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Justi, Carl
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen: mit Skizzen zur Kunst- und Gelehrtengeschichte des 18. Jahrhunderts (Band 2,1): Winckelmann in Italien — 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.52963#0011
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Erstes Capitel.
Das erste römische Jahr.
§ i.
Neues Leben.
Gar manche Italiener, einige deren Namen noch immer durch die Welt
klingt, und zahllose ohne Namen wanderten im vorigen Jahrhundert über
die Berge, um mit dem schönen und leichten Talent, das noch als Privileg
ihrer Nation galt, im Norden um das Glück zu werben; und den meisten
war es hold. Sie sanden hier oben Herrendienst und Herrengunst, reiche
Felder und reichen Lohn sür ihre Künste, Hofchargen und Adelstitel, Pro-
fesforenstühle und Gefandtfchaftsposten, Rittergüter und Starosteien, ja einen
Platz an der Tafel des größten Mannes des Jahrhunderts. Sie heiratheten
frische, lebensvolle, wohlerzogene und sehr gebildete Mädchen, deren Gleichen
im Lande der Schönheit begegnet zu sein sie sich nicht erinnerten, und von
denen sie mit einer Menge von Kindern beschenkt wurden. ... In der Ge-
schichte, deren Faden ich nach sechsjähriger Unterbrechung jetzt wieder aufnehme,
sehen wir einen Mann des Nordens den umgekehrten Weg einschlagen. Auch
er sucht das Glück, aber er wendet Deutschland den Rücken und strebt dem
armen Italien zu, dem ärmsten Rom. Waren jene Preise des Lebens
nicht nach seinem Geschmack? Nun, des Poeten Portion ist ihm in beider
Beziehung zu Theil geworden, auch ihm ist geschehen nach seinem Glauben.
Als er aber die alte Völkerscheide überschritt, schien doch ein milderes
freundlicheres Gestirn über feinem Lebenswege aufzugehen. Er hat es
selbst später gesagt, wie glücklich er sei, wie er nichts zu wünschen übrig
habe; und doch konnte er noch nicht, wie der fernstehende Beobachter, über-
sehen, in wie außerordentlicher Weise die Gunst der Umstände sich unter
Italiens Himmel zur Förderung seiner Unternehmungen, zur Erreichung der
höheren Zwecke seiner Existenz verabredet hatte. Dieser kürzere, zweite Theil
seiner Laufbahn ist eine Kette glücklich zusammentreffender Fügungen, deren
Gesammtergebniß der berühmte Name ist, den bis jetzt noch kein ähnlicher
t*
 
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