DOI Artikel:
Reichel, A.: Boōpis
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.44285#0020
IO
A. Reichel, Βοώπις.
umspielten Mädchenkopfes erkennen läßt, gestattet uns die analoge Beobachtung
anzustellen (Abb. 2). Das Gesicht wird beherrscht vom großen, auffallenden Auge.
Zur merkwürdigsten Darstellung dieser Art gehört aber wohl die des Auges vom
knossischen Stiere, von dem wir eine Abbildung veröffentlichen können, die nach
dem im Museum von Candia befindlichen Originale angefertigt ist (Abb. 3). Der
Kontur des Auges ist da wie von einem Kranze mit einer Strichelung umgeben,
die zum Kontur senkrecht steht; ohne Zweifel sind damit die Wimpern gemeint;
die Wirkung dieser Umrahmung geht aber viel weiter, da durch die Strichelung
die Auffälligkeit des Auges außerordentlich gesteigert wird. Im Prinzip ist dies
derselbe Kniff, der heute noch von Damen der Demimonde geübt wird, um die Auf-
Abb. 2.
Aus einem Wandgemälde von Knossos.
Abb. 3.
Aus einem Wandgemälde von Knossos.
fälligkeit ihrer Augen zu steigern, indem, sie die Lider dunkel färben. Der große
Augenstern, der innerhalb des weiß ausgesparten Auges zu liegen kommt, berührt
den Kontur nicht und erscheint dadurch noch größer. Am Stierbild von Tiryns
lassen sich ganz ähnliche Wahrnehmungen machen.5) Um aber eine Vorstellung zu
bekommen, wie tief das Bedürfnis nach dieser Verdeutlichung des Auges gewurzelt
haben mag, sei nur in Kürze auf jene Zeichnungen hingewiesen, auf denen die Augen
sogar neben dem Körper des dargestellten Tieres angebracht sind, um ihrer Deut-
lichkeit Vorschub zu leisten 6) (Abb. 4). Die Funde aus der sogen. Kykladenkultur,
so wie die aus jener Epoche, die der II. trojanischen Ansiedlung entspricht, weisen
darauf hin, daß die auffällige Bevorzugung der Augen da bereits vorbereitet wurde.
Allerdings gewinnt das sexuelle Moment neben dem intellektuellen an Bedeutung,
5) Schliemann, Tiryns Taf. XIII. 6) Perrot et Chipiez, Histoire de l’art dans l’anti-
quit£ VI 932 Fig. 492.
A. Reichel, Βοώπις.
umspielten Mädchenkopfes erkennen läßt, gestattet uns die analoge Beobachtung
anzustellen (Abb. 2). Das Gesicht wird beherrscht vom großen, auffallenden Auge.
Zur merkwürdigsten Darstellung dieser Art gehört aber wohl die des Auges vom
knossischen Stiere, von dem wir eine Abbildung veröffentlichen können, die nach
dem im Museum von Candia befindlichen Originale angefertigt ist (Abb. 3). Der
Kontur des Auges ist da wie von einem Kranze mit einer Strichelung umgeben,
die zum Kontur senkrecht steht; ohne Zweifel sind damit die Wimpern gemeint;
die Wirkung dieser Umrahmung geht aber viel weiter, da durch die Strichelung
die Auffälligkeit des Auges außerordentlich gesteigert wird. Im Prinzip ist dies
derselbe Kniff, der heute noch von Damen der Demimonde geübt wird, um die Auf-
Abb. 2.
Aus einem Wandgemälde von Knossos.
Abb. 3.
Aus einem Wandgemälde von Knossos.
fälligkeit ihrer Augen zu steigern, indem, sie die Lider dunkel färben. Der große
Augenstern, der innerhalb des weiß ausgesparten Auges zu liegen kommt, berührt
den Kontur nicht und erscheint dadurch noch größer. Am Stierbild von Tiryns
lassen sich ganz ähnliche Wahrnehmungen machen.5) Um aber eine Vorstellung zu
bekommen, wie tief das Bedürfnis nach dieser Verdeutlichung des Auges gewurzelt
haben mag, sei nur in Kürze auf jene Zeichnungen hingewiesen, auf denen die Augen
sogar neben dem Körper des dargestellten Tieres angebracht sind, um ihrer Deut-
lichkeit Vorschub zu leisten 6) (Abb. 4). Die Funde aus der sogen. Kykladenkultur,
so wie die aus jener Epoche, die der II. trojanischen Ansiedlung entspricht, weisen
darauf hin, daß die auffällige Bevorzugung der Augen da bereits vorbereitet wurde.
Allerdings gewinnt das sexuelle Moment neben dem intellektuellen an Bedeutung,
5) Schliemann, Tiryns Taf. XIII. 6) Perrot et Chipiez, Histoire de l’art dans l’anti-
quit£ VI 932 Fig. 492.