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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 27.1911-1912

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Lange, Konrad von: Die Notlage unserer Maler, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.13090#0351

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DIE NOTLAGE UNSERER MALER

Von Konrad Lange
(Schluß)

azu kommt eine Eigenschaft unserer Maler, dabei um wichtige Dinge handelt, um prinzi-

D

die ihnen schon manchen Verkauf verdorben pielle Fragen, wo der Maler nicht nachgeben

hat. Das ist ihr Eigensinn. Das erste Bei- soll, während die Laien seinen Standpunkt noch ,

spiel dafür hat Rembrandt gegeben. Von ihm nicht verstehen, so muß man einen solchen Kon- |

erzählt Houbraken folgende Geschichte: „Eines flikt eben als Schickung hinnehmen. Wir ver- |

Tages arbeitete er an einem großen Porträt- achten den Maler, der den Neigungen des Publi- I

stück, auf welchem Mann, Frau und Kinder kums nachgibt, nur um seine Bilder verkäuflich I

dargestellt werden sollten. Als er zur Hälfte zu machen. Aber manchmal handelt es sich 1
damit fertig war, starb zufällig sein Affe. Da wirklich um gleichgültige Dinge. So z. B. bei
er gerade keine andere Leinwand zur Hand jenem Bilde Rembrandts. Es wäre gewiß auch
hatte, porträtierte er ihn auf dem genannten ohne den Affen ein großes Kunstwerk geworden.

Bilde. Selbstverständlich wollten die Besteller Zu diesen „Affen" rechne ich auch eine i

nicht zugeben, daß der abscheuliche tote Affe gewisse Verstiegenheit in der ästhetischen Auf- \
neben ihnen auf dem Bilde erscheine. Er fassung, durch die sich der Künstler dem

aber hatte sich so in ihn verliebt, daß er Publikum entfremdet. Zum Beispiel die Idee, I

lieber das unvollendete Bild behalten als ihnen daß ein Porträt nicht ähnlich sein dürfe oder |

zu Gefallen den Affen davon entfernen wollte." genauer gesagt, daß die Aehnlichkeit für den '

Dieser Affe hat Schule gemacht. Viele Wert eines Porträts gleichgültig sei. Auch
Maler haben heute ihren — sit venia verbo — hierfür hat Rembrandt das erste Beispiel ge-
„Affen", d. h. ihren Eigensinn. Wenn es sich geben. Bekanntlich war er als Porträtmaler

beliebt und begehrt, solange er in Amster- i

dam gute und zugleich ähnliche Bild- j
nisse malte. Seine Kunst kam aus der

Mode, als er seine Porträts, besonders \

seine Gruppenporträts, nur noch zur Lö- I

sung malerischer Probleme benützte. Er '
war der erste Maler, der wegen der Un-
ähnlichkeit eines Bildnisses prozessieren
mußte. Nun gibt es ja eine ästhetische

Richtung, die die Meinung vertritt, daß i

Kunst nicht Darstellung der individuellen, |

sondern der typischen Natur sei. Ja I

manche Aesthetiker gehen sogar soweit I

■ zu sagen, daß die Kunst mit der Natur I

fl gar nichts zu tun habe, vielmehr „Be-

hauptung der menschlichen Persönlich-
keit gegenüber der Natur" sei. Ich nenne ,
.-. diese neueste Richtung gern die „Ueber- (
ästhetik" und amüsiere mich immer im |
stillen über die logischen Bocksprünge, i
mit denen unsere Aestheten dieses Evan- I
Ifc. " gelium beweisen zu können glauben. So 1
etwas lassen sich unsere jungen Maler 1
natürlich nicht zweimal sagen. Denn es 1
ist erheblich schwerer, eine Individualität
mit der Feinheit des psychologischen
Verständnisses eines Menzel, der tech- (
nischen Meisterschaft eines Leibi oder i
der monumentalen Wucht eines Feuer- i
bach herauszuarbeiten, als den „Typus I
Ferdinand schmutzer bildnis von professor Mensch oder Pferd" darzustellen, auf

menger (Zeichnung 1910) den sich Marees kapriziert hatte und '

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