DAS HEKATOMPEDON IN ATHEN.
Mit Tafel i—3.
»Der Streit über den Alten Athena-Tempel kann nicht als abgeschlossen
gelten,« so leitet Fr. Weilbach eine im XXXII. Bande dieser Zeitschrift (1917)
S. 105 ff. veröffentlichte Abhandlung ein, in der er eine neue Ansicht über die Be-
deutung und Geschichte des im Jahre 1885 auf der athenischen Akropolis ent-
deckten alten Tempels, des Hekatompedons, aufstellt. Weder ich soll recht haben,
wenn ich in diesem Bau den ältesten Tempel der Athena Polias auf der Burg
erkenne und ihn bis zum Ende des Altertums bestehen lasse, noch meine Gegner,
wenn sie ihn am Ende des 5. Jahrhunderts verschwinden lassen und den »Alten
Tempel« der Inschriften des 4. Jahrhunderts und den »Polias-Tempel« des Pau-
sanias im Erechtheion erkennen wollen. Er selbst glaubt die richtige Lösung
dieses Problems endlich gefunden zu haben: Der südlich vom Erechtheion auf-
gedeckte alte Bau sei zwar das Hekatompedon der vorpersischen Zeit, habe aber
die Zerstörung der Burg durch die Perser nicht überdauert und könne daher weder
der Alte Athena-Tempel des 5. und 4. Jahrhunderts, noch der Polias-Tempel des
Pausanias sein. Diese Tempel dürfe man aber auch nicht, wie meine Gegner
vorschlügen, im Erechtheion oder in einem älteren, unter ihm anzunehmenden
Bau erkennen, sondern müsse sie in einem noch unbekannten Bau westlich vom
Erechtheion und nördlich vom Hekatompedon suchen. Weilbachs neue Lösung
besteht also darin, daß er den tatsächlich vorhandenen Alten Tempel, das Heka-
tompedon, am Anfänge des 5. Jahrhunderts verschwinden läßt und dafür an einer
Stelle der Burg, wo sich weder Spuren eines Tempels erhalten haben, noch über-
haupt der freie Raum für einen so großen Bau vorhanden ist, einen Alten Tempel
erfindet!
Bevor ich auf diesen kühnen Vorschlag und seine Begründung näher ein-
gehe, muß ich zunächst im allgemeinen dagegen Verwahrung einlegen, daß Weil-
bach mehrmals Ansichten, die ich vor 30 Jahren über den damals von mir ent-
deckten Tempel und seine Geschichte ausgesprochen habe, noch jetzt anführt
und bekämpft, obwohl sie von mir selbst längst aufgegeben sind. Er sollte nicht
vergessen, daß vor dem Jahre 1885 alle Nachrichten des Altertums über Tempel
der Athena und des Erechtheus auf der Burg auf did beiden damals allein be-
kannten Tempel, den Parthenon und das Erechtheion, verteilt werden mußten,
und daß auf dieser falschen Grundlage die Geschichte und die Bedeutung dieser
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXIV. I
Mit Tafel i—3.
»Der Streit über den Alten Athena-Tempel kann nicht als abgeschlossen
gelten,« so leitet Fr. Weilbach eine im XXXII. Bande dieser Zeitschrift (1917)
S. 105 ff. veröffentlichte Abhandlung ein, in der er eine neue Ansicht über die Be-
deutung und Geschichte des im Jahre 1885 auf der athenischen Akropolis ent-
deckten alten Tempels, des Hekatompedons, aufstellt. Weder ich soll recht haben,
wenn ich in diesem Bau den ältesten Tempel der Athena Polias auf der Burg
erkenne und ihn bis zum Ende des Altertums bestehen lasse, noch meine Gegner,
wenn sie ihn am Ende des 5. Jahrhunderts verschwinden lassen und den »Alten
Tempel« der Inschriften des 4. Jahrhunderts und den »Polias-Tempel« des Pau-
sanias im Erechtheion erkennen wollen. Er selbst glaubt die richtige Lösung
dieses Problems endlich gefunden zu haben: Der südlich vom Erechtheion auf-
gedeckte alte Bau sei zwar das Hekatompedon der vorpersischen Zeit, habe aber
die Zerstörung der Burg durch die Perser nicht überdauert und könne daher weder
der Alte Athena-Tempel des 5. und 4. Jahrhunderts, noch der Polias-Tempel des
Pausanias sein. Diese Tempel dürfe man aber auch nicht, wie meine Gegner
vorschlügen, im Erechtheion oder in einem älteren, unter ihm anzunehmenden
Bau erkennen, sondern müsse sie in einem noch unbekannten Bau westlich vom
Erechtheion und nördlich vom Hekatompedon suchen. Weilbachs neue Lösung
besteht also darin, daß er den tatsächlich vorhandenen Alten Tempel, das Heka-
tompedon, am Anfänge des 5. Jahrhunderts verschwinden läßt und dafür an einer
Stelle der Burg, wo sich weder Spuren eines Tempels erhalten haben, noch über-
haupt der freie Raum für einen so großen Bau vorhanden ist, einen Alten Tempel
erfindet!
Bevor ich auf diesen kühnen Vorschlag und seine Begründung näher ein-
gehe, muß ich zunächst im allgemeinen dagegen Verwahrung einlegen, daß Weil-
bach mehrmals Ansichten, die ich vor 30 Jahren über den damals von mir ent-
deckten Tempel und seine Geschichte ausgesprochen habe, noch jetzt anführt
und bekämpft, obwohl sie von mir selbst längst aufgegeben sind. Er sollte nicht
vergessen, daß vor dem Jahre 1885 alle Nachrichten des Altertums über Tempel
der Athena und des Erechtheus auf der Burg auf did beiden damals allein be-
kannten Tempel, den Parthenon und das Erechtheion, verteilt werden mußten,
und daß auf dieser falschen Grundlage die Geschichte und die Bedeutung dieser
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXIV. I