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Justi, Carl
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen: mit Skizzen zur Kunst- und Gelehrtengeschichte des 18. Jahrhunderts (Band 2,1): Winckelmann in Italien — 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.52963#0319
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§ 68. Die Villa Albani.

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klar. Alle Reize der Villa sammeln sich in einem Brennpunkt. Ihr Plan
liegt vor uns ausgebreitet; gegenüber schimmern die Fenster des fernen
Frascati in der Abendsonne, zu dem Hochgebirge mit seinen gebrochenen
Linien gesellt sich das vulcanische Albanergebirge mit seinen sanfteren Ab-
hängen, die wie langhingezogene Schleppen in die Ebene sich verlieren. Im
Innern bekleidet die Wände der seltenste farbige Marmor, den der Cardinal
meist in den Ruinen von Porto d'Anzo gefunden hatte. Feine Mosaik-
arabesken zieren die Pilaster, abwechselnd mit modern-florentinischer Arbeit.
Gemmen sind in sie eingefügt; darüber ein Fries von Terracotten; Trophäen
mit Sphinxen und Alabastervafen gruppiren sich über den Thürstmsen. Reliefs
sind wie Gemälde in gelben Marmorrahmen in die Wände eingelassen; und
da die Scavi dein Cardinal kein antikes Plafondgemälde lieferten, so mußte
Mengs ein solches ergänzen.
In diese Gallerie wurden nur zwei Statuen ausgenommen. In den
großen Spiegelnischen gegenüber den Fenstern, also drunten vom Garten aus
wohl erkennbar, sah man (vor der französischen Plünderung) die „Leucothea"-
Irene und die Pallas, beide nun in München. Sie standen da als Werke
des hohen griechischen Stils, aus dem Zenith alter Kunst. Zwei Typen des
Weiblichen: die Anmuth göttlicher Mütterlichkeit, und die strenge Grazie
geistesstarker Jungfräulichkeit.
Auch in den Seitengemächern sollte man in wenigen ausgewählten
Werken Geist und Stil hellenischer Kunst kennen lernen und genießen. Hier
war über einem Kamin das Relief des Orpheus im Moment des ewigen
Scheidens; in einem andern Zimmer der bronzene Sauroctonos, den der
Besitzer am liebsten dem Praxiteles selbst zugeschrieben hätte; wie in einem *
Lararium reihten sich rings in Nischen Bronze- und Marmorstatuetten, lieber
dem nmrnwrumrahmten Kamin eines dritten Zimmers stand das Antinous-
relief, — wunderlicher Weise von den 17 97 nach Paris entführten Sachen
das einzige, was der damalige Besitzer zurückkommen ließ. —
Wie schade, daß Winckelmann seine mehrmals ausgesprochene Absicht,
eine Beschreibung der Villa zu liefern, nicht ausgesührt hat. Erst 1785
erhielt man eine solche von Stephan Morcelli. Schon 1761 wollte er sie
in einem Sendschreiben an Stosch in drei Stücken schildern, 1) einen Begriff
von dem Garten, den Gebäuden und deren Auszierung geben; 2) an ihre
Denkmäler Anmerkungen über die Kunst bei den alten Völkern knüpfen, und
3) von den durch Schönheit, Arbeit und Gegenstand merkwürdigen Werken
reden. Später drang der Cardinal auf eine solche Indicazione, die viel von
ihm verlangt wurde. 17 65 waren schon Zeichnungen zu den Kupfern gemacht.
Wir haben sie nicht erhalten, weil alles was er zu sagen hatte, in die Kunst-
geschichte und in die Monumente floß.
 
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