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Jolly, Julius
Recht und Sitte: einschliesslich der einheimischen Litteratur — Strassburg, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.23228#0097
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2. Familien- und Erbrecht.

S9

bei ihrem Vater lebt. Überhaupt soll man den Frauen möglichst viel strldhana
schenken, jedoch nicht über 2000 pana und keine Immobilien. Nicht unter
den Begriff des strldhana fällt das von einer Frau durch ihre Kunstfertigkeit
Erworbene oder ihr von Fremden Geschenkte; sie kann hierüber nur mit
Zustimmung ihres Gatten verfügen. Solche Vorschriften waren nötig in einer
Zeit als das stridhana einen grösseren Umfang angenommen hatte; da die
Frau den Haushalt führte und die täglichen Einnahmen und Ausgaben durch
ihre Hände gingen (M. 9, 11), so fehlte es ihr nicht an Gelegenheit zu Über-
griffen, die das ganze Familienvermögen untergraben konnten (När. 12, 92).
Als ebenso bedenklich musste es erscheinen, nach ihrem Tod die etwa in
ihrem Besitz befindlichen Liegenschaften auf ihre Töchter über- und dadurch
aus dem gotra hinausgehen zu lassen.

Die vielfach divergirenden Angaben der Smrtis über das strldhana und
seine Vererbung haben dem Scharfsinn und der Spitzfindigkeit der indischen
Commentatoren, und die oft noch stärker differirenden Lehren der letzteren
der Auslegungskunst der englischen Richter ein reiches Feld zur Bethätigung
geboten. So hat sich z. B. eine fast endlose Diskussion an die freilich höchst
sophistische Deduktion der Mit. geknüpft, dass unter strldhana der etymo-
logischen Grundbedeutung dieses Worts gemäss jeder beliebige Besitz einer
Frau zu verstehen und daher jeder solche Besitz nach dem besonderen Erb-
gang zu vererben sei, den die Smrtis für das strldhana d. h. das peculium
der Frau aufstellen.

2. Mehrere abgeteilte Verwandte (vibhakta däyädd) können unter sich
wieder eine neue Erbvereinigung eingehen. Sie heissen dann sa/nsrstin, sam-
srsta und beerben sich in Ermanglung männlicher Descendenz gegenseitig,
mit Ausschluss der übrigen Verwandten (Gaut. 28, 28; AI. 9, 212; Vi. 17, 17;
Y. 2, 138; Brh. 25, 76). Doch tritt auch die Ansicht hervor, dass eine solche
Wiedervereinigung sich nur auf fahrende Habe beziehen könne, weil auf die
Liegenschaften alle Sapindaverwandten gleiches Anrecht haben (Här. 4, 22;
Prajäpati). Die berüchtigten Dunkelheiten der viel commentirten3 Stelle
Y. 2, 139 beruhen wohl nur auf einer schlechten Lesart der Mit.; liest man
mit Apar. 7iänyodaryadhanam haret und sodaryo nänyamätrkah, so kommt der
einfache Sinn heraus, dass Stiefbrüder sich nie beerben können, selbst wenn
sie »wiedervereinigt« sind4. Zweifelhaft bleibt nach den Smrtis die Stellung
der anderen Erben, namentlich der Witwe, bei einem ohne männliche Des-
cendenz verstorbenen (sainsrstin), weshalb diese Frage von den späteren
Juristen lebhaft diskutirt wurde und einen der Streitpunkte zwischen Mit. und
Däyabh. bildet. Heutzutage scheint die »Wiedervereinigung« im Ganzen wenig
vorzukommen s.

3. Die geistliche Verwandtschaft, die bei der gewöhnlichen Erbfolge
nur bei dem gänzlichen Mangel verwandter Personen in Betracht kommt (§ 24),
kann bei Mitgliedern eines geistlichen Standes oder Ordens ein direktes Erb-
recht begründen. So soll nach Vi. 17, 15 f. die Habe eines Einsiedlers im
Walde {vänaprasthd) nach seinem Tod auf seinen Lehrer, eventuell auf seinen
Schüler übergehen. F. 2, 137 dehnt diese Erbfolge auch auf die Habe eines
Asketen (yati) und (lebenslänglichen naisthikd) Brahmanenschülers (brahma-
cäriri) aus und nennt als deren Erben den geistlichen Lehrer, einen tugend-
haften Schüler, ein Mitglied der gleichen frommen Bruderschaft und einen
der die gleiche heilige Stätte bewohnt (so nach Apar?). Freilich ist die
praktische Bedeutung dieser Regel nicht gross, da man beim Eintritt in den
Mönchsstand (pravrajyä) in der Regel alles weltliche Vermögen aufgab und
dasselbe unter die Verwandten verteilt wurde (§ 24). Noch heutzutage kommt
dieses geistliche Erbrecht nicht selten vor, am bekanntesten ist wohl der Fall
 
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