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ToNstaNtiMOpel.
flüchtige Skmerkungcil eines flüchtig Reisenden, von Tiibbeke.
Ick bin kein Kosake, meine Herren! und habe nich nöthig vor den
Kaiser von Rußland zu sckwärmen. Aber, meine Herren, wenn man steht,
wie jetzt in Berlin Alles türkisch ist und jegcn Rußland constantino-
politisirt ohne jede richtige Anschauung von der Sache, so muß man sich
als Augenzeuge des Orients und der ganzen dortigen Gegend wol
ärgern. Denn, meine Herren, Berlin hat jcwiß seine Schattenseiten,
und bei die jetzige Hitze noch viel zu wenig! Aber Constantinopel
soll der Deibel bolen! Also warum nich der Russe? Man muß je-
den Menschen nehmen, wie er sick gibt; warum soll man nich oock 'ne
Stadt nehmen, wenn sie sich jeden will? Und so weit, meine Herren, war
eS mit Consta nt inopel schon anno 39, wo ich es jesehen habe.
Die Frachtwagen gingen damals nämlich noch direct nach Jassy, weil
eS noch keine Eiscnbabnen nich gab. Also werde ich am hallischen Tbor meinen
Vetter Neumann treffen, der damals noch ein Fuhrwerköjeschäst hatte, und mit ihm
in die Moldau mit eine Ladung Möbel machen, und von da stramm ruber
üder die Jränze nach Constantinopel. Kaum daß ich durch die Pforte
rin bin, treffe ich in einer Straße einen Kerl mit einem Kaftan und einem
Turban, jänzlich Türke, aber das Jesichl fürchterlich bekannt und die janze
Haltung Berliner. Herrjöö! sage ich, Nünnikek Um Jotteö willen,
sagt er — halt's Maul! — Ich habe mir hier acclimatistrt, hecße Nünni
al Resckid und bin Moselmann jeworden. Nu können Sie sich meine
Freude denken; denn Nünn ikeS Aeltern wohnten uns in der Stralauerstraßc
jegenüber, und wir hatten unö schon als Kinder immer mit Sand beworfen.
Er war als jelcrnter Tischler hier einjewandert, hatte so n Stücker acht bis
sechzehn reiche Frauen geheirathet und sagte: Tübbeke, heute Mittag bist du
mein Jast in meinem Harem auf einen Löffel Suppe. Jut! sagte ich —
aber erst muß ich meinen Paß besorgen. Ach, Unsinn! sagte er — ich kenne
ja hier alle Klein- und Groß-Vesiere, da brauchst du ihn nicht vesiren
zu lasten. Nu bekam ich schonst 'ncn klcenen Bejriff von de türkische Jercch-
tigkeit un Polizeiordnung un dachte mir jleich, deö kann hier kein juteS Ende
nehmen; denn wo keine Fremdencontrolc nich ist, kann jeder Gesandte
seine Pässe fordern, wie denn der Russe auch dieses jetzt zu
benutzen jcwnßt hat.
Bis eS nu Mittag wurde, trieb ich mir 'n Bißken an de Dardanellen
rum und besuchte dann die Moscheen, wo man beim Eintritt jleich 'n
halben Mond machen muß, um nich als ein anderer Jläubiger anjesehen
zu werden. Denn der Fatalismus iS hier zu Hause und dem Türken iö
Allenö fatal, ausgenommen daö IS lamm, welches er verehrt. Und
für einen Ilaubcn, der ein solches Aber hat, sollen wir uns jegen Rußland
in Streitigkeit verwickeln und LudwigShafen-Bexbacher noch weiter runter-
bringen? Also wird eS, da der Tag dort bis zu 24 Stunden gezählt wird,
auf 23 schlagen, und ich werde mir zu Nünniken us'n Weg machen. Er
stand schonst auf der Trittschwelle von seinem Harem, erwartete mir. nahm
mich bei der Hand und führte mir in das Innere, wo er mir sofort die
Spitze bot zu einer Pfeife Tabak, die ein Verschnittner mir präsentirte. Hier-
auf wurde daö Diner aufgetragen, welches mir jedoch nicht besonders jestel,
da allenS in Opium abjekocht war und man aus allem den türkischen
Waizen rauöschmeckte. Wie es daher zu Ende war, fing ich an zu seufzen,
weßhalb mir Nünnicke fragte, waö mir fehle. Waö zu trinken! sagte ich,
— sonst kann mir deine janze Türkei gestohlen werden, wie dies nu jetzt auch
wirklich der Fall sein wird. Ja. Kind, erwiderte er — allenS verlange;
nur des nicht! Wein ist bei unö Moselmännern nicht zu haben.
