I
DIE ITALIENISCHE AUSSTELLUNG
KUNST AUF DER X. VENEDIG 1912
INTERNATIONALEN VON L. BROSCH
G.PREVIATI PASTORALE
X. Internationale Kunstausstellung Venedig 1912
Nach und nach haben sich die alle zwei Jahre sind wirklich ein unmittelbares Stück Leben,
stattfindenden Venezianischen Ausstellun- Und diese Bilder sind zu einer Zeit entstanden,
•j gen zu einem Gradmesser im besonderen für wo beinahe die ganze italienische Kunst im
( den Stand der italienischen Malerei und Plastik Manierismus versunken war. Cremonas Zeit-
j entwickelt. Von den italienischen Abteilungen genossen waren die Romantiker, Akademiker,
) der Ausstellung soll denn auch in diesem Ar- Historien- und Anekdotenmaler. In dieser
) tikel einzig und allein die Rede sein, auch Umgebung mußte er als ein Revolutionär er-
5 deshalb, weil das was das Ausland bietet, zum scheinen, besonders wegen seines rastlosen
) größeren Teil dem Leserkreis dieser Zeitschrift, Strebens, eine Synthese der Farbe zu erreichen.
^ besonders so weit es sich um deutsche Künstler Mit Piccio, Ranzoni und Faruffini muß er als
< handelt, schon durch die deutschen Ausstel- Erneuerer der italienischen Malerei begrüßt
1 lungen bekannt geworden ist. werden. Mit ihnen bahnte er der Heimatkunst
J Wie ihre Vorgängerinnen, so steht auch neue Wege und streute neuen Samen aus, der
j die X. Internationale Kunstausstellung in Ve- freilich erst viel später Früchte brachte. Cre-
J nedig im Zeichen der Sonderausstellungen. monas Farbe ist locker und duftig; weiche
) Man mag über dieses System denken wie man Uebergänge und jenes zarte Sfumato, das, wie
) will, es hat sicherlich ein Gutes, nämlich, daß Vasari sagte, den Künstler „in so große Ver-
'} dadurch so manche Berühmtheit erst in ihrer zweiflung setzt", gelingen ihm besonders gut.
; wahren Größe oder auch in ihrer wahren Klein- Die lebendige Art seiner Menschenschilderung
( heit erkannt werden kann. Bei den Italienern ist seit ihm von nur wenigen italienischen
j allein zählen wir 20 solcher Kollektivausstel- Malern wieder erreicht worden.
J lungen. Sie alle haben den Fehler oder den Antonio Mancini, der gleichfalls mit einer
J Vorzug, wie man es gerade nimmt, zu nahe größeren Kollektion vertreten ist, nimmt unter
3 aufeinander gerückt zu sein. Hierdurch reizen den modernen Porträtisten Italiens wohl die
5 sie zu direkten Vergleichen, die zwar für die erste Stelle ein. Dabei ist er aber, und das
3 einzelnen Künstler nicht immer angenehm, für ist sein Glück, durchaus nicht der gesuchte
< das Publikum aber sehr instruktiv sind. Vor Porträtmaler Italiens. Schon die Exzentrizitäten
'i allen möchten wir hier Tranquillo Cremona seiner bekannten pastosen Technik haben es
J (f 1878) nennen. Sein Bild „Mutterliebe", wohl verhindert, daß er der Modeporträtist
>j das wir hier reproduzieren (Abb. s. S. 545), geworden ist. Seine Bildnisse, in denen er die
} zeigt von den ausgestellten Bildern seine Art, Dargestellten in ungezwungener Stellung, leb-
j die ganz lebhaft an die Kunst Carrieres erinnert, haft modelliert vorführt, zeigen seine besondere
3 am besten. Er ist groß, intim und einfach in Fähigkeit, geschmackvolles Kolorit mit leuch-
2 der Wiedergabe der Formen. Seine Menschen tendem Impasto zu verbinden.
