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Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 4.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.8371#0098
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4- 98

X

ZZS. Bordüre (Lchwertlilie).

Gefolgschaft der Anhänger
wird sich aber verringern, je
mehr sich die Verwendungs-
weise dieser INuster vonr ab-
soluten Flachornainente ent-
fernt. (Vgl. Abb. ^27.)

Das Ulerk behandelt
stets cine pflanze auf je drei
Tafeln; die erste derselbcn
ist der natürlichen Lrschei-
nung der Pflanze sclbst ge-
widniet. Line perspectivisch-
malerische Darstellnng wird
bicr bcgleitet von Ltudien
dcr einzelnen Theile, wobei
auch der geomctrisch-architek-
tonische Aufbau zu seinem
Recht kommt; schwarze Um-
risse und kräftiger Federstrich
sxielen dabei eine lfauptrolle.
Das scheint nebensächlich. ist
aber sehr bedeutsam. Er-
stens übt die ksantirung mit
der Feder schon einen heil-
sainen Zwang aus, — sie
zwingt Augo und bjand, ge-
nau zn sehen und einfach
darzustellen, was für die
decorative Verwerthung von
lVichtigkeit ist; — zweitens
verleiht der breite Uinriß
der Zeichnung schon ohnehin
einen mehr oder weniger
slächenhaften Lharakter, und
der Zeichner gewöhnt sich
dabei allmälig daran von

der xlastischen Lrscheinung der jdflanze mehr und mehr abzusehen und
diese als Flachgebilde zu empsindcn. - Die beiden folgenden Blätter
zeigen dann verschiedenartige Verwendungen derselben Pflanze zu Btoff-
mustern, Bordüren, Sxitzen, Glasmosaiken u. s. w.

Die Sülisirungen, denen wir hier begegnen, sind von sehr un-
gleichem werth; will man eine Pflanze mehr oder weniger naturgetreu
verwerthen, dann darf man — unserer Meinung nach —- die Treue
nicht auf Blumen- und Blattformen beschränken, sondern man muß
aucb dem Muchs dersclbcn Gerechtigkeit widerfahren lajsen. Mo diejcr

jZ7. Wandleuchter (Aaiserkrone).

Grundsatz festgehalten ist — wie
z. B. an der Fensterbordüre mit
der Schwertlilie (Abb. ^ss) —,
da sind die Lrgebnisse stets er-
freulich; rvo aber dem wnchs
Gewalt augethan worden, da
blcibt der Gesammtcindruck dss
Mustcrs unbefriedigend, solange
die gewaltsame Aenderung nicht
durch die Technik bedingt ist.
Die mcisten Muster scheinen
nicht auf cine bestimmto Tcch-
nik der Ausführnng berechnet
zu sein, während doch gerade
die Technik — sei es weberei,
5tickerei, Application oder was
immer — auf die Detaildurch-
bildnng dcn größten Einfluß
hat. Darum erscheinen auch
gezackte, punktirte nnd sonst-
wie behandelte Blattränder un-
begründet, wenn sie an Laub-
rverk auftreten, dessen Rändcr
in der Natur glatt sind. Man
legt sich hier unwillkürlich die
Frage vor, wozu man denn
die Naturformen so genau

studirt, wenn man sie nachher willkürlich in einzelnen Theilen ändert,
rvo die Technik dies nicht erheischt; in solchen Fällen, die sich bei
Grasset hin und wieder bemerkbar machen, wird das Stilisiren der
Naturform zum Verläumden derselben.

So sehr auch die Absicht, durchaus „neue", „eigenartige" Muster zu
bringen, vorherrschte, so kommen doch häusig, namentlich bei jenen, die von
der RUcksichtnahme anf eine bestimmteAnsführnngstechnik beherrscht sind,

^28. Flachmuster (Aapuzincr).

Anklänge an ältere Arbeiten vor; ein Mal wird der Umriß der Blüthen
durch jdunctirung, ein ander lUal durch Dreiecke oder Vuerstriche aus<
gefüllt, oder es werden gewisse Pflanzentheile mit einem ohne Rücksicht
auf den pflanzlichen Brganismus eingezeichneten — secundären —
Zierwerk gemnstert, fast genau so, wie man dies bei indischen Stoff-
mustern HLufig findet. Der Brient scheint überhaupt nicht ohne (natllr-
lich nur latcnten) Linfluß auf viele Utuster gewesen zu sein; sollte
dies nicht zutreffen und der Zeichner von selbst z. B. zu jener Stili-
sirung der Lilie gelangt sein, wie sie auf Tafel s des Werkes erscheint,
so bewiese dies umsomehr, welch' hohen vorbildlichcn lVerth die Ar-
beiten des Brients für die Flächendecoration besitzen.
 
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