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Justi, Carl
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen: mit Skizzen zur Kunst- und Gelehrtengeschichte des 18. Jahrhunderts (Band 2,1): Winckelmann in Italien — 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.52963#0097
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§ 20. Der Prälat Giacomelli.

89

gleich beim ersten Eintritt in die italienische Gelehrtenrepublik mit einen:
ihrer interessantesten Typen zusammenzutreffen. Eine natürliche feurige Leb-
haftigkeit, ein frankes Wesen bis zürn kaustischen und spitzigen, erschien etwas
gedämpft durch die im Verkehr der großen Welt erworbene Eleganz der For-
men und jene Zurückhaltung, welche die Prälatur den in ihr noch in: Stei-
gen begriffenen mittheilt.
Schon beim ersten Gespräch kamen beide Männer über alle Förmlich-
keiten und Gene hinaus. Der Prälat, ein feiner Toscaner (aus Pistoja,
geb. 1695) verstand es, sich eines jeden Art (die er bald durchschaute) an-
zupaffen; in der Unterhaltung ging er mit beneidenswerter Leichtigkeit auf
jenes Ideen ein, folgte ihnen, kam ihn-en zuvor, leitete sie wohin er wollte.
Beide Männer waren glücklich, sich alsbald in ein Gespräch über griechische
Dinge verwickelt zu sehen, dessen Wonne nur Kenner empfinden können, die
gewöhnlich Niemand haben der sie versteht, und die untereinander durch
Winke und halbe Worte ganze Gedankenreihcn anticipiren *). Winckelmann
hatte, so schien es ihm, seine Unbehülflichkeit in: Italienischen auf einmal ver-
loren; er fragte Giacomelli um Ngth deswegen, und dieser erbot sich zu
seinem Lehrmeister; er wolle mit ihm den Dante lesen und erklären. Denn
unsere Prosa müsse von den: leeren Wortschwall zur Einfalt der großen Zeit
zurückgeführt werden; er gestand ihn:, daß er besonders die Prosa des Deca-
merone sür musterhaft halte. Die Unterhaltung ging noch auf ganz andere
Gebiete über, und fortwährend mußte Winckelmann staunen über einen Mann,
der in keinem Zweig des Wissens Fremdling schien, und der, ein Feind der
Pedanterie, wo er anschlug, belehrte, ohne es selbst zu merken. Selbst einen
Anflug von Ruhmredigkeit konnte man ihm nicht übel nehmen: die Meinung,
die er von seinem Talent hatte, so drückte sich ein Italiener ans, hatte
etwas Liebenswürdiges, weil sie das Bedürfniß zu verrathen schien, seinen
Ruhm mit dem Freunde zu theilen, und der Freundschaft Glanz zu ver-
leihen. So schrieb Winckelmann alsbald begeistert von seiner neuen Ent-
deckung, er ordnet sich ihm willig unter: er habe „den gelehrtesten in Rom"
kennen gelernt, ja „einen der größten Gelehrten in aller Gelehrsamkeit",
„einen großen Mathematiker, Physiker, Poeten und Griechen', gegen welchen
ich in diesem Theile die Segel streiche." Dieses in: Enthusiasmus der ersten
Zeit ausgesprochene Artheil hat er auch nach Jahren, als er ihm ferngetreten
war, festgehalten, er sei der einzige, schrieb er Heyne (22. Dec. 17 64), n oni
uon erooollia il ferro nel Zreeo; auch Barthelemy fand in ihm einen Mann

*) Kurz vorher (30. März 1754) hatte Giacomelli an den Cardinal Quirini ge-
schrieben: IwoM sono 6Ütz WMinno Io lottsro o-rooliE in M68to MLSL: 6 81 MO äiro,
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