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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 27.1911-1912

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Vom Deutschen Künstlerbund: ein Gespräch
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https://doi.org/10.11588/diglit.13090#0560

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VOM DEUTSCHEN KUNSTLERBUND

die Massenproduktion immer mehr zunehmen, verhältnismäßig geringem Erfolg. Lag das

Dabei kann kein Talent ausreifen. Möge doch allein am Publikum. Das glaube ich nicht,

mit dieser Unsitte, mit dieser Ausstellungs- An den Künstlern? Bis zu einem gewissen

krankheit endlich gebrochen werden. Unser Grade doch wohl auch an ihnen. Meiner

Deutscher Künstlerbund könnte da mit gutem Ueberzeugung nach liegt der Hauptgrund des

Bespiel vorangehen. Statt jedes Jahr zwei Unstimmigen nicht im angeblichen Stumpfsinn

Ausstellungen, mit deren Wiederholung wir der kunstliebenden Kreise, die weder Banausen

überfüttert werden, alle zwei bis drei Jahre noch Kunstsnobs sind. Was wir in der Kunst

höchstens eine. Das wäre schon etwas. Es suchen und von ihr erwarten, ist eben doch

würde jetzt jede Ausstellungspause ein Zeit- etwas Höheres. Das Nicht-Alltägliche. Etwas

gewinn sein. Und dann müßte es der Reihe Gemeinsames, Emporhebendes. Wir haben

nach gehen: Das eine Mal Malerei; das nächste auch Respekt vor der Kunst, mehr als ihr

Mal Graphik usw. Wenn das Angebot etwas Künstler meint; ja wir haben eine gewisse

nachließe, würde die Nachfrage sich steigern. Ehrfurcht und ein Vertrauen zur Kunst wie

Jetzt malen die Maler eigentlich nicht für das zu etwas Göttlichem. Wir nehmen auch an,

Publikum, sondern für sich selber." daß der Künstler ein besonders begabter Mensch

„Aber", meinte der Laie, „es kann doch ist, dem wir keine Vorschriften machen dürfen

nicht eine Kunst nur für Künstler geben." über die Art seines Ausdrucksivillens. Den

„Gewiß nicht. Solange Künstler Menschen überlassen wir gern dem Künstler. Wie er

sind, wollen sie leben und brauchen einen es machen will, ist seine Sache. Was wir

Widerhall, einen natürlichen Resonanzboden aber erwarten, und ich glaube auch, ein gewisses

im Volke. Aber Volk und Masse sind nicht Recht haben, verlangen zu dürfen, das ist,

identisch. Das ist der große Trugschluß von daß der Künstler, wofern er ausstellt und von

heute, der rrpcorov il)Eßbo£; unserer Demo- uns verlangt, daß wir an seinen Arbeiten An-

kratie. Gunst kann nur von oben, nicht von teil nehmen, daß er uns entgegenkommt in

unten kommen und ohn' Gunst ist alle Kunst Rücksicht auf unseren etwas beschränkten Ge-

umsunst. Leider hapert's damit noch bedenk- sichtskreis, auf unser andersartiges Fassungs-

lich; gerade bei uns in Deutschland steht's vermögen. Wir sind nun einmal minder reich

kaum besser als zu Albrecht Dürers Zeiten, begabte Menschen und besitzen nicht die Fä-

Damals „fröstelten" die Künste in Deutsch- higkeit, haben auch nicht die Gelegenheit ge-

land, »frigent artes«; und Dürer schrieb an habt, sie so zu entwickeln wie ihr Glück-

Pirkheimer aus Venedig: „Daheim bin ich ein licheren : nämlich die Gabe, ein Werk der Kunst

Schmarutzer." Wir Künstler gelten bei den nur um seiner selbst willen zu genießen.
ehrbaren Erwerbsständen noch vielfach als Wir Laien wollen, um es gerade heraus zu

bessere Tagediebe." sagen, durch die Wahl des Stoffes — also

„Sie übertreiben, Meister; der Kunst und meinetwegen etwas Nichtkünstlerisches oder

den Künstlern wird heute, gegen ehedem, doch doch Unwesentliches von rein künstlerischem

eine sehr hohe Wertung zuteil", sagte der Laie. Gesichtspunkt — zur Kunst überredet werden.

„Mit den anerkennenswert hohen Ankäufen Beim Porträt beispielsweise durch die Teil-
und fortgesetzten Neuerwerbungen unserer nähme am Dargestellten, an einem Menschen,
öffentlichen Sammlungen allein ist es nicht den wir kennen. Wir wollen ihn wiederer-
getan", betonte der Kritiker. Diese bleiben kennen, darum möchten wir, daß er ähnlich
im besten Falle eben doch Museen, nicht täg- sei, was bekanntlich seitens der Herren Por-
liche Umgebung, nicht veredelnde Wohnstätten trätmaler heute als etwas Nebensächliches an-
der Bürger. Das Leben der Nation pulsiert gesehen wird. Das malerische Motiv ist ihnen
nicht in den Galerien, sondern auf öffentlichen die Hauptsache. Ein Bildnis mit Blätterschatten
Plätzen, Straßen und Wegen, und im Eigen- auf dem Kopf und Gesicht, mit violetten,
heim der Familie. Was wir mehr anstreben orangefarbenen und blauen Flecken mag ja
sollten, wäre eine Art Hausmusik in Zeich- malerisch sein; wenn's aber die Person, die
nung, Malerei und Plastik. Für alle oder dargestellt ist, nicht wiedererkennen läßt, so
meinetwegen für die starke Minderheit, die hat es eben nur malerischen Wert. Keinen
darnach verlangt. gegenständlichen. Für die Familie, die an

„Nun," meinte der Laie, „da gab es ja ihren Vater, Bruder oder Mutter und Kinder

manche Versuche in den letzten drei Jahr- im Bilde wiedererinnert sein möchte, haben

fünften, durch billige gute Künstlerrepro- solche Werke keinen reinen „Herzenswert":

duktionen. Warum waren sie denn von so Da lassen sich die Leute lieber photographieren. C

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