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(Atz Ueber russische Musik.
(Lin wissenschaftlicher Versuch.)
Der kürzlich publicirte russische Concert-Ukas gibt einen Begriff von der Wichtigkeit, welche man in Rußland der Musik beilegt. Man unter-
scheidet von Staats wegen die geistliche von der weltlichen Musik, und hat für beide auch einen verschiedenen Schlüssel. Der Kirchenschlüffel, auch
der Jerusalemitischc genannt, gibt den Noten einen ganz anderen als den gewöhnlichen Werth, so daß die Laien sie nicht richtig lesen können.
Die Noten selbst werden, je nach ihrer Zeit, cingetheilt in ganze, getragene, schwere Noten und Ultimaten. Zehn Ultimaten machen erst
eine ganze Note.
Von Takt hat man in Rußland eine ganz eigenthümliche Idee, ost gar keine; wenigstens ist in den Noten, die unö zu Gesicht gekommen,
wenig davon vorhanden, und wollen wir ruhig den Gegenbeweis durch Herrn von Mcnzikoff abwarten.
Die Vorzeichen spielen eine große Rolle, und wird namentlich daö Kreuz ost gebraucht, man könnte sogar sagen — ge miß braucht, um ganz
seltsame Accorde zu Stande zu bringen, welche wir nach unsern Begriffen Dissonanzen nennen.
Merkwürdig ist eö, wie die Russen die Pausen zu benutzen verstehn, damit die Noten den richtigen Effect nicht verfehlen.
Man will bemerkt haben, daß ihre Melodien, ähnlich wie die aller slavischen und sklavischen Nationen, weich und schwermüthig seien; dem
widerspricht jedoch, daß sie immer in Our austretcn.
Der Russe liebt die Musik und steht daher gern, wenn Jemand flöten geht, auf dem letzten Loche bläst und mit Pauken und Trompeten
ab fällt, und er ist stets bereit, seinem Nachbar den Marsch zu blasen.
Auch spielt er gern die erste Violine und leistet besonders in Doppelgriffen Außerordentliches. Sogar der Beamtenstand versteht diese
Griffe gründlich und Einige haben es darin, wie öffentliche Produktionen gezeigt haben, zu einer gewissen Virtuosität gebracht.
Andere Instrumente, die Trommel und daö Bombardon ausgenommen, werden wenig berücksichtigt, die sogenannte türkische Musik wird
bei Zeiten den Leuten beigebracht, weil darin der Halbmond geschüttelt wird.
Bei dem russischen Piano-Forte sind wenige Verbesserungen vorgenommen worden: eö sind noch immer die alten Züge, die alten Saiten,
der alte Bau, das alte Hämmer system-die englische Mechanik scheint gefürchtet und verboten.
Man kann deßhalb nicht gerade sagen, daß Rußland mit Flügeln vorwärts geschritten sei. Kladderadatsch.

Feuilleton.

Lircularnotc an unsre auswärtigen Abonnenten.
Mein Herr! Berlin, den 1. Zull.
Die Einsendung einer Annonce deö Kladderadatsch in verschiedene Jour-
nale beim Beginn des neuen Quartals hat zu den übertriebensten Gerüchten

Veranlassung gegeben, welche unö die Pflicht auferlegen. Ihnen über diesen
Gegenstand die nöthige Aufklärung mitzutheilcn, welche Sie in den Stand
setzen wird, die falschen Angaben zu berichtigen, die sich in dem Lande, wo
Sie rcsidiren, verbreitet haben dürften.
Wir halten eö für überflüssig, Ihnen zu sagen, daß kein wahres Wort
an den uns ausgebürdcten Forderungen ist, sei eö einer neuen Vermehrung
unseres Abonnentenbesitzcö, sei eö wegen der lumpigen 21 Silbergroschen, die
wir von einigen zwanzigtausend Abonnenten vierteljährlich mehr oder weniger
beziehen.
Die Zusendung der Inserate an die Zeitungöredactionen bezweckte ledig-
lich die Aufrechthaltung unseres Glaubens an die Macht der
Annonce.
Und nun mucke noch Einer auf! Wir hauen den Lümmel gleich zwi-
schen die Ohren, daß er den alten Fritz unter den Linden für einen Brief-
beschwerer ansehcn soll. Kreuz heiliger Ort noch mal!
Die Grobiane des Kladderadatsch.

