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Justi, Carl
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen: mit Skizzen zur Kunst- und Gelehrtengeschichte des 18. Jahrhunderts (Band 2,1): Winckelmann in Italien — 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.52963#0163
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Drittes Capitel.
Erste Reise nach Neapel.

§ 33.
Anstalten und Absichten.
In den Tagen, als der schaffende Prometheusfunke in der Kunst jenseits
der Alpen zu verlöschen schien, als alle Manieren, Stoffe, Effecte verbraucht
waren, als mit dem Aussterben der alten Geschlechter der Gonzaga, Medici,
Farnese, Este auch das mehr als ein halbes Jahrtausend geführte Scepter
in Malerei, Plastik und Baukunst Italiens matter Hand zu entfallen schien:
zeigte der historische Boden dieser Halbinsel wieder seinen wundersamen Reich-
thum und überraschte die Welt mit einem Schatz von Bildwerken, nach bis
dahin tropfenweisen Spenden einem Strom, der zur Erfrischung und Be-
fruchtung auch der modernen Kunst bestimmt schien. Aehnliche Entdeckungen
in römischen „Grotten" hatten ja vor Jahrhunderten einen ganz neuen Zweig
am damals blühender: Baume der Kunst hervorgetrieben. Jenes Saeculum
war reif wie keines für dankbare Benutzung solcher Geschenke, gleichgültiger
gegen ihre Erhaltung. Die anmuthigen Phantasien des größten Malers und
feiner Schüler werden noch heute in den vaticanischen Loggien bewundert;
ihre Vorbilder find längst in Staub zerfallen. Im 18. Jahrhundert verur-
sachten diese Funde eine vielseitige, aber anfangs keine schaffende Thätigkeit.
Es sammelte sich um sie eine Colonie von Künstlern für Restauration, Auf-
stellung, Zeichnung und Stich, von Technikern für die Scavi, von Gelehrten
für Erklärung der Gemälde, Aufwicklung der Rollen; man berief artistische
und wissenschaftliche Kräfte von auswärts, und vereinigte die einheimischen
Alterthumskundigen zu einer Gesellschaft für Veröffentlichung der Schätze.
Doch während fast jede Woche neue Funde brachte, ließ das verheißene könig-
liche Werk, das gelehrteste, geschmackvollste und prächtigste Denkmal füditalie-
 
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