Wenn es dir aber Spaß macht, will ich dir jetzt 'n Bißken in meinem
Harem rumführen. Mache aber keine schlechten Witze, sondern stecke dein
Schnupptuch fest, denn wenn du eö fallen läßt, muß ich dir köpfen laaßen.
Nee, sagte ich ihm. — denn leiste ich Verzicht. Laaß mir jehn, leb' wohl,
ich will machen, deß ich auö dev Constantinopel herauskomme! — Jut! sagte
er — aber erst sollst du doch noch sehen, daß cö bei unö nich so schlimm
ist, wie du dir denkst. Bei diesen Worten nimmt er mir wieder bei der
Hand, führt mich in sein Zimmer zurück, schließt alle Tbüren zu, holt
unterm Divan eine jroße Pulle mit weißer Flüssigkeit vor, schenkt mir ein
Jlaö davon ein und reicht cö mir mit dem Ausdruck: Hier koste! — Ich
setze eS an den Mund — ich rieche, ich trinke. Schwere Notb! sage ich —
des iS ja Gilka! Ja wol — sagte er. Im Stillen sind wir bloß noch—
Kümmeltürken. Bei diesen Worten setzte er die Pulle an den Mund,
trank sie in einem Zuge auö und siel besinnungslos zu Boden. Nu jing
ich natürlich in seinen Harem, that was ich wollte, steckte so viel Opium un
türkschen Tabak ein als ich forttragen konnte, und 14 Tage später fuhr ich
durchs höllische Thor in de Fricdrichöstraße.
Nu frage ich Sie, meine Herren, wenn ich als einzelner Berliner schonst
vor zwölf Jahren in Constantinopel so wirthschasten konnte, wie mag sich
seitdem die Corruption erst vergrößert haben, und warum sollen sie die Russen
nicht benützen? Und daö ist der Schlüssel zu der janzen Jeschichte, den
sie nicht erst zu verlangen brauchen, sondern den sie längst schon in Händen
haben. Der russische Kaiser will die Türkei zur Sittlichkeit zurücksühren von
das heimliche Saufen und die öffentliche Vielweiberei, welche
verkehrten Verhältnisse bei uns nicht stattsinden. Und janz Berlin sollte
dafür vor ihm in Staub liegen, waö bei die jetzige Jahreszeit dem
Magistrate keine jroße Kosten nick verursachen würde!
Feuilleton.
In dcr Schloszbrücke.
Der kleine Zwick au er. Vaterlebcn. waö stellt denn die neue
Marmorgruppe vor. waö da eben ausgcrichtet wird?
Zwickauer. Düseö üst „Nike, eunem Knaben dü Höldenge-
schüchte löbrend."
Der kleine Zwickauer. Waö soll denn der Knabe dabei lernen?
Zwickauer. Wü man durch Schlachten eun großer Mann
Wörden kann.
Der kleine Zwickauer. Ach, nun weiß ich erst, warum in der Zei-
tung immer siebt: Frische Wurst bei Nike!
Zwickauer. Oesel waö du büst! Düser Niquet üst von dü Colonü
und schreubt süch nun eunem franßösi scheu q; denn wü sagt der Dückter?
Nücht eune Schlacht, eun Schlachten war'S ßu nönnen!"
Die Spanische Regierung bat. um sich populär zu machen, beschlossen,
die Gebeine deo berübmten Dichters Moralin von Paris nach Spanien
bringen und dort begraben zu lassen.
Glückliches Land, dessen Regierung sich dadurch bei ibrem Volke beliebt
machen kann, daß sic sich bereit zeigt, dessen liebste Schriftsteller -
unter die Erde zu bringen!
Orientalisches Ghascl.
So soll die Pforte wirklich jetzt zu Grabe gebn?
Der Moslem soll verarmt am Bettelstäbe gehn,
Dem Untergang entgegen schnell im Trabe gebn,
Und seines Landes Reckt alö Feindes Habe sehn,
Der nur daö Land, nicht Recht, sich hat zur Hab' ersehn?
O glaubt es nur: sticht erst einmal der Haber den,
So bleibt er auch dabei trotz Wenn und Aber stehn,
Und setzr cö durch, trotz alledem und Aberdeen').
Hafis ^un
or.
Uech muß mür söbr wundern, waö düse östcrreuchischen Fünanzmönner
schlöcht spöculürcn. Kaum üst düser Treumann bür ün unserer Königö-
stadt, so sünd alle Bönke voll. Uen der Kaüscrstadt üst ör ümmer.
und dabeu üst dü östcrreuchiscbe Bank ümmer löör. Warum macht
man nücht Treu mann ßum Bankdüröctor? Zwickauer.
*) A nm. des Setzers. Zwar etwas unorthogravbisch. aber leider wabr.'
