Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die neue Blütezeit des Mittleren Reiches

39

beleibten Altersfiguren dadurch zu verändern, daß die dem Be-
schauer zugewandte Schulter in reiner Seitenansicht wiedergegebert
und damit in den Umriß der Figur hineinverlegt wird, also eine Durch-
brechung des alten Prinzips der beherrschenden vollen Schulter-
breite, die allerdings auch im Alten Reich schon früher durch die
Beobachtung und zeichnerische Wiedergabe von allerlei mensch-
lichen Bewegungsmotiven vorbereitet war. Alles das verrät deut-
lich, wo die Handwerker ihre Vorbilder suchen. Übrigens steht
Einzelleistungen in diesen Gräbern gegenüber das Werk anderer
Hände am gleichen Platz aus der Zeit bis Amenemhet II. be-
deutend zurück.
Die Farbengebung ist überall, namentlich auch in Beni-Hasan,
noch ziemlich tot, mitunter auch die Zeichnung grob. Oft müssen
wir auf Nebensächlichkeiten sehen, wollen wir die Ansätze neuen
Kunstwollens aufspüren. In Genrebildern, der Darstellung von
Tieren, wie dem Vogelschwarm im Baum, erscheinen Stücke, die
schon Äußerungen jener glücklichen Gabe des Ägypters verraten,
großzügige Formenauffassung rein malerisch auszuwerten. Das
bereitet die Loslösung der Malerei von der Fessel der kolorierten
Konturzeichnung vor. Der Ausschnitt einer Hirtengruppe mit Anti-
lopen (Abb. 18) aus der Zeit Sesostris II. kann neben einer noch
merkbaren Anlehnung 'an das Alte Reich die frische Art verdeut-
lichen, wie das Mittlere Reich Bewegungsprobleme anpackt.
Leider hören infolge politischer Veränderungen, die eine Ein-
schränkung der Selbständigkeit der Gaufürsten mit sich bringen,
die großen Grabanlagen in der Provinz mit Sesostris III. auf, so daß
wir die Entwicklung zu der Zeit, wo uns die Plastik den Höhepunkt
der Kunst anzeigt, nicht weiterverfolgen können. Mit dem Grabe
des Nomarchen Thothotep, aus dem das bekannte Bild der „Mädchen
von Bersche“ ins Museum von Kairo gekommen ist, schließt für
uns die Reihe. Es atmet ganz naive Anmut und natürliche Frische,
ist auch noch nicht frei von einer gewissen Bodenschwere.
Vielleicht ist es kein Zufall, daß, seit alle Kräfte auf die könig-
lichen Staatsbauten zusammengezogen werden konnten, in rasche-
rem Fortschritt wirklich Neues und Großes erreicht wird. Nicht
nur in den Ausmaßen; da künden nur wenige Bruchstücke großer
 
Annotationen