Die Neue Preußische Zeitung berichtet, der Geh. Justizrath Pro-
fessor Keller habe die Erlaubniß zur Führung des Adels - Prädicatö
nachgesucht und. auö Rücksicht daß darauf seine Familie den ältesten Patricicr-
Familien in Zürich beigezählt wird, auch erhalten.
Herr Keller nimmt hoffentlich jetzt seinen alten Familiennamen Keller
vom Steinbock wieder an, welchen er unseres Wissens im Jahre 1839
oder 1543 ablegte, wahrscheinlich um damit anzudeuten, daß die Sonne
seiner biö dabin liberalen und antipatricischen Politik in den
Wendekreis des Krebses getreten sei.

Privatmittheilungen auö St. Petersburg melden, daß das dortige
Publicum daö wahre Sachvcrhältniß der orientalischen Frage nur auö den
Berichten ausländischer Zeitungen kennen zu lernen im Stande sei,
und daß man daher bei dem bekannten Verfahren der russischen
Censurbehörden sich nicht wundern dürfe, wenn daö bethciligte Publicum
in Rußland in dieser Angelegenheit fortwährend nur schwarz
sehe. _

Eingesandt.
Jeehrter Herr Redactör!
Von einer hochlöblichen Postbchörde iS bekanntlich neuerdings in alle
Zeitungen verschärft worden, daß wer irgend eine schriftli che Mitthei-
lung mit andere Sachen verpackt, welche nach einer jeringercn Taxe befördert
werden, 5 Tbalcr Strafe zahlt. Also werde ick zu meinem jestrigcn Jeburts-
tage von meine Tante in Jüterbogk eine Schachtel jeschickt erhalten, wonach
ich meinen jüngsten Sohn auf der Post schicke. Wie er zurückkommt, iS eö
eine Torte, aber der janze Zuckerjuß iS weg, und wie ich den Bengel dar-
über vorkriege, sagt er, daß: „Ich jratulire!" uf den Kuchen jestanden
und er dieses als schriftliche Mitteilung schnell ufde Post abjeknabbert
hätte, weil sonst Denunciation, cventualitcr Strafe.
Nu wollte ich Sie bloß fragen, hat im Sinne des Verbrechens meine
Tante waö auöjefressen oder mein Junge? Und kann ich den Letztem
hauen, ohne das Je setz inö Jesicht zu schlagen?
Erjebenster Tubbecke.

Freunden und Bekannten die ergebene Mittheilung, daß ich nie mehr
„zu Hause" sein werde. Stritzow an der Panke.

Wegen Mangels an Kaum
ist eine Partie solide und dauerhaft gearbeiteter Leitartikel, welche in
Folge der unverhofft schnellen Aufgabe unsres Geistes und Geschäfts
übrig geblieben sind, gegen billige und gleich baare Zahlung sofort abzulaffen.
Die geehrten Redaktionen solcher Blätter, welche in unsere Fußtapsen zu
treten nicht ganz abgeneigt sein sollten, erfahren daö Nähere in der Expedition
der seligen C. Z. f. Schlesien.
Trost für die selig verstorbene konservative
Zeitung für Schlesien.
Auch Patrokloö mußte sterben, und war mehr als du!
Die verblichene Preußische Zeitung.

Die 400 Jahre, nach welchen, der russischen Prophezeiung zufolge, die
Pforte einstürzen und der Türke aus Europa vertrieben werden sollte, sind
u m. Der Einsturz ist vor der Hand nichts als ein russischer Einfall.
 
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