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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 27.1911-1912

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Haberfeld, Hugo: Ferdinand Hodler
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https://doi.org/10.11588/diglit.13090#0127

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FERDINAND HODLER

I

spricht, ist mit seiner Heimat und unserer hängen, so steigt die düstere Gestalt Calvins
Zeit merkwürdig verbunden. Oder, um es viel- herauf. Führt durch die Jahrhunderte wirk-
leicht richtiger zu sagen: von den in monu- lieh ein Weg, mag er noch so verschlungen
mentale Gebilde umgesetzten Gedanken Hodlers sein, von dem herrischen Genfer Bußprediger
finden die zwei entscheidenden in der schweize- zu dem harten Genfer Maler? Und stellt man
rischen Geistesgeschichte und in den Strö- Hodlers Ideenwelt in den geistigen Kreis un-
mungen der Gegenwart unerwartete Analogien. serer Tage, so kommt eine Verwandtschaft
Betrachtet man die symbolischen Kompositionen mit sozialistischen Gedankengängen zum Vor-
und hält die ihnen vom Künstler gegebenen schein, ohne daß man eine direkte Beziehung
Titel dazu, so ist bald zu spüren, daß aus behaupten, oder gar Hodler einen Sozialisten
Hodlers Anschauungen, die durchaus auf der nennen dürfte. Aber in dem Verwischen aller
Schattenseite des Daseins liegen, eine bittere individuellen Unterschiede, in der program-
Schwermut quillt, die die Welt ohne Sonne, das matischen Formel, daß der Einzelne nicht als
Leben ohne Freuden, den Menschen ohne Persönlichkeit, sondern nur als Glied einer
Glück sieht. Die köstlichste Gabe, die im Kette Wert und Bedeutung hat, in der Schät-
neunzehnten Jahrhundert die Schweiz jenen zung des allen Gemeinsamen als des allein
ihrer Dichter und Künstler gab, die sich nicht Wichtigen und in der Unterordnung des Gan-
auf die Schönheit des Landes und die Tüch- zen unter den beherrschenden Rhythmus der
tigkeit seiner Menschen beschränkten, war— Masse, kann eine sozialistische Aesthetik einmal
man denke an Conrad Ferdinand Meyer und die Grundlagen für die ihr gemäße Kunst-
Arnold Böcklin — die schöne Leidenschaft für Übung erblicken. In der Tat, vermöchten dem
eine fürstliche, von den Höhenmenschen der leidgedüngten Boden dieser MenschenhofTnung
Renaissance am stolzesten verkörperte Lebens- Symbole von der bezwingenden Gewalt der
führung, war eine brennende Abenteuerlust christlichen zu entsprießen, ich glaube, daß
und die Sehnsucht nach den meerblauen itali- Hodler, vor die Aufgabe gestellt, ihnen Form
sehen Küsten. Sucht man vor der Gedanken- zu geben, sie, ein neuer Giotto, in ewigen Bil-
welt Hodlers nach historischen Zusammen- dern festhalten würde.

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