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Six, Protogenes.

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Melanthios’ wenigstens teilweise zu retten, das Bild des Aristratos durch einen
Palmbaum ersetzte3. Magnifica führte mich auf Zeuxis, als Gegensatz, dessen
Juppiter magnificus genannt wird4, und ich vermutete: aut Nealces magnifica [aut
Zeuxis tenuia], indem mir dieses letzte Wort nicht nur dem magnifica richtig ent-
gegengesetzt schien, aber auch eben die kleinen Züge, wie sie von Nealkes über-
liefert sind, bezeichnen könnte.
Brakman hat aber im Text eine von Mai ganz übersehene Zeile gelesen,
die so lautet: aut Protogenen venera, was er wohl mit Recht in: aut Protogenen
tenera korrigiert.
Dieses tenera aber muß unsere Vorstellung von Protogenes und Nealkes
erweitern. Es ist nicht gleicher Bedeutung mit tenuia und lehrt uns, daß die Kunst
des Nealkes weich und zart war, sowie, daß Protogenes diese Eigenschaft ganz
abging. Wir müssen, was Nealkes anlangt, dabei wohl in erster Linie an die Venus
denken, von der Plinius a. a. O. berichtet, aber auch auf die Fdottenschlacht im
Nile mag es passen. Es entgeht mir keineswegs, daß schon vor Nealkes’ Zeit
Demetrios von Phaleron5 einen Ausspruch des Nikias anführt, worin den Vögelein
(des Protogenes?) und den Blumen (des Pausias?) Reiterschlachten (des Lehrers
seines Lehrers, Euphranor?) und Seetreffen gegenüber gestellt werden, aber die
Seeschlachten machen dort eine komische Figur, wo die weitere Ausführung nur
von Pferden und Reitern redet, und sind, soviel ich weiß, zu jener Zeit auch in
der Geschichte der Malerei ohne Beispiel.
Was mir aus modernen Zeiten von Seeschlachten, die in der holländischen
Kunst ja nicht selten sind, bekannt geworden ist, gehört keineswegs zur großartigen
Kunst, sondern vielmehr zum Gebiet der Kleinmalerei.
Freilich werden die Segel und Taue in einer antiken Seeschlacht kaum die-
selbe Bedeutung gehabt haben und fehlte der Pulverdampf gänzlich, aber die Aus-
dehnung des Vorwurfs hat wahrscheinlich auch kleine Menschenfigürchen verlangt.
Ausführlichkeit aber allein reicht hier gewiß nicht aus, da Protogenes be-
kanntlich selber darin kaum zu übertreffen war. Man wird eher an Zartheit der
Ausführung denken müssen und in der Mitte des dritten Jahrhunderts, als Nealkes
malte, ist es vielleicht erlaubt zu vermuten, daß er schon »Atmosphäre« in seiner
Malerei wiedergegeben hat. Mehr als eine Vermutung kann das allerdings nicht sein.
Lehrreicher ist gewiß, daß die Zartheit dem Protogenes abgesprochen wird,
wenngleich es nicht an Stellen fehlt, die damit zu vergleichen sind. Daß Apelles
ihm den Liebreiz seiner eigenen Kunst, illam suam Venerem quam Graeci Charita
vocant absprach, wissen wir durch Plinius6, sowie daß er dieses der all zu großen
Ausführlichkeit zuschrieb.
Bezeichnender aber scheinen noch die Worte des Petronius7 zu sein: Proto-
genis rudimenta, cum ipsius naturae veritate certantia, non sine quodam Horrore
tractavi.

3) Plut. Arat. 12.
4) Plin. Nat. Hist. XXXV, 63.

5) De Elocutione 76.
6) Plin. Nat. Hist. XXXV, 79.
 
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