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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 27.1911-1912

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Dresdner, Albert: Otto Greiner
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https://doi.org/10.11588/diglit.13090#0435

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| OTTO GREINER

J Gelassenheit seiner Arbeiten wird durch die notwendig der Mangel verknüpft, daß es seine

J Gedanken, die ihn bedrängen, nicht gestört; Arbeiten einer gewissen Leichtigkeit beraubt.

5 glücklicher als Klinger, den der Mann und Wenn es richtig ist, daß jedes Kunstwerk von

3 sein Werk als ihren Meister bekennen, gerät einem Hauche der freien künstlerischen Laune,

« er nur selten in die Gefahr, seine Schöpfungen der es seine Entstehung verdankt, belebt sein,

< durch Grübelei und gedankliche Beziehungen daß es nach allen Mühen der Vorbereitung
n zu beschweren und zu trüben, und vielleicht zuletzt doch als ein überlegenes Spiel der
j ist es der den Untergrund seines ganzen schaffenden Phantasie erscheinen sollte, so
>j Wesens bildende gesunde handwerkliche Zug, wird dieser Eindruck durch die immer fühl-
J der ihn vor dieser Klippe bewahrt. Denn zu- bare konstruktive und technische Festigkeit
j letzt mündet doch alle seine Problematik stets und Gediegenheit der Arbeiten Greiners ver-
y in die rationelle Frage: wie mache ich's? scheucht, und auf den zarten Schmetterlings-
J Die Klarheit, Festigkeit und strenge Durch- glänz der scheinbaren Improvisation muß man
? bildung der Form sind es, worauf der künst- neben den vielen Schönheiten, die sie bieten,

< lerische Reiz und Wert der Blätter und Bilder verzichten.

a Greiners in erster Linie beruht. Nirgends Wenn man die gegenwärtige Lage der deut-

J findet man bei ihm Unbestimmtheiten, Halb- sehen Kunst obenhin überblickt, so scheint

J heiten oder Flüchtigkeiten, nirgends versucht eine Persönlichkeit wie Greiner isoliert und

5 er durch Listen oder Dreistigkeiten zu ver- exzentrisch zu stehen, aber eine nähere Be-

j blüffen, sondern überall zahlt er mit vollwertiger trachtung lehrt, daß er in der Tradition unserer

D Münze, und Vorzüge wie Mängel geben sich Kunst seinen sicheren und bedeutenden Platz

'} aufrichtig zu erkennen. Seine Schöpfungen behauptet. Es ist Menzel, an den er sich

; ermangeln jener „zuckenden Nervosität", die zuerst hielt und mit dem er den entschlossenen

< heute so geschätzt wird; sie sind Erzeugnisse Wirklichkeitssinn teilt, und Menzels Einfluß
i) strenger Selbstzucht, in denen sich die Phan- auf ihn potenzierte sich, als er sich von
J tasie durch einen starken künstlerischen Willen Klinger befruchten ließ, der ja selbst von
j und Intellekt gebändigt zeigt; sie besitzen die Menzel ausgegangen ist. Durch Klinger aber
5 innere Sicherheit und die Kraft der Reife, und gewann er Fühlung mit jener Gruppe der
D es wird in ihnen jene Ruhe fühlbar, die beim Deutsch-Römer, deren große Leistung die
j) wahrhaft schöpferischen Künstler der unend- Neudeutung, die aus modernem Empfinden
') liehen Meerestiefe gleich unter der Oberfläche entsprungene Vergeistigung der Natur bildet,
s der Bewegung und Leidenschaft beharrt und Die Kunst der Gegenwart sucht ihr Heil

< die ihm die Tiefe und die Beherrschung gibt, in anderen Quellen, aber ich glaube, daß
) Greiner ist ein bauender Geist, noch mehr viel- in der von Greiner vertretenen Tradition
5 leicht ein konstruktiver. Er baut seine Bild- noch gewaltige, reicher Entwicklung fähige
J gedanken nach tektonischen Gesetzen auf, er Kräfte liegen, deren eine große Zukunft
) konstruiert seine Kompositionen so sorgfältig harrt, und manche Anzeichen weisen darauf
) durch, daß sie zu einem unzerreißbar fest hin, daß ein jüngeres Geschlecht, dem es
J gefügten Ganzen erwachsen. Jeder Einzelheit freilich nicht leicht wird emporzukommen,
( seiner Entwürfe versichert er sich durch die auf diese Tradition zurückzugreifen strebt.
; eingehendsten Studien, und diesem Verfahren Geschieht dies, so wird Greiners Persönlich-
( verdankt die für Greiners Schaffen so charak- keit historisch verständlicher werden, und er
) teristische Fülle köstlicher Studienblätter ihre wird dann berufen sein, durch sein Schaffen
5 Entstehung. Selbst die kaum spannenlangen in unserer Kunst fortzuwirken, indem er den
) Figürchen seiner geistvollen Exlibris sind auf goldenen Eimer einer großen und reichen,
5 diese Weise vorbereitet worden, und die Ent- von ihm treu gepflegten und selbständig weiter-
) stehung des Sirenenbildes kann man von Einzel- gebildeten Ueberlieferung einer kommenden
' stück zu Einzelstück bis auf die Olive im Generation reicht.

< Vordergrunde an seinen Studien verfolgen.

Die Energie, mit der Greiner der Natur die GEDANKEN ÜBER KUNST

Motive, Bewegungen und Formen zu entreißen „ .... . , . , ... D « ,

,' , b b ... . . Es fuhrt kein anderer Weg zu neuen Resultaten
versteht, deren er zu seinen Kompositionen und z£ neuem Seherl) als der der ernstesten Ehrlich-
benötigt, und die Feinheit, mit der er bei einem keit. Wehe dem in späterer Zeit, der sich größer
solchen Verfahren den Raum seiner Blätter machen will als er ist, woran fast alle heute kran-

und Bilder zu füllen weiß, verdient alle Be- ken: ,Nieder auf.die KnJee V0J de\ e.w&n Natur

, , ..... . . , und lerne erst dienen, dann kannst du Herr sein.

wunderung, aber freilich ist mit ihm auch ou0 Gremer

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