4. Vergehen, Bussen und Strafen.
neben den sehr häufigen und bis zur Confiscation des ganzen Vermögens
gehenden Geldstrafen, der Verbannung und den Strafen an der Ehre wie
z. B. Scherung der Haare (§ 42) auch die grausamen Verstümmelungen und
Todesstrafen der Smrtis erhalten. Die Kerkerhaft ist vorübergehender Natur,
indem von Zeit zu Zeit die Kerker ausgeleert und die Gefangenen zur Voll-
ziehung der verhängten Strafen an Leib und Leben den Scharfrichtern über-
geben werden8. Entehrende Strafen kommen in Indien selbst noch jetzt als
durch die Kaste verhängte präyascitta nicht selten vor. So muss bei den
Bedars in Bijapur eine aus der Kaste gestossene Ehefrau sich mit einem Rasir-
messer die Haare abrasiren lassen und mit der Zunge eine glühende Kohle
berühren, ehe sie wieder Aufnahme in ihrer Kaste finden kann7.
1 Mem. i, 83 f. — 2 Fryer bei Wheeler, Hist. 4, 487. — 3 BG 24, 267. —
4 1. c. — .5 Grant, C. P. Gazetteer 70 f.; Malcolm, A Memoir of Central India2
i, 558. — 6 Annals of Rajasthan i, 142 f. — 7 People of India 499 f. — 8 Hodg-
son AR 20, 1, 94—134. — 9 BG 23, 93 f. Vgl. Kohler ZVR 10, 174—177.
§ 44. Das Wergeid. So entschieden das weltliche Strafrecht der Smrtis
dem Princip der staatlichen Justiz huldigt, so haben sich doch Spuren eines j
älteren Zustandes erhalten, wo die Sühnung von Mord und Totschlag noch
Privatsache war und ein Wergeid1 gezahlt wurde. Roth hat an den vedi- ;
sehen Ausdrücken s'atadäya und vairadeya nachgewiesen, dass in der vedischen
Epoche für einen getöteten Mann ein Wergeid von 100 Kühen an seine Ver-
wandten als Entschädigung gezahlt wurde. Baudh. i, 19, 1 schreibt für die
Tötung eines Ksatriya, Vaisya oder Südra eine in 1000, 100 oder 10 Kühen
und einem Stier bestehende Busse an den König vor.. Für eine Frau ist im
Allgemeinen die gleiche Entschädigung wie für einen Südra zu leisten, ebenso
für ein Rind ausgenommen eine Milchkuh oder einen Zugstier, sowie für einen
Schwan, Pfau u. a. Tiere. Nach BOhler's wahrscheinlicher Vermutung behielt
der König diese Bussen nicht für sich, sondern zahlte sie an die Familie des
Erschlagenen aus. Das Wergeid von 100 Kühen erinnert an die 100 Kühe,
die als Kaufpreis für einen adoptandus und als Brautpreis zu entrichten sind.
Während die obigen Bussen bei Baudh. einen Teil des »Königsrechts«
bilden, stehen sie bei Äp. 1, 24, 1 ff. an der Spitze der präyascitta, und der
Stier wird präyascittärthah (v. 1. präyascittärthani) gegeben, sollte also jeden-
falls dem die Busse bestimmenden äcärya oder dharmädhikärin zufallen, wäh-
rend die Kühe wohl auch nach Äp. als Composition der Familie des Er-
schlagenen gehören. Zweifelhafter ist Gaut.'s Stellung- zu dieser Frage (22,
14—i8).;tj [Nach Y. 3, 266 f., M. 9,128—131 werden auch die Kühe als
präyascitta einem Brahmanen geschenkt, d. h. das Wergeld ist ganz und gar
zu einer geistlichen Busse geworden. Vas. und Vi. scheinen das Wergeld auch
in dieser Form nicht mehr zu kennen, sondern lassen andere präyascitta dafür
eintreten.
Noch in neuerer Zeit kam das Wergeld als mund-kati (mundakätl »Kopf-
abschneiden«), bestehend in Grundstücken oder Dörfern, in Rajputana vor.
Aus der neuesten Zeit berichtet Sir A. Lyall von einem Raubzug eines- halb-
wilden Grenzstamms in Rajputana, der damit endigte, dass derselbe sich
bereit erklärte, für einen im Kampf erschossenen Brahmanen »das übliche
Blutgeld« zu bezahlen. In einem andern Teil des Rajputana finden regel-
mässige Zusammenkünfte unter den Grenzstämmen statt, wobei die erschlage-
nen Männer, Knaben, Greise, alte und junge Frauen, Kühe u. s. w. nach
bestimmten Sätzen taxirt und hienach die herauszuzahlenden Entschädigungen |
bemessen werden2. Auch in Centraiindien war der Blutpreis bekannt3, doch
mussten die Verwandten ihre Zustimmung zu einer solchen Abfindung geben4.
