Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 4.1897

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8371#0038
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
*

38

X


Stügeschichtlich umfaßt die Sammlung vier Iahrhunderte,
weniges aus gothischer, das Meiste aus der guten Renaissancezeit
und etwa ein Drittel aus den nachfolgenden Perioden bis zu einem
Beispiel aus der Lmpirezeit herunter.

Das Postgebäude in Linz hat drei
köstliche gothische Schränke und Aästen bei-
gesteuert (vgl. Abb. 55 und 5s), die bei all
ihrer Ztnspruchslosigkeit an Adel des Stils
nicht übertroffen werden können; die holz-
gemäße Lonstruetionsweise des gothischen
Mobiliars kann nicht deutlicher vor Angen
geführt werden und die Nothwendigkeit,
beim Bau des Mobiliars den construetiv
maaßgebenden Llementen alles Andere
nnterzuordnen, kann nicht überzengender
gepredigt werden als dnrch solche Beispiele.

Auch ein Schrank aus Schloß Achleiten
gehört dahin, obschon er in seinem schmiicken-
den Beiwerke bereits den Anbruch einer
neuen Zeit ankündigt. (Abb. 58.) Der
neue „antikische" Stil gibt der ganzen
Sammlung ihren eigentlichen Lharakter
und die starke Vertretung der Renaissance
ermöglicht es, den Lntwicklungsgang dieses
Stils in Vberösterreich zu verfolgen, be-
sonders an den Stücken aus den Schlössern
Grt (Abb. 57), Llam, Lferding (Abb. 5y),

Freyegg, Ranshofen, Starhemberg, Ricd-
egg, würthing sowie aus kirchlichem Besitz in Brannau nnd Arems-
münster. Me der Dreißigsährige Arieg mit der spezifisch deutschen
Renaissance aufgeräumt hat und wie sich nach demselben fremdländische
Llemente breit machen, davon reden diese Blätter eine deutliche Sprache.
Ldle deutsche Renaissanceearbeiten, die
noch klare, constructiv einfache Formen
zeigen und wo sowohl in der Nach-
ahmung der Steinarchitektur wie in der
Ansstattung mit Vrnament tresflich Maaß
gehalten ist, finden stch da bis in das
zweite viertel des Iahrhunderts

hinein; die Znnftlade der lvachszieher
in Linz vom Iahre ;ss6 kann wohl als
eines der spätestcn Stiicke bezeichnet wer-
den, an dem noch die heimischen Forinen
herrschen — vermuthlich stammt dieselbe
von einem älteren Meister, der seine in
der Iugend erlernte Forinenkenntniß
iiber die schreckliche Ariegszeit hiniiber-
gerettet hat.

Aus der früheren deutschen Renais-
sance mögen besonders das Stnhlwerk
aus Braunan, die Thüren aus den
Schlössern Würthing, Llam, Lferding,

Grt genannt werden; bescheiden auf-
tretende und gut in lsolz übersetzte
Steinarchitektur und maaßvolles Mrna-
ment, das meist nnr ans Intarsien oder
Lichenbeschlägen besteht, zeichnen diese
Stücke aus. Daran reihen sich Wand-
schränke, waschkästen, Bettladen, Trnhcn
und anderes Mobiliar, an welchen bald

mehr oder wenigcr bnnte Intarsien, bald ansgesägte Mrnamente die
Flächen zieren, — ferner zweigeschossige Schränke, unter welchen
namentlich der aus dcm Postgebände in Linz als ein für diese Art
von Möbeln klassisch-schönes Stück ange-
sehen werden darf. Manchmal drängen
sich in die Tischlerarbeiten Motive, welche
aller wahrscheinlichkeit nach auf bänerlich-
ländliche Linflüsse — oder vielleicht besser
gesagt auf die einheimische volkskunst —
so die naturalistischen Blumen - Linlagen
auf einer Thüre in Schloß Vrt (Abb. 57)
und gewisse Derbheiten an Schränken aus
den Schlössern Achleiten (Abb. 60) und
tarhemberg. Andrerseits begegnen nns
anch Linwirkungen damaliger architekto-
nischer veröffentlichungen; den reizvollen
Säulen an einer Thüre des Schlosses
Ranshofen merkt man dentlich die vorlicbe
an, welche ihr Derfcrtiger den ^lrchitektur-
büchern Wendel Dietterleins entgegenge-
bracht hat. Schon jenseits der Grenzen
der guten Zeit steht eine Thüre aus Schloß
Riedegg (etwa aus der Mitte des Z7. Jahr-
hunderts); von üppigen verschnörkelungen
begleitet und eingefaßt, feiert der sogen.
„Bhrwaschelstil" hier die wildesten Vrgien.
Aber für die geschichtliche Lntwickelung des
Brnaments verdient dieses Stück ganz be-
sondere Beachtung, indem hier in den Linienzügen der Bogen und
Sxiralen bereits unverkennbar die Aeime des erst dreiviertel Iahr-
hundert sxäter zur Lntwickelung gelangten Rocaille-Vrnaments ent-
halten sind. Die letzten Regungen nationalen Lmxfindens stnd in den

Ulandschränken des StistesAremsmünster
wahrzunehmeii; dieser prächtigen Leistung
des beginnenden Barocks gegenüber sticht
die wandvertäferung ans dem Garstner-
saal in Gleink durch ihr zwar flott ge-
schnittencs, aber durch den Maaßftab
zu aufdringliches Vrnament unvortheil-
haft ab.

Von den Leistniigen der späteren Zeit,
etwa von Z700 an, geben Aunde ein
großer prälatenstuhl ans Mondsee
(Abb. 6;), der sich durch prächtige Anf-
näharbeiten auszeichnet, ferner einige
Betten nnd Schränke aus St. Florian,
an welchem theils Lrinnerungen an die
Tiirkenkriege, theils sranzösische Vorbilder
alle sclbständigen deutschen Rcgnngen
verdrängt haben.

Die hiernebcn abgedruckten verkleine,
riingen aus dem lverk enthebcn nns
eines besonderen Lobes desselben; Ieder,
der cs in die lfand nimmt, wird es mit
Vergnügen und Nntzen durchblättern niid
wenn er auch manchem der dargestellten
Stücke vielleicht keine Sympathie entgegen-
bringt, so wird er doch bei jedem ein-
zelneii Blatt schon an den musterhaften
Anpferdrucken seinc Frende habcn.

57. Thüre im Landschloß Grt.


X
 
Annotationen