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Justi, Carl
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen: mit Skizzen zur Kunst- und Gelehrtengeschichte des 18. Jahrhunderts (Band 2,1): Winckelmann in Italien — 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.52963#0229
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ß 48. Pästum.

221

in sie hinein, andere haben sich durch andere.Betrachtungen von dem was
anfangs fremdartig schien, immermehr angezogen, ja von einem eigenthüm-
lichen Zauber besangen gesuhlt.
Zu diesen gehörte auch Winckelmaun. Sie waren für ihn um so merk-
würdiger, da er glaubte, außer dem Tempel zu Girgenti „habe die allgemeine
Verstörung alle Werke dew alten Baukunst in Sieilien vernichtet". Nebst
jenem und dem Pantheon sei kein anderes Werk der Baukunst, welches sich
so völlig erhalten habe. Er nennt diese Ueberbleibsel wiederholt „das Er-
staunendste und Liebste für ihn . . . das was mir das Ehrwürdigste aus dem
ganzen Alterthum ist". Nach seinem Geschmack giebt z. B. der starke
Vorsprung des Abacus dem Capital „eine mächtig große Gestalt". Auf
Grund jener eigenthümlichen Formen hält er sich berechtigt, sie für „die
ältesten griechischen Gebäude" zu erklären, „und viel älter als alles was in
Griechenland ist — für das älteste was wir in der Baukunst außer der
ägyptischen besitzen"; — Urtheile die bemerkenswert) sind als Zeugnisse, wie
diesem Kunstlehrer griechische Formen selbst in solchen herben und für viele
abstoßenden Ausdrucksweisen sympathisch sein konnten.
Diese Reise eröffnete Winckelmann eine glänzende, freilich trügerische
Perspective. „Die Gebäude von Pesto, schreibt er an Stosch den 5. August
1758, lassen mich hoffen, daß die ganze öde und verlassene Seeküste, wo die
berühmten Städte von Großgriechenland waren, noch viele Neste haben". Er
hörte daß zu Velia, dem Vaterland des Zeno von Elea, so zu sagen ganze
und halbe alte Tempel stünden. „Ich muß mir die Zufriedenheit verschaffen,
Dinge gesehen zu haben, die keiner von allen Deutschen sehen wird. Ich
habe dazu erspart, und habe nichts als einen Pilgerkittel nöthig. . . Ich kann
nicht hoffen, Jemand zu finden, der sich zu einer so mühseligen Reise ent-
schließen möchte: dieses soll mich aber nicht abschrecken; ich werde auch zur
Vergeltung das Vergnügen haben, Dinge zu sehen, die Niemand sonst ge-
sehen". Er wollte also das südliche Italien zu Fuße durchwandern: „denn
daselbst ist kein anderes Mittel, und so hat es Cluverius gemacht". Einmal
schien sich eine Gelegenheit darzubieten, „ohne Kosten und mit aller Bequem-
lichkeit eine Reise durch ganz Apulien bis Taranto zu thun".
 
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