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von Fritze, Zum griechischen Opferritual.

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meint4. Dadurch sei für ihn ein Bestehen im zweiten vorchristlichen Jahrtausend
bewiesen. So erfreulich diese Feststellung wäre, kann ich ihr doch nicht zustimmen.
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß die Verfertiger der großen Gruppe hierher
gehöriger Inselsteine sich dem strengen Schematismus fügten, dessen sich der Wappen-
stil schon früh bemächtigt hatte. Daraus ergab sich die unabweisbare Folge, daß
die Objekte der Darstellung einer Stilisierung anheimfielen, welche man häufig so-
weit trieb, daß auf Kosten der Naturwahrheit die rein dekorative Wirkung gewollt
und erreicht wurde. Das Bestreben, den Flächenraum auszufüllen, die fuga vacui,
spielte zu allen Zeiten griechischer Kunstübung eine bedeutende Rolle und ist so
bekannt, daß leicht auf Anführung von Beispielen verzichtet werden kann. Ein Blick
auf die zahlreichen Inselsteine lehrt, daß bei den Wappenkompositionen dieselbe
Absicht vorwaltet5. Unter den oft wiederkehrenden Motiven ist das besonders
häufig, welches zwei Tiere zu Seiten eines Baumes oder einer Säule (als Andeutung
des Palastes) erkennen läßt. Eine Variierung dieses Themas ist sowohl in der Art


Abb. 4.


der Tiere als auch in den Stellungen ihrer Körperteile zu beobachten. Man dachte
sie sich als Wächter des Hauses oder Baitylos6 zur Abwehr feindlicher Gewalten,
wie die Löwen über dem Burgtor von Mykene. Häufig sind sie wie Hofhunde an
die Kette gelegt; ebenso oft aber stehen sie frei, einander zu- oder abgekehrt. Eine
lehrreiche Zusammenstellung solcher Wappenbildungen gibt Arthur J. Evans in seiner
Abhandlung ‘The mycenaeen tree and pillar culf, S. 154fr.7 Sie zeigen, daß bei
sitzenden Figuren, wie z. B. den Sphingen (Abb. 4), die Raumfüllung dank der Flügel
erreicht ist. Weniger leicht gelang dies bei liegenden Tieren und so sah sich
der Verfertiger des Steines Abb. 5 genötigt, nicht nur die aufwärts gebogenen
Schwänze dazu zu verwenden, sondern auch über den Rücken der Rinder auf-
sprießende Zweige anzubringen oder wie bei den stehenden Löwen (Abb. 6) Tier-
köpfe in die Fläche zu setzen. Es lag nahe, die dekorative Wirkung dadurch hervor-
zubringen, daß man die Tiere aufrichtete, wie es auf dem Intaglio Abb. 7 geschehen

4) a. a. O. S. 563 fr. und Fig. 469, danach hier
Abb. 3.
5) Vgl. A. Furtwängler, Die antiken Gemmen,
Bd. 3, S. 54f.
6) Vgl. A. Evans, Journ. of Hell. Stud. 1901,
S. II2ff.

7) Vgl. Anm. 6. Die folgenden Abbildungen sind
der Abhandlung von Evans entnommen und
zwar Abb. 4 = Evans, S. 155, Fig. 33. Abb. 5
— Evans, S. 156, Fig. 34. Abb. 6 = S. 159»
Fig. 39. Abb. 7 = S. 154, Fig. 30. Abb. 8 -
S. 160, Fig. 40,
 
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