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Hartwig, Zur Statue des Demosthenes.

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an der englischen Statue immer als eine störende Zutat empfunden worden. Klar
und harmonisch läuft jetzt der Zipfel des über die linke Schulter des Redners
herabhängenden Himation unter den gefalteten Händen hindurch. Auch in der
Profilansicht gewinnt die Figur, wie unsere Abb. 5 zeigt, ganz bedeutend. Aber
mehr ist es noch,, was die Statue an innerem Gehalte, an ήθος, gewinnt. Noch
kürzlich hat Petersen in seinem Buche »Vom alten Rom« (S. 128) bei der Er-
wähnung der Statue im Braccio nuovo folgende Worte gebraucht: »Es ist kaum
zu sagen, wie sehr durch die moderne Ergänzung der Hände mit der Rolle die
Idee des Werkes geschädigt ist. Das athenische Original zeigte den Redner mit
verschränkten Händen, dem Ausdrucke inneren Kampfes und Kummers, ganz mit
sich und seinen Gedanken beschäftigt, und daß es bittere Gedanken sind, zeigt das
gefurchte Antlitz und die zusammengezogenen Brauen.« Es klingt durch diese
Worte förmlich wie eine Sehnsucht nach der Wiederherstellung des ursprünglichen
Bildes hindurch. Diese ist nun durch die Auffindung der barberinischen Fragmente
erfüllt. Der Rapport zwischen dem Ausdruck des Kopfes und den Händen ist
hergestellt. Wie jene trauernden Frauen auf dem Sarkophag der Nekropole von
Sidon und wie jene Medea auf dem herkulanensischen Wandbilde, kündet der
Gestus der Hände eine tiefe innere Bewegung. »Sie bilden«, wie sich Michaelis
ausdrückt (bei Schaefer, Demosthenes III, S. 25), »den Schlußstein des festen
Gefüges von Charakterzügen, die in der Statue Gestalt gewonnen haben.« Das
ist der Mann, der zunächst hart mit sich selbst kämpfte und der ein opfer-
reiches Leben einer Aufgabe weihte, deren Mißlingen ihn schließlich in einen frei-
willigen Tod hineintrieb. Wie ein »Memento« muß das Werk des Polyeuktos auf
die Epigonen gewirkt haben. Aber der Meister hat damit nicht nur dem großen
Patrioten, sondern auch sich selbst ein Denkmal errichtet, und es ist bezeichnend,
daß die künstlerische Idee, den inneren Sturm einer bewegten Seele durch fest
geschlossene, jeden Kontakt mit der Außenwelt ausschließende Hände zu dämpfen,
neuerdings in einem der größten Monumentalwerke unserer Zeit wiederum einen
ähnlichen Ausdruck gefunden hat: in Klingers Beethoven.
Rom. P. Hartwig.

Jahrbuch des archäologischen Instituts XVIII.

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