ToNstaNtiMOpel.
flüchtige Skmerkungcil eines flüchtig Reisenden, von Tiibbeke.
Ick bin kein Kosake, meine Herren! und habe nich nöthig vor den
Kaiser von Rußland zu sckwärmen. Aber, meine Herren, wenn man steht,
wie jetzt in Berlin Alles türkisch ist und jegcn Rußland constantino-
politisirt ohne jede richtige Anschauung von der Sache, so muß man sich
als Augenzeuge des Orients und der ganzen dortigen Gegend wol
ärgern. Denn, meine Herren, Berlin hat jcwiß seine Schattenseiten,
und bei die jetzige Hitze noch viel zu wenig! Aber Constantinopel
soll der Deibel bolen! Also warum nich der Russe? Man muß je-
den Menschen nehmen, wie er sick gibt; warum soll man nich oock 'ne
Stadt nehmen, wenn sie sich jeden will? Und so weit, meine Herren, war
eS mit Consta nt inopel schon anno 39, wo ich es jesehen habe.
Die Frachtwagen gingen damals nämlich noch direct nach Jassy, weil
eS noch keine Eiscnbabnen nich gab. Also werde ich am hallischen Tbor meinen
Vetter Neumann treffen, der damals noch ein Fuhrwerköjeschäst hatte, und mit ihm
in die Moldau mit eine Ladung Möbel machen, und von da stramm ruber
üder die Jränze nach Constantinopel. Kaum daß ich durch die Pforte
rin bin, treffe ich in einer Straße einen Kerl mit einem Kaftan und einem
Turban, jänzlich Türke, aber das Jesichl fürchterlich bekannt und die janze
Haltung Berliner. Herrjöö! sage ich, Nünnikek Um Jotteö willen,
sagt er — halt's Maul! — Ich habe mir hier acclimatistrt, hecße Nünni
al Resckid und bin Moselmann jeworden. Nu können Sie sich meine
Freude denken; denn Nünn ikeS Aeltern wohnten uns in der Stralauerstraßc
jegenüber, und wir hatten unö schon als Kinder immer mit Sand beworfen.
Er war als jelcrnter Tischler hier einjewandert, hatte so n Stücker acht bis
sechzehn reiche Frauen geheirathet und sagte: Tübbeke, heute Mittag bist du
mein Jast in meinem Harem auf einen Löffel Suppe. Jut! sagte ich —
aber erst muß ich meinen Paß besorgen. Ach, Unsinn! sagte er — ich kenne
ja hier alle Klein- und Groß-Vesiere, da brauchst du ihn nicht vesiren
zu lasten. Nu bekam ich schonst 'ncn klcenen Bejriff von de türkische Jercch-
tigkeit un Polizeiordnung un dachte mir jleich, deö kann hier kein juteS Ende
nehmen; denn wo keine Fremdencontrolc nich ist, kann jeder Gesandte
seine Pässe fordern, wie denn der Russe auch dieses jetzt zu
benutzen jcwnßt hat.
Bis eS nu Mittag wurde, trieb ich mir 'n Bißken an de Dardanellen
rum und besuchte dann die Moscheen, wo man beim Eintritt jleich 'n
halben Mond machen muß, um nich als ein anderer Jläubiger anjesehen
zu werden. Denn der Fatalismus iS hier zu Hause und dem Türken iö
Allenö fatal, ausgenommen daö IS lamm, welches er verehrt. Und
für einen Ilaubcn, der ein solches Aber hat, sollen wir uns jegen Rußland
in Streitigkeit verwickeln und LudwigShafen-Bexbacher noch weiter runter-
bringen? Also wird eS, da der Tag dort bis zu 24 Stunden gezählt wird,
auf 23 schlagen, und ich werde mir zu Nünniken us'n Weg machen. Er
stand schonst auf der Trittschwelle von seinem Harem, erwartete mir. nahm
mich bei der Hand und führte mir in das Innere, wo er mir sofort die
Spitze bot zu einer Pfeife Tabak, die ein Verschnittner mir präsentirte. Hier-
auf wurde daö Diner aufgetragen, welches mir jedoch nicht besonders jestel,
da allenS in Opium abjekocht war und man aus allem den türkischen
Waizen rauöschmeckte. Wie es daher zu Ende war, fing ich an zu seufzen,
weßhalb mir Nünnicke fragte, waö mir fehle. Waö zu trinken! sagte ich,
— sonst kann mir deine janze Türkei gestohlen werden, wie dies nu jetzt auch
wirklich der Fall sein wird. Ja. Kind, erwiderte er — allenS verlange;
nur des nicht! Wein ist bei unö Moselmännern nicht zu haben.
