Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Μ. Mayer, Altapulische Terrakotten.


Die hier vorzuführenden Proben stehen dem Griechischen nicht ganz so fern
wie die in den Röm. Mitt, XXIII1908 Taf. VIII, IX 4, Beil. I4 (vgl. S. 200 ff.) publi-
zierten Figuren nach Gegenstand, Kostüm und Formengebung. Aber sie bieten doch
vieles Besondere, zum Teil geradezu Inkommensurable, das auf Erklärung und auf
fortgesetzte Beobachtung des ganzen Gebietes dringt.

I.
In Fig. 1 sehen wir eine Reiterfigur von 0,26 m Höhe; sie stammt aus Rugge,
dem antiken Rudiae1), und befand sich ihrerzeit in einer Privatsammlung zu Lecce,
der Stadt, wohin die Funde aus jenem antiken
Nachbarorte zunächst zu gelangen pflegen. Ein
für Italien höchst ungewöhnlicher Typus. Auf
einem Pferde, dessen Beine als grade, zuge¬
spitzte Stützen markiert sind, ' mit ungefähr
entsprechend archaischem Oberkörper, sitzt ein
bartloser, anscheinend jugendlicher Mann mit
Schild und seltsamer Kopfbedeckung, der den
r. Arm lebhaft in die Höhe streckt, gleichsam
wie ein die Seinigen anfeuernder Anführer; die
Hand ist offen, ohne etwas gehalten zu haben.
Während der nackte, schmächtige, obzwar
primitive Oberkörper im richtigen Größenver¬
hältnis zum Tiere steht, erscheinen die Beine
winzig, kaum für eine Kinderfigur passend, wie
sie etwa eine archaische Reiterfigur aus Tanagra,
Brit. Mus.-Kat. B 63 pl. VI, darstellt. Man
gewahrt diese verkümmerte Bildung der Beine
auch sonst an primitiven apulischen Terra¬
kottafiguren 2), die nicht beritten sind. Der
runde Schild, groß genug, das ganze Männchen
zu bedecken, ist am Arm befestigt und bietet
nichts Spezielles. Dagegen ist die Kopfbedeckung von ganz merkwürdiger Be-
schaffenheit und geradezu als eine Singularität zu bezeichnen. Es ist eine hohe,
querstehende Mütze, die sich in drei Zacken teilt. Nach heutigem Maßstabe würde
man sie als eine steifgebügelte dreifache Narrenkappe ohne Klunkern beschreiben
müssen.
Dieses Abzeichen lassen die etwa vergleichbaren griechischen Gebilde ver-
missen. Man erinnert sich an die zahlreichen kyprischen Tonfigürchen mit Rund-
schild und erhobenem Arm, manche zu Fuß, idolartig, langgewandet, andere beritten
(Collection Cesnola IX 68 [vgl. VIII 60], XXXI—XXXII). Soweit sie eine Kopf-
’) Uber den Ort und die verwirrte literarische Über- 2) z. B. in der Reimersschen Sammlung, früherbei
lieferung s. Philologus LXV 1906, 498. Röm. Μ. Advokat Adami in Bari.
XIX 1904, 217.


Abb. 1. Reiterfigur aus Rugge.
 
Annotationen