
Auch an einer größeren Anzahl bedeutender Ausstellungen nahm er in der Folgezeit tätigen
Anteil, so im Jahre 1907 an der «Ausstellung des goldenen Vließes in Brügge» (für diese
Arbeit wurde er mit dem Offizierskreuze des belgischen Leopoldsordens ausgezeichnet), 1909
an der «Erzherzog KarbAusstellung» in Wien, 1910 an der «Jagdausstellung» ebenda und im
gleichen Jahre an der «Ausstellung von Meisterwerken muhamedanischer Kunst in München»,
in deren Prachtkatalog und Führer er die Waffen bearbeitete, 1913 an der «historischen Aus*
Stellung zur Jahrhundertfeier der Freiheitskriege» in Breslau. Bei allen diesen Ausstellungen
machte er sich durch sein rasches, zielbewußtes Arbeiten, seine großen Kenntnisse und die heitere
Liebenswürdigkeit seiner Persönlichkeit allgemein beliebt. Seine Arbeit an der muhamedanischen
Ausstellung trug ihm den bayrischen Michaelsorden III. Kl. ein.

Seiner Leidenschaft für die Betätigung bei Ausstellungen und Neuaufstellungen von Samm*
lungen genügten aber die genannten offiziellen Ausstellungsarbeiten nicht, sondern er dehnte
diese Tätigkeit auch auf eine größere Anzahl von privaten Waffensammlungen aus. So ordnete
und katalogisierte er die Sammlungen auf Schloß Grafenegg, Raudnitz, Pottenstein und Chur*
bürg, die Sammlungen der Grafen Radziwill und Lanckorohski, von der er auch 1918 einen Ka*
talog verfaßte. Ein Teil dieser Arbeiten wurde für die Kunsttopographie gemacht und ist in
deren Bänden veröffentlicht. Bei der Katalogisierung der Sammlungen auf Schloß Ambras bei
Innsbruck, auf Schloß Vaduz des Fürsten Liechtenstein und der Waffensammlung in Bregenz
hatte der Schreiber dieser Zeilen Gelegenheit, mit seinem verehrten Lehrer gemeinsam zu arbeiten
und von ihm reichlich zu lernen.

Im Jahre 1918 wurde die Waffensammlung von der Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe
aus wissenschaftlichen und praktischen Gründen abgetrennt und einer eigenen Direktion
unterstellt.

Im Jahre 1922, dem letzten seiner Amtstätigkeit, in dem schon Anzeichen seiner tückischen
Erkrankung zu merken waren, konnte List gemeinsam mit dem Verfasser dieser Zeilen noch einmal
seine Lieblingsbeschäftigung, die Aufstellung einer Sammlung, nämlich der Wagenburg in Schön*
brunn, ausüben. Schon damals wechselten bei ihm Tage fröhlichster jugendfrischer Arbeits*
freudigkeit mit Tagen vollkommener Niedergeschlagenheit ab.

Mit Ende des Jahres trat er in den Ruhestand, hoffte nach seiner Genesung noch viele
Jahre an der Seite seiner zweiten Gattin auf seinem Besitze in Mödling intensiver Wissenschaft*
licher Arbeit widmen zu können und fand gleich ein neues Feld für seine Betätigung, da er
ehrenämtlich an der Leitung des Museums der Stadt Mödling beteiligt war. Noch im Jahre
1923 veranstaltete er in seinem neuen Museum eine Ausstellung unter dem Titel: «Alt*Mödling»
und wendete sich trotz seiner schweren Erkrankung mit Feuereifer einem nur scheinbar neuen
Arbeitsfelde, der Geschichte der Wiener Biedermeierzeit, zu. Aber schon in den Herbstmonaten
verschlimmerte sich sein Zustand dermaßen, daß er viel zu Bett liegen mußte oder jedenfalls das
Haus nicht verlassen konnte. Oftmals versammelte er seine Freunde um sich, die mit Trauer
den raschen Verfall des immer noch auf Genesung Hoffenden beobachteten. Am 25. März 1924
wurde List nach einem Leben voll Tätigkeit und Freundschaft durch einen raschen Tod von
seinem Leiden erlöst.

AUGUST GROSZ.

25°
 
Annotationen