In Kolhapur wurden in der Mahrattenzeit die Mörder bisweilen gezwungen,
9*
neben den sehr häufigen und bis zur Confiscation des ganzen Vermögens
gehenden Geldstrafen, der Verbannung und den Strafen an der Ehre wie
z. B. Scherung der Haare (§ 42) auch die grausamen Verstümmelungen und
Todesstrafen der Smrtis erhalten. Die Kerkerhaft ist vorübergehender Natur,
indem von Zeit zu Zeit die Kerker ausgeleert und die Gefangenen zur Voll-
ziehung der verhängten Strafen an Leib und Leben den Scharfrichtern über-
geben werden8. Entehrende Strafen kommen in Indien selbst noch jetzt als
durch die Kaste verhängte präyascitta nicht selten vor. So muss bei den
Bedars in Bijapur eine aus der Kaste gestossene Ehefrau sich mit einem Rasir-
messer die Haare abrasiren lassen und mit der Zunge eine glühende Kohle
berühren, ehe sie wieder Aufnahme in ihrer Kaste finden kann7.
1 Mem. i, 83 f. — 2 Fryer bei Wheeler, Hist. 4, 487. — 3 BG 24, 267. —
4 1. c. — .5 Grant, C. P. Gazetteer 70 f.; Malcolm, A Memoir of Central India2
i, 558. — 6 Annals of Rajasthan i, 142 f. — 7 People of India 499 f. — 8 Hodg-
son AR 20, 1, 94—134. — 9 BG 23, 93 f. Vgl. Kohler ZVR 10, 174—177.
§ 44. Das Wergeid. So entschieden das weltliche Strafrecht der Smrtis
dem Princip der staatlichen Justiz huldigt, so haben sich doch Spuren eines j
älteren Zustandes erhalten, wo die Sühnung von Mord und Totschlag noch
Privatsache war und ein Wergeid1 gezahlt wurde. Roth hat an den vedi- ;
sehen Ausdrücken s'atadäya und vairadeya nachgewiesen, dass in der vedischen
Epoche für einen getöteten Mann ein Wergeid von 100 Kühen an seine Ver-
wandten als Entschädigung gezahlt wurde. Baudh. i, 19, 1 schreibt für die
Tötung eines Ksatriya, Vaisya oder Südra eine in 1000, 100 oder 10 Kühen
und einem Stier bestehende Busse an den König vor.. Für eine Frau ist im
Allgemeinen die gleiche Entschädigung wie für einen Südra zu leisten, ebenso
für ein Rind ausgenommen eine Milchkuh oder einen Zugstier, sowie für einen
Schwan, Pfau u. a. Tiere. Nach BOhler's wahrscheinlicher Vermutung behielt
der König diese Bussen nicht für sich, sondern zahlte sie an die Familie des
Erschlagenen aus. Das Wergeid von 100 Kühen erinnert an die 100 Kühe,
die als Kaufpreis für einen adoptandus und als Brautpreis zu entrichten sind.
Während die obigen Bussen bei Baudh. einen Teil des »Königsrechts«
bilden, stehen sie bei Äp. 1, 24, 1 ff. an der Spitze der präyascitta, und der
Stier wird präyascittärthah (v. 1. präyascittärthani) gegeben, sollte also jeden-
falls dem die Busse bestimmenden äcärya oder dharmädhikärin zufallen, wäh-
rend die Kühe wohl auch nach Äp. als Composition der Familie des Er-
schlagenen gehören. Zweifelhafter ist Gaut.'s Stellung- zu dieser Frage (22,
14—i8).;tj [Nach Y. 3, 266 f., M. 9,128—131 werden auch die Kühe als
präyascitta einem Brahmanen geschenkt, d. h. das Wergeld ist ganz und gar
zu einer geistlichen Busse geworden. Vas. und Vi. scheinen das Wergeld auch
in dieser Form nicht mehr zu kennen, sondern lassen andere präyascitta dafür
eintreten.
Noch in neuerer Zeit kam das Wergeld als mund-kati (mundakätl »Kopf-
abschneiden«), bestehend in Grundstücken oder Dörfern, in Rajputana vor.
Aus der neuesten Zeit berichtet Sir A. Lyall von einem Raubzug eines- halb-
wilden Grenzstamms in Rajputana, der damit endigte, dass derselbe sich
bereit erklärte, für einen im Kampf erschossenen Brahmanen »das übliche
Blutgeld« zu bezahlen. In einem andern Teil des Rajputana finden regel-
mässige Zusammenkünfte unter den Grenzstämmen statt, wobei die erschlage-
nen Männer, Knaben, Greise, alte und junge Frauen, Kühe u. s. w. nach
bestimmten Sätzen taxirt und hienach die herauszuzahlenden Entschädigungen |
bemessen werden2. Auch in Centraiindien war der Blutpreis bekannt3, doch
mussten die Verwandten ihre Zustimmung zu einer solchen Abfindung geben4.
In Kolhapur wurden in der Mahrattenzeit die Mörder bisweilen gezwungen,
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