Wenn es dir aber Spaß macht, will ich dir jetzt 'n Bißken in meinem
Harem rumführen. Mache aber keine schlechten Witze, sondern stecke dein
Schnupptuch fest, denn wenn du eö fallen läßt, muß ich dir köpfen laaßen.
Nee, sagte ich ihm. — denn leiste ich Verzicht. Laaß mir jehn, leb' wohl,
ich will machen, deß ich auö dev Constantinopel herauskomme! — Jut! sagte
er — aber erst sollst du doch noch sehen, daß cö bei unö nich so schlimm
ist, wie du dir denkst. Bei diesen Worten nimmt er mir wieder bei der
Hand, führt mich in sein Zimmer zurück, schließt alle Tbüren zu, holt
unterm Divan eine jroße Pulle mit weißer Flüssigkeit vor, schenkt mir ein
Jlaö davon ein und reicht cö mir mit dem Ausdruck: Hier koste! — Ich
setze eS an den Mund — ich rieche, ich trinke. Schwere Notb! sage ich —
des iS ja Gilka! Ja wol — sagte er. Im Stillen sind wir bloß noch—
Kümmeltürken. Bei diesen Worten setzte er die Pulle an den Mund,
trank sie in einem Zuge auö und siel besinnungslos zu Boden. Nu jing
ich natürlich in seinen Harem, that was ich wollte, steckte so viel Opium un
türkschen Tabak ein als ich forttragen konnte, und 14 Tage später fuhr ich
durchs höllische Thor in de Fricdrichöstraße.
Nu frage ich Sie, meine Herren, wenn ich als einzelner Berliner schonst
vor zwölf Jahren in Constantinopel so wirthschasten konnte, wie mag sich
seitdem die Corruption erst vergrößert haben, und warum sollen sie die Russen
nicht benützen? Und daö ist der Schlüssel zu der janzen Jeschichte, den
sie nicht erst zu verlangen brauchen, sondern den sie längst schon in Händen
haben. Der russische Kaiser will die Türkei zur Sittlichkeit zurücksühren von
das heimliche Saufen und die öffentliche Vielweiberei, welche
verkehrten Verhältnisse bei uns nicht stattsinden. Und janz Berlin sollte
dafür vor ihm in Staub liegen, waö bei die jetzige Jahreszeit dem
Magistrate keine jroße Kosten nick verursachen würde!
Feuilleton.
In dcr Schloszbrücke.
Der kleine Zwick au er. Vaterlebcn. waö stellt denn die neue
Marmorgruppe vor. waö da eben ausgcrichtet wird?
Zwickauer. Düseö üst „Nike, eunem Knaben dü Höldenge-
schüchte löbrend."
Der kleine Zwickauer. Waö soll denn der Knabe dabei lernen?
Zwickauer. Wü man durch Schlachten eun großer Mann
Wörden kann.
Der kleine Zwickauer. Ach, nun weiß ich erst, warum in der Zei-
tung immer siebt: Frische Wurst bei Nike!
Zwickauer. Oesel waö du büst! Düser Niquet üst von dü Colonü
und schreubt süch nun eunem franßösi scheu q; denn wü sagt der Dückter?
Nücht eune Schlacht, eun Schlachten war'S ßu nönnen!"
Die Spanische Regierung bat. um sich populär zu machen, beschlossen,
die Gebeine deo berübmten Dichters Moralin von Paris nach Spanien
bringen und dort begraben zu lassen.
Glückliches Land, dessen Regierung sich dadurch bei ibrem Volke beliebt
machen kann, daß sic sich bereit zeigt, dessen liebste Schriftsteller -
unter die Erde zu bringen!
Orientalisches Ghascl.
So soll die Pforte wirklich jetzt zu Grabe gebn?
Der Moslem soll verarmt am Bettelstäbe gehn,
Dem Untergang entgegen schnell im Trabe gebn,
Und seines Landes Reckt alö Feindes Habe sehn,
Der nur daö Land, nicht Recht, sich hat zur Hab' ersehn?
O glaubt es nur: sticht erst einmal der Haber den,
So bleibt er auch dabei trotz Wenn und Aber stehn,
Und setzr cö durch, trotz alledem und Aberdeen').
Hafis ^un
or.
Uech muß mür söbr wundern, waö düse östcrreuchischen Fünanzmönner
schlöcht spöculürcn. Kaum üst düser Treumann bür ün unserer Königö-
stadt, so sünd alle Bönke voll. Uen der Kaüscrstadt üst ör ümmer.
und dabeu üst dü östcrreuchiscbe Bank ümmer löör. Warum macht
man nücht Treu mann ßum Bankdüröctor? Zwickauer.
*) A nm. des Setzers. Zwar etwas unorthogravbisch. aber leider wabr.'