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Jolly, Julius
Recht und Sitte: einschliesslich der einheimischen Litteratur — Strassburg, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.23228#0157
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6. Sitten und Gebräuche.

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niedersetzen, seinen Namen nicht ohne ein ehrendes Prädicat aussprechen,
nicht mit ihm streiten oder ihn verspotten, muss ihm aufs Wort folgen u. s. w-
Selbst der Frau und dem Sohn seines Lehrers muss er Ehrerbietung erweisen,
doch soll er gegen eine junge Frau des Lehrers ein reservirtes Benehmen
beobachten (Vi. 28, 14—16, 23—27, 31—33; 32, 10—15; Äp- *> 3; 9—23;
7, 25—30 u. a.). Keuschheit gehört zu den besonderen Pflichten des brahma-
cärin, auch darf er nicht tanzen, singen, spielen, sich salben, Fleisch, Honig
oder Gewürze geniessen, er darf kein lebendes Wesen verletzen, nicht lügen,
lästern oder streiten u. dgl. (Vi. 28, 11; M. 2, 177—179 u. a.). Täglich muss
er auf Almosen ausgehen und Brennholz für das heilige Feuer sammeln, dessen
Bedienung ihm obliegt, muss aber die erbettelten Speisen seinem Lehrer ab-
liefern und darf davon nur behalten was der Lehrer ihm überlässt (Vi. 28, 9 f.;
M. 2, 182—187 u. a.). Ferner muss er regelmässig die Morgen- und Abend-
andacht verrichten, den Göttern opfern, auf dem Boden schlafen und vor
Sonnenaufgang aufstehen (Vi. 28, 2—5, 12, 53; M. 2, 176 u. a.). Beim Unter-
richt muss er aufmerksam zuhören; ist er unaufmerksam oder ungehorsam, so
darf der Lehrer ihn züchtigen, jedoch nicht zu hart. Am Schluss seiner Lehr-
zeit soll er seinem Lehrer ein seinen Mitteln entsprechendes Geschenk machen
und in sein Elternhaus zurückkehren (När. 5, 11—15; M. 2, 245 u. a.).

Mit der Beendigung der Schulzeit waren gewisse Feierlichkeiten, besonders
ein Reinigungsbad (snänd) verbunden, wonach der absolvirte Schüler snätaka
»der Gebadete« hiess. Ein solcher Absolvent hat Anspruch auf besondere
Auszeichnung, namentlich wenn er als Gast irgendwohin kommt, muss aber
auch viele specielle Observanzen beobachten (Gaut. 9, 1 ff.; Ap. 1, 30 u. a.).
Bald nach seiner Heimkehr in das Vaterhaus aber schreitet der junge Brahmane
dazu sich zu verheiraten (% 16) und tritt dadurch in den Stand des Familien-
vaters (grhastha) ein. Auch das Leben des grhast ha ist mit einem dichten
Netz religiöser Pflichten überzogen. (Vi. 60—70 u. a., vgl. §§ 56—59). Schon
vor Tagesanbruch soll er aufstehen und ins Freie gehen, um für seinen Stuhl-
gang zu sorgen; über die Wahl eines hiefür geeigneten Platzes und die Rei-
nigungen des Körpers mit der linken Hand und mit Wasser und Erde werden
die genauesten Vorschriften gegeben. Hierauf folgt die Reinigung der Zähne
mit Holzstücken von der Dicke des kleinen Fingers, die von gewissen, speciell
aufgezählten Bäumen frisch abgeschnitten werden. Auch wird Wasser geschlürft
und damit der Mund und die Kehle ausgespült, was mit gewissen Teilen der
Hand und der Finger und Wendung des Gesichts nach Osten oder Norden
in sitzender Stellung zu geschehen hat. In der Morgendämmerung soll man
baden, am besten im Ganges oder wenigstens in einem anderen fliessenden
Wasser; auch die Kleider müssen gewaschen und während des Bads und nach-
her Gebete gesprochen, die Atemanhaltungen (p-äuäyäma) gemacht, und
Libationen und Opfer dargebracht werden. Diese samdhyä des Morgens soll
von einer eben solchen am Abend gefolgt werden. Eigentliche Mahlzeiten
giebt es nur zwei, Vormittags und Abends; die Frau isst nach dem Mann,
was er übrig lässt, aber der Mann soll von den Speisen nicht geniessen, ehe
er die Götter, namentlich die Hausgötter und Manen, gespeist und verehrt
und seine Gäste bewirtet hat. Auch über das Schlafen und die eheliche Bei-
wohnung werden mancherlei Abschriften gegeben. Zu den täglichen Pflichten
kommen die Tieropfer, Ernteopfer, Somaopfer, Totenopfer u. a. religiöse Hand-
lungen, die nur periodisch oder bei besonderen Anlässen stattfinden sollen,
und eine Menge allgemeiner Sitten- und Verhaltungsregeln, besonders über
schlimme Vorbedeutungen, Reisen, das Ausweichen bei Begegnungen, die
Kleidung und den Schmuck (goldene Ohrringe), den Aufenthaltsort, das Hin-
sehen und Treten auf etwas, die Reinhaltung des Feuers und Wassers, den
 
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