i STrre S^TO STrra SX3 STTT3 S^rra STrra G^tra
Die Kunst für Alle XXVII. 23. 1. September 1912
533
67
DIE ITALIENISCHE AUSSTELLUNG
KUNST AUF DER X. VENEDIG 1912
INTERNATIONALEN VON L. BROSCH
G.PREVIATI PASTORALE
X. Internationale Kunstausstellung Venedig 1912
Nach und nach haben sich die alle zwei Jahre sind wirklich ein unmittelbares Stück Leben,
stattfindenden Venezianischen Ausstellun- Und diese Bilder sind zu einer Zeit entstanden,
•j gen zu einem Gradmesser im besonderen für wo beinahe die ganze italienische Kunst im
( den Stand der italienischen Malerei und Plastik Manierismus versunken war. Cremonas Zeit-
j entwickelt. Von den italienischen Abteilungen genossen waren die Romantiker, Akademiker,
) der Ausstellung soll denn auch in diesem Ar- Historien- und Anekdotenmaler. In dieser
) tikel einzig und allein die Rede sein, auch Umgebung mußte er als ein Revolutionär er-
5 deshalb, weil das was das Ausland bietet, zum scheinen, besonders wegen seines rastlosen
) größeren Teil dem Leserkreis dieser Zeitschrift, Strebens, eine Synthese der Farbe zu erreichen.
^ besonders so weit es sich um deutsche Künstler Mit Piccio, Ranzoni und Faruffini muß er als
< handelt, schon durch die deutschen Ausstel- Erneuerer der italienischen Malerei begrüßt
1 lungen bekannt geworden ist. werden. Mit ihnen bahnte er der Heimatkunst
J Wie ihre Vorgängerinnen, so steht auch neue Wege und streute neuen Samen aus, der
j die X. Internationale Kunstausstellung in Ve- freilich erst viel später Früchte brachte. Cre-
J nedig im Zeichen der Sonderausstellungen. monas Farbe ist locker und duftig; weiche
) Man mag über dieses System denken wie man Uebergänge und jenes zarte Sfumato, das, wie
) will, es hat sicherlich ein Gutes, nämlich, daß Vasari sagte, den Künstler „in so große Ver-
'} dadurch so manche Berühmtheit erst in ihrer zweiflung setzt", gelingen ihm besonders gut.
; wahren Größe oder auch in ihrer wahren Klein- Die lebendige Art seiner Menschenschilderung
( heit erkannt werden kann. Bei den Italienern ist seit ihm von nur wenigen italienischen
j allein zählen wir 20 solcher Kollektivausstel- Malern wieder erreicht worden.
J lungen. Sie alle haben den Fehler oder den Antonio Mancini, der gleichfalls mit einer
J Vorzug, wie man es gerade nimmt, zu nahe größeren Kollektion vertreten ist, nimmt unter
3 aufeinander gerückt zu sein. Hierdurch reizen den modernen Porträtisten Italiens wohl die
5 sie zu direkten Vergleichen, die zwar für die erste Stelle ein. Dabei ist er aber, und das
3 einzelnen Künstler nicht immer angenehm, für ist sein Glück, durchaus nicht der gesuchte
< das Publikum aber sehr instruktiv sind. Vor Porträtmaler Italiens. Schon die Exzentrizitäten
'i allen möchten wir hier Tranquillo Cremona seiner bekannten pastosen Technik haben es
J (f 1878) nennen. Sein Bild „Mutterliebe", wohl verhindert, daß er der Modeporträtist
>j das wir hier reproduzieren (Abb. s. S. 545), geworden ist. Seine Bildnisse, in denen er die
} zeigt von den ausgestellten Bildern seine Art, Dargestellten in ungezwungener Stellung, leb-
j die ganz lebhaft an die Kunst Carrieres erinnert, haft modelliert vorführt, zeigen seine besondere
3 am besten. Er ist groß, intim und einfach in Fähigkeit, geschmackvolles Kolorit mit leuch-
2 der Wiedergabe der Formen. Seine Menschen tendem Impasto zu verbinden.
i STrre S^TO STrra SX3 STTT3 S^rra STrra G^tra
Die Kunst für Alle XXVII. 23. 1. September 1912
533
67