304
E. Reisinger, Geometrische Fibeln in München.
weiterhin als Trägerin der Dekoration dient. Zugleich bietet aber auch die neuge-
schaffene Bügelplatte ein dankbares Feld für Verzierungen. Schon im ersten Sta-
dium der Erfindung des neuen Fibeltypus finden wir die Mitte des Plattenbügels
durch eine für unsere Fibeln so charakteristische Rosette verziert. Die Entwick-
lung geht nun dahin, den festgehämmerten, leicht bearbeitbaren Bügel zum einzigen
Träger der figürlichen Dekoration zu machen. Bei unsern Fibeln Taf. 17 und 18 ist der
Prozeß bereits zum Abschluß gelangt, der neue Typus voll ausgebildet; die Bügel-
platte ist das Hauptstück der ganzen Fibel; die Verbindungsglieder vom Bügel zum
Fuß und Kopf sind kurz geworden, das unpraktische, durch das Einhängen der Nadel
leicht zerstörbare übergroße Fußblech, einst der Träger der figürlichen Verzierung,
ist klein geworden und wieder zur Rolle des Nadelhalters herabgedrückt. Völlig
verdrängt wurde der alte Typus der geometrischen Fibel durch den neuen nicht,
da wir auf griechischem Boden mannigfach Weiterbildungen der Fibel mit nachen-
förmigem Bügel und hohem Fußblech in späterer Zeit beobachten können. Ein
hervorragend großes, reich graviertes Exemplar einer geometrischen Fibel mit hohem
Fußblech (A. J. A. 1911 S. 1 ff., Abb. 2 und 4) datiert Bates ins frühe 8. Jahrhundert.
Diese Datierung scheint eher zu hoch als zu niedrig; andere Exemplare des gleichen
Typus, wie das zu München (Abb. 3) und das zu Berlin (Arch. Jahrbuch 3, 1888
S. 362, d) scheinen ihrem stilistischen Charakter nach, der besonders in der Bildung
des tierfressenden Löwen lebhaft an die Art der Phaleronvasen erinnert, erst dem
7. Jahrhundert v. Chr. anzugehören. Auch die Bewaffnung der Krieger (Memoires
de la Societe des Antiqu. de France 55, 1894, S. 172 Fig. 9) mit Rundschild und
vor allem mit Helmen mit hoher Lophosröhre, die nach Reichel (Homerische Waffen 2
S. 110) erst auf der Aristonothosvase nachweisbar sind, führt ins 7. Jahrhundert. Es
erscheint so am wahrscheinlichsten, daß der Typus der geometrischen Fibel mit
hohem Fußblech bis ins 7. Jahrhundert reicht und jener daraus abgeleitete mit halb-
mondförmigem Bügel ganz dem 7. Jahrhundert v. Chr. angehört. Wenn anderer-
seits Händlerangaben nahelegen, daß Vertreter beider Typen mit Vasen zusammen
gefunden sind, die wir heute nicht mehr mit Böhlau (Arch. Jahrbuch III 1888 S. 361)
dem 7. Jahrhundert zuschreiben dürfen, sondern nach den Ergebnissen der Gra-
bungen in Mykalessos-Rhitsona mit Burrows und Ure tief ins 6. Jahrhundert herab-
rücken müssen, so ist zu betonen, daß diese Angaben unkontrollierbar sind und
daß bei der Zählebigkeit der Fibeln ihr Vorkommen selbst in wesentlich jüngeren
Gräbern möglich wäre. Das 6. Jahrhundert scheidet als Verfertigungszeit der beiden
oben behandelten Typen schon wegen des stilistischen Charakters der Gravierun-
gen aus.
Zum Schlüsse möchte ich noch den Unterschied des Stilcharakters der beiden
behandelten Fibelgruppen betonen, der so groß ist, daß er sich nicht bloß durch
einen geringen zeitlichen Abstand ihrer Verfertigung erklären läßt. Es wurde schon
erwähnt, daß die Technik der ersten Gruppe, der Fibeln mit hohem Fußblech, sehr
viel gröber ist als jene der zweiten Gruppe, der Fibeln mit halbmondförmigem Bügel.
Dort eine starke Bevorzugung des plumpen Tremolierstiches, hier auch fast alle
Innenzeichnung mit feinen gravierten Linien und Grabstichelpunkten ausgeführt.
