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G. Lippold, Jünglingsstatue von Antikythera.

natürlich bei einem Künstler des 4. Jahrhunderts oder auch nur der früheren
hellenistischen Zeit undenkbar. Damit wird die Statue von Atalanti in die spät-
hellenistisch-römische Zeit verwiesen. Man möchte sie noch später datieren als den
Jüngling von Eretria, da der Anschluß an das Vorbild viel enger ist als bei jenem
Werke, während andererseits die doch noch freiere Benutzung der älteren Typen
verbietet, allzu weit mit der Datierung hinabzugehen. Dem Körper des Hermes von
Atalanti liegt, wie man richtig gesehen hat, der Typus des Mercure Richelieu zu-
grunde; die Chlamys ist verändert und auch die Körperformen scheinen nicht genau
übereinzustimmen. Doch wird man soviel Variationsgabe dem Verfertiger der Statue
zutrauen dürfen, daß man nicht anzunehmen braucht, er habe ein von Mercure Riche-
lieu verschiedenes Vorbild benutzt.
Auch nachdem der Hermes von Atalanti nicht mehr zur zeitlichen Fixierung
des Mercure Richelieu dienen darf, ist über dessen Datierung kein Schwanken möglich.
Der Kopf beweist, daß ein Einfluß lysippischer Kunst noch nicht vorhanden ist.
Auch die Bildung und Stellung des Körpers weicht von dem, was man mit einiger
Sicherheit lysippisch nennen kann, ab. Der soviel mehr bewegte Apoxyomenos
scheidet natürlich von vornherein aus. Aber auch der einfachere Berliner Athlet J
hat nicht allein infolge der Wendung des Kopfes zur Spielbeinseite mehr Bewegung;
auch die Körperhaltung ist nicht einfach als Umkehrung der des Mercure Richelieu
zu fassen: das Gewicht ist viel mehr als bei diesem in »lysippischer« Weise auf beide
Beine verteilt. Schon die Vorstufe des Berliner Athleten, der Herakles Lansdowne * 2 3 4 5),
zeigt dieses Bestreben. Der Mercure Richelieu gehört in eine andere Entwicklungs-
reihe, deren Anfänge in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts zurückreichen
(Figur des Stephanos, Hermes Lansdowne u. verw.) 3). Gegenüber diesen älteren
Werken zeigt der Mercure Richelieu bedeutsame Änderungen, der neuen Auffassung
des 4. Jahrhunderts entsprechend: das rechte Bein ist mehr zur Seite gestellt, der
linke Arm liegt nicht mehr dicht am Körper an; dadurch erhält die ganze Figur einen
bewegteren Rhythmus. Die Neigung des Kopfes wird fast ganz aufgegeben, seine
Wendung zur Seite gemildert. So ist trotz der Beibehaltung des Grundschemas die
ihm ursprünglich anhaftende Konzentrierung auf die linke Körperseite aufgehoben.
Am ähnlichsten im Motiv scheint unter den Werken des 4. Jahrhunderts eine Statue
in Ince Blundell Hall, die Furtwängler 4) auf den Theseus des Silanion zurückgeführt
hat. Nur ist hier das rechte Bein noch mehr gedreht, die Stellung infolgedessen noch
bewegter. Wichtig ist die Statue von Ince, weil ihre Beinstellung überleitet zu
einem berühmten Werke der ersten Diadochenzeit, dem Herakles Lenbach 5), wo die

J) Nr. 471, R. M. XX 1905, 147 (Fig. 5 u. 6) Replik
des Kopfes erwähnt von Arndt, La Glyptotheque
Ny-Carlsberg 181, 10; eine gute Replik auch im
Thermenmuseum (Phot. d. Inst. 212').^-'
2) Springer-Michaelis 9 336 Fig. 600. Obwohl es
aus dem Zusammenhänge der obigen Ausführun-
gen hervorgeht, ist es vielleicht nötig, zu be-
merken, daß man auch nach meiner Ansicht aus
S. 147 f., Katalog der Müi

der Statue des Agias über Lysipps Stil nichts
lernen kann.
3) Furtwängler, Meisterwerke 502 ff.
4) Über Statuenkopien im Altertum I 559 Taf. II, III
Springer-Michaelis 9 304 Fig. 541. Furtwängler
hebt mit Recht die Verschiedenheit der Stellung
beim Berliner lysippischen Athleten hervor.
5) Arndt, La Glyptotheque Ny-Carlsberg pl. 101
ener Glyptothek Nr. 245.
 
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