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Studniczka, Über den Augustusbogen in Susa.

unbegreiflich, wenn die Quelle jenes belebenden Einflusses auf ihre Kunstzentren
die eben in den fraglichen Jahrhunderten zur höchsten Blüte gediehene Phokäer-
stadt gewesen wäre, wie wir es ja nach hervorragenden Gelehrten für die hellenistische,
ja noch für die Kaiserzeit glauben sollen127. Von selbst dagegen erklärt sich die
Pause, wenn als hauptsächlicher Nährboden der gallischen Kunst Oberitalien an-
gesehen wird, mögen nun ihre Träger von alters her in der Poebene gesessen haben
oder wirklich erst um 400 von den Bergen herabgestiegen sein128. Während nämlich
sogar das südliche Etrurien zeitweilig, im fünften und vierten Jahrhundert, hinter der
vorbildlichen griechischen Entwicklung zurückblieb, vermochte ihr das barbarischere
Land nördlich vom Apennin, auch in seinem Kulturzentrum Felsina, überhaupt nur
etwa bis gegen Mitte des fünften Jahrhunderts zu folgen, und dies so schwerfällig,
daß auch die fortgeschrittensten Leistungen, wie die Certosagrabstelen, einen über-
wiegend archaischen Eindruck machen129. Um so begreiflicher, wenn sich daneben,
namentlich bei Venetern und Rhätern, in der Metallindustrie der Situlen (S. 18)
jene noch altertümlichere Tierstreifendekoration behauptete, welche dann bei den
sicher von jeher irgendwo benachbarten Kelten bis auf die Silberhumpen weiter-
lebend auch den Steinmetzen von Susa noch geläufig war.
Die gründliche Beantwortung dieser Fragen würde ganz andere Kenntnisse
und Untersuchungen fordern. So viel indes auch an diesem Versuche fehlerhaft
sein mag, als sein festes Ergebnis für unser Denkmal wird etwa dies zu betrachten
sein: Der Fries des Cottiusbogens läßt hinter seiner barbarischen Stümperei und
seinen dürftigen Anleihen bei der damaligen römisch-hellenistischen Kunst die
Grundlagen eines Stiles erkennen, der aus dem griechischen Archaismus des
sechsten Jahrhunderts, wahrscheinlich durch italische Vermittelung, abgeleitet war.
Von diesem Stile finden sich so charakteristische Formen in etwa gleichzeitigen
und noch in späteren gallischen Erzeugnissen wieder, daß die von vornherein wahr-
scheinliche Zugehörigkeit des Frieses zu derselben Kunstprovinz, wenn auch nur an
ihrer Peripherie, für erwiesen gelten darf.
Zur Betrachtung der Architektur nehmen wir also die Frage mit auf den
Weg, ob auch sie Züge der Verwandtschaft mit der hier soviel besser, freilich nur
aus römischer Zeit bekannten Kunst der Gallier aufweist und woher ihnen auf diesem
Gebiete die hellenistischen Formen zugekommen sind.
Franz Studniczka.

127) S. besonders den selbst im Auszug bestechenden
Festvortrag Löschckes, Berl. philol. Wochenschr.
1894, S. 224E und Bonner Jahrb. 95, 1894,
S. 2Öof. Anders wieder S. Reinach a. a. O. (oben
Anm, 41), S. 8ff., dessen »mirage Alexandrin«
selbst Michaelis einschränkt, im Jahrbuch der
lotliring. Gesellsch. f. Gesch. u. Altert. VII,
1895, S. I52f. Vgl. denselben in Springers
Handb. d. Kunstg. I6, S. 334. 364.
128) Diese antike Überlieferung verteidigt auf Grund
der Funde Dechelette in der Revue arch. XL,

1902, I, S. 245 ff. gegen die u. a. von Bertrand
und Reinach (siehe oben Anm. 92) vertretene
Meinung. Vgl. auch von Dulin a. a. O., (oben
Amn. 105).
129) Zannoni, Scavi d. Certosa di Bologna, Atlas
passim. Einige Proben bei Martha, L’art etr.,
S. 369 ff. Montelius, Civil. primit. I, Taf. ioof.
Vgl. die trotz falscher Chronologie sehr lehr-
reiche Stilanalyse von Brunn in den Abhandl.
der bayr. Akad. I. Kl. XVIII. 1, 1887, S. I5lff.,
aber auch Milchhöfer, Anfänge der Kunst, S. 233 f.
 
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