E. Reisinger, Geometrische Fibeln in München.
weiterhin als Trägerin der Dekoration dient. Zugleich bietet aber auch die neuge-
schaffene Bügelplatte ein dankbares Feld für Verzierungen. Schon im ersten Sta-
dium der Erfindung des neuen Fibeltypus finden wir die Mitte des Plattenbügels
durch eine für unsere Fibeln so charakteristische Rosette verziert. Die Entwick-
lung geht nun dahin, den festgehämmerten, leicht bearbeitbaren Bügel zum einzigen
Träger der figürlichen Dekoration zu machen. Bei unsern Fibeln Taf. 17 und 18 ist der
Prozeß bereits zum Abschluß gelangt, der neue Typus voll ausgebildet; die Bügel-
platte ist das Hauptstück der ganzen Fibel; die Verbindungsglieder vom Bügel zum
Fuß und Kopf sind kurz geworden, das unpraktische, durch das Einhängen der Nadel
leicht zerstörbare übergroße Fußblech, einst der Träger der figürlichen Verzierung,
ist klein geworden und wieder zur Rolle des Nadelhalters herabgedrückt. Völlig
verdrängt wurde der alte Typus der geometrischen Fibel durch den neuen nicht,
da wir auf griechischem Boden mannigfach Weiterbildungen der Fibel mit nachen-
förmigem Bügel und hohem Fußblech in späterer Zeit beobachten können. Ein
hervorragend großes, reich graviertes Exemplar einer geometrischen Fibel mit hohem
Fußblech (A. J. A. 1911 S. 1 ff., Abb. 2 und 4) datiert Bates ins frühe 8. Jahrhundert.
Diese Datierung scheint eher zu hoch als zu niedrig; andere Exemplare des gleichen
Typus, wie das zu München (Abb. 3) und das zu Berlin (Arch. Jahrbuch 3, 1888
S. 362, d) scheinen ihrem stilistischen Charakter nach, der besonders in der Bildung
des tierfressenden Löwen lebhaft an die Art der Phaleronvasen erinnert, erst dem
7. Jahrhundert v. Chr. anzugehören. Auch die Bewaffnung der Krieger (Memoires
de la Societe des Antiqu. de France 55, 1894, S. 172 Fig. 9) mit Rundschild und
vor allem mit Helmen mit hoher Lophosröhre, die nach Reichel (Homerische Waffen 2
S. 110) erst auf der Aristonothosvase nachweisbar sind, führt ins 7. Jahrhundert. Es
erscheint so am wahrscheinlichsten, daß der Typus der geometrischen Fibel mit
hohem Fußblech bis ins 7. Jahrhundert reicht und jener daraus abgeleitete mit halb-
mondförmigem Bügel ganz dem 7. Jahrhundert v. Chr. angehört. Wenn anderer-
seits Händlerangaben nahelegen, daß Vertreter beider Typen mit Vasen zusammen
gefunden sind, die wir heute nicht mehr mit Böhlau (Arch. Jahrbuch III 1888 S. 361)
dem 7. Jahrhundert zuschreiben dürfen, sondern nach den Ergebnissen der Gra-
bungen in Mykalessos-Rhitsona mit Burrows und Ure tief ins 6. Jahrhundert herab-
rücken müssen, so ist zu betonen, daß diese Angaben unkontrollierbar sind und
daß bei der Zählebigkeit der Fibeln ihr Vorkommen selbst in wesentlich jüngeren
Gräbern möglich wäre. Das 6. Jahrhundert scheidet als Verfertigungszeit der beiden
oben behandelten Typen schon wegen des stilistischen Charakters der Gravierun-
gen aus.
Zum Schlüsse möchte ich noch den Unterschied des Stilcharakters der beiden
behandelten Fibelgruppen betonen, der so groß ist, daß er sich nicht bloß durch
einen geringen zeitlichen Abstand ihrer Verfertigung erklären läßt. Es wurde schon
erwähnt, daß die Technik der ersten Gruppe, der Fibeln mit hohem Fußblech, sehr
viel gröber ist als jene der zweiten Gruppe, der Fibeln mit halbmondförmigem Bügel.
Dort eine starke Bevorzugung des plumpen Tremolierstiches, hier auch fast alle
Innenzeichnung mit feinen gravierten Linien und Grabstichelpunkten ausgeführt.