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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 27.1911-1912

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Mauclair, Camille: Ignacio Zuloaga
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https://doi.org/10.11588/diglit.13090#0027

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IGNACIO ZULOAGA

Baudelaire erträumten Frau ihre Toilette voll- Heren wüßte, der die Kraft und Schönheit eines
endet, ist ein Meisterwerk, sowohl was die vollkommenen Organismus mit so viel Ge-
Charakterisierung, als was die Interieurmalerei schmeidigkeit der Kontur auszudrücken ver-
anbelangt, mit Tonqualitäten von geradezu stünde? Unter seinen Porträts von Greisen,
köstlicher Feinheit. Alle künstlerischen Ab- Bauern und Bettlern sind welche, die uns durch
sichten eines Manet finden sich in einem Bilde die männliche Einfachheit ihrer Technik und

.....................................................................................................I

wie diesem verwirklicht; und darf man das ihres Ausdrucks und durch ihre Größe an die M
Porträt von Mademniselle Rreval als Carmen Hestalten des Masaccio erinnern währenH an- 0.

Porträt von Mademoiselle Breval als Carmen Gestalten des Masaccio erinnern, während an-
(Abb. S. 12) hinsichtlich des Kolorismus nicht dererseits eine Landschaft wie bei dem „Kloster
ebenso hoch einschätzen wie Besnards glän- der hl. Jungfrau auf dem Felsen" (Abb. S. 17)
zendes Porträt der Frau Rejane! Welchen in ihren schwefligen Lichtern und ihrem chaoti-
Ernst vermag er seinen Männerporträts zu ver- sehen Anblick völlig das Heroische von Dela-
leihen? Und gibt es etwas Vornehmeres und croix zeigt, und wiederum jene runzeligen, häß-
etwas Rassigeres zugleich wie das Porträt der liehen, bestialischen Hexen durch den Zauber der M
Madame Quintana de Moreno (Abb. S. 5), zu- Modellierung und die Kraft des Ausdrucks der A
rückhaltend wie ein Bronzino, und dabei ner- dramatischen Wucht eines Tintoretto verglichen
vös wie ein Goya? werden kann. Wie soll man bei alledem das

Erstaunlich ist auch, wie Zuloaga das reine vage Wort Realismus für Zuloaga gelten las-
Schwarz anwendet, zu einer Zeit, wo man es sen? Hier bedeutet Realismus nichts anderes
ächtet, wohl deshalb, weil man sich seiner als den großen unwandelbaren Stil, als das
nicht zu bedienen weiß. Und wo findet man von einem ganzen Künstler gesehene und ge-
einen Zeichner, der mit gleicher Sicherheit dachte Leben. Der Neuerer, dessen Kühnheit
der Hand und in solch skulpturaler Größe die in Erstaunen setzt, ist in Wirklichkeit, genau
Gestalten der „Toreros" (Abb. S. 13) zu model- wie Manet, ein Klassiker. Der Naturalist ist ein ^

Stilist, dessen Streben immer eine ('-
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^ bestimmtere Richtung annimmt.

Der blutende Reiter auf dem Bilde
„Opfer des Festes" ist eine Vision,
f - " tragisch wie ein Greco, und einige

J*^* neuere Bilder, auf dem er uns

xj£k fanatische, vor einem Christus nie-

dergeworfene Flagellanten zeigt,
offenbaren, daß in Zuloaga das
^ ^/'j^BL. a'te un<^ wi'de Erbe der Morales

und Valdes Leal mehr und mehr
zum Erwachen kommt. So er-
scheint er uns neu, weil er uns
von einer Zeit spricht, in der die U
Malerei noch des Pathos fähig fi
l war. Er imitiert aber die Alten

k nicht etwa in ihren Werken, wohl ^

K aber arbeitet er mit ihren .Metho-

den und wird so ihrer würdig.
Nicht nur mit dem Blick erfaßt
er die Formen und Farben, sein
Geist durchdringt sie und ent-
deckt unter der glänzenden Hülle
das ewige Geheimnis des Lebens,
Je weiter er in seiner Laufbahn
fortschreitet, umsomehr entfernt
er sich so von der Bravour des
Virtuosen, destomehr konzentriert
er sein psychologisches Studium,
desto tragischeren Inhalt verleiht
^^^^ er seinem Stil. Er hat uns das
ignacio zuloaga der dorfapotheker Spiegelbild einer ganzen Rasse

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