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C. Robert, Das orakelnde Haupt des Orpheus.

DAS ORAKELNDE HAUPT DES ORPHEUS.
Für die Existenz eines Orpheus-Orakels aufLesbos pflegt man sich auf dieDarstel-
lung einer attischen Schale blühenden Stils zu berufen, die nach dem Bullettino archeo-
logico Napolitano VI1857 tav- ΓΜ, wo sie Minervini zuerst veröffentlicht und besprochen
hat, in starker Verkleinerung hier (Abb. 1) abgebildet wird. Literarisch bezeugt ist
dies Orakel nur durch Philostrat; die älteren Zeugen berichten nur, daß das abge-
schlagene Haupt des Orpheus auf seiner Leier singend durch das Ägäische Meer nach
Lesbos geschwommen istT). Allein Philostrat behauptet zu wissen, daß dies Haupt
aus der Tiefe der Erde Orakel gegeben, und nicht nur von allen Aeolern und
Ioniern, sondern auch von den Babyloniern und später von Kyros befragt worden
sei (Heroik. V 3), aber er weiß es auch, daß im ersten nachchristlichen Jahrhun-
dert, zur Zeit des Apollonios von Tyana, dieses Orakel nicht mehr existierte;


Abb. 1. Innenbild einer attischen Schale.

denn Apollon, eifersüchtig, auf diesen Nebenbuhler, durch den seine eigenen Orakel
in Gryneion, Klares und Delphi in Schatten gestellt wurden, habe dem Haupte
Schweigen geboten mit dem Bemerken, daß es schon im Leben genug geschwatzt
habe 2). Daß es aber am Ende des fünften Jahrhunderts noch in Blüte gestanden
habe, schließt man eben aus dem Vasenbild. In Wahrheit aber beweist dieses gerade
das Gegenteil. In mäßiger Erhebung über dem Erdboden schwebt das Haupt des
Orpheus, Orakel kündend, die ein vor ihm sitzender junger Mann in die Schreibtafel
einträgt. Hinter dem Flaupte steht Apollon. Man nimmt nun an, daß dieser dem
Orpheus seinen Segen gebe oder ihn gerade inspiriere, wie er Selbst von ZeuS inspi-
riert wird (Aisch. Eum 19. 6l6ss). Aber dem widerspricht die gebieterisch über das
Haupt des Orpheus und gegen den Jüngling ausgestreckte rechte Hand: er protestiert,
πέπαυσο sagt er, wie es bei Philostrat heißt, τών έμών und wehrt dem Jüngling, die Lügen-
orakel aufzuzeichnen. Es ist also gerade die Aufhebung des Orpheusorakels dargestellt,

c) Phanokles Fr. 1 (Stob. Flor. LXIV 14), Vergil
Georg. IV 525, Ovid Met. XI, 56 ff., Lukian
adv. indoct. n.
9 Vit. Apollon. IV 14 φασί δέ ένταϋθά ποτέ (auf Les-
bos) Tqv Όρφέα μαντικήι χαίρειν, έστε τον Άπόλλω
έφη, 'τών έμών, και γάρ

έπιμεμελήσθαι αυτόν, έπειδή γάρ μήτε ές Γρύνειον
έιοοιτων έτι υπέρ χρησμών άνθρωποι μήτε ές Κλά·
ρον μήτ’ ένθα ό τρίπους 0 Άπολλώνειος, Όρφεύ:
δέ έ'χρα μόνος, άρτι έκ Θράικης ή κεφαλή ήκουσα
έιοίσταταί οι χρησμωιδοΰντι ό θεός και ,πέπαυσο
άιδοντά σε ίκανώς ήνεγκα.
 
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