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Line Fastenpredigt.
Äerlöscht der Kerzen Glänzen,
Verdorrt Gewind' und Kranz!
Ausruhn die Exccllcnzen
Vom schweren Fackeltanz.
Gar Mancher, der bei der Flasche
Geschwebt in Sangesfrcud',
Trauert in Sack und Asche
Und bangen Sorgen heut.
Es spricht der närrische Prcd'ger:
„Er liegt auf der Lodtenbahr',
Der allzeit uns ei» gnäd'ger
Und lust'gcr Herre war.
Verödet ist sein Palazzo,
Zerbrochen sei» Herrscherstab;
Es legen Schalk und Bajazzo
Die bnntcn Jacken ab.
Und mit betrübter Miene
In schweren Kummer-s Bann
Schau'» Fräulein Colombine
Und Pantalon sich an.
Ach! Nacht ist wieder gesunken
Auf alle Völker umher,
Verglüht die „Cöluer Funken",
Der Gürzenich still und leer!
Nickt Becher noch Schellenkappen
Mehr geben fröhliche» Schall;
Zur Ruhe betten die Knappe»
De» Prinzen Carneval.
Jetzt ist — vernehmt's! — aufs Neue
Für alle Gläub'gen ja
Die Zeit der Bus;' und Reue,
Die Zeit der Fasten da.
Und fasten, sollt ihr, fasten,
Nicht klagen über Druck;
Ihr tragt zwar viele Lasten,
Doch lange noch nicht genug!
Entsagt den schnöden Moneten
Und härmt darob euch nicht;
Ihr wißt, die Noth lehrt beten,
Und beten ist eure Pflicht.
Und tragt die Steuern willig,
Wenn's Manchen auch verdrießt;
Noch Viele-s ist viel zu billig,
WaS itzo ihr genießt!
Und zahlt in nnterthän'ger
Ergebung Alles geschwind',
Und trinkt ein Seidel wcn'ger,
Wenn ;we> zu theuer sind!
O, daß die Welt doch wüßle
Nnd drüber dächte nach:
TaS Zechen und Flcischgelüste
Ist eitel Sünd' und Schmach.
Daß Schlesier, Sachs' und Po,i,m„
Doch endlich sähen ein:
Je ärmer, desto frommer
Wirst d», o Weltkind, sein.
Mit Beten und Bußgesnnge
Drum mach' dich, Volk, bereit
Auf eine lange, lange
Und schwere Fastenzeit!"
MsLLrrsLstsH.
Schultze.
Müller. -
„ir deck wieder ’
„eck dazu nehme;
Müller- 2
[cmmcn!
auf seine Schulter
machen l
Schulhe.
Müller.
Heliodor» Schulhe in Berlin n» Phyllis Müller in der Provinz.
Thcuerste Phyllis!
himmlische Tage liegen hinter uns. Wie haben wir geschwelgt in
Festlichkeiten! D. h. nur auf dem Papier; denn unsere ganze Theilnahiiie
beschränkte sich auf die Lecturc der Zeitungsberichte. Die lasen wir uns
wieder und immer wieder vor, und bis in die späten Nächte hinein über-
hörten wir dann einander und fragten uns gegenseitig: Wer ist alle-s da-
gewesen? WaS haben sie alles angchabt? Was hat cs alles gegeben? Ach!
daß man so schnell all' das Schöne wieder vergißt! Wenn D» mich jetzt
fragst, Phyllis: Welche von den hohen Damen war die mit der himbcer-
rothen Saniinctschlcppe ? — so kannst Du Dich — wozu ich Dir aber nicht
rathen will — auf den Kopf stellen, ich bin nicht im Stande, eS Dir
zu sagen.
Eines aber möchte ich von Dir wohl wissen. Die Männer, welche diese
Zeitungsberichte schreiben, müssen doch im Allgemeinen für unendlich dumm
in weiblichen Toilettefragen gelten; woher haben sie trotzdem die aller-
genauesten Kenntnisse unseres Staates? Sie sprechen über Schleifen und
Puffen, über Mull und Tüll, über Plisse, Filet, Tablicr und Pannier, über
Frisuren und Garnituren, über Bordüren, Tvurnure» und Coiffuren, über
Mantilleii und Chenillen, Rüsche und Plüsche, wie über ihnen ganz geläufige
Dinge. Kannst Du mir sagen, geliebte Freundin, woher sie diese staunenS-
werthen Kenntnisse haben? Ich bin ganz Baff darüber! Denn die Directrice
eines Confectionsgeschästs kann auf diesen, Gebiet nicht besser bewandert sein.
Weißt D», Phyllis, daß ich ganz nahe daran war, Ehrenjungfran
zu werden? I», letzten Augenblick noch zerschlug es sich; ich mußte absocken,
und eine Andere wurde mir vvrgczvgcn. Nun, so hübsch wie Die und Die
und Die bin ich am Ende auch »och! Um Scandal zu vermeiden, nenne
ich hier keine Namen, bin aber bereit, die Liste Derjenige», die ich meine,
privatim Jedem, der mich darum ersucht, niitzntheile». Denke nur, daß ich
mir -schon Wochen lang vor dem Spiegel ein reizendes Lächeln eingeübt
hatte! Ebenso hatte ich cS schon heranSbekommen, meinen Augenbrauen
mit dem Tnschpinsel etwas Fascinirendes zu geben. Und dn-S Alles umsonst!
Ich Hätte in den, Augenblick der Enltäuschung den ganzen Magistrat durch
unser,, braven Krauts mit einem stnmpfen Beil hinrichten lassen mögen,
wenn mir die Macht dazu gegeben wäre!
Wer weiß, wann wieder einmal ein Aufgebot von Ehrenjungfrauen
stattfindet? Wer weiß, ob ich dann nicht schon längst unter der Haube bin
oder auch vo» vornherein al-s abgetakelt betrachtet werde?
Ich habe geweint wie eine Dachtraufe, und sehr vieler Pfannkuchen
mit verschiedenartiger Füllung bedurfte es, um mich nur aus dem Gröbsten
heraus zu trösten.
Jetzt aber ist plötzlich ein blendender Lichtstrahl in meine Trauriglnl
gefallen. Es kann sein, daß Papa Minister wird! Du wirst cS fain
glaube»; aber ich schwöre Dir zu, die Möglichkeit ist vorhanden. Gin
ungeheurer Ministerbedarf steht in Aussicht; denn wie der alte „Yen®
cancrmus- — lasse Dir dieses Wort erkläre» — lautet:
»Otto teuet inappnm, madidam inappam teilet Otto“ — und inch
weiß Niemand, wem demnächst die Mappe von Otto zugcworfcii weck»
wird. Mein Gott, warum soll Papa nicht auch einmal Minister roerten’
Er hat das Alter dazu und eine unbestrafte Vergangenheit. Er hat ßi>
nie widersetzt, ist bereit, Alles mit sich machen zu lassen, und würde M
koininendeii Falls den Fackcltanz wie irgend Einer tanzen. Auf stir:
Geeignetheit kamen wir erst neulich, als Mama zufällig zu ihm sagte: .,T.:
läßt Dir aber auch Alles gefallen!" Das hat er denn sogleich als 2«
aufgefaßt, seine Zeugnisse eiugeschickt und sich gemeldet, und zwar für jedes
beliebige Fach. Während wir in größter Spannung sind, erwartet er ml)»,
die Entscheidung und studirt mittlerweile die neueste Auflage des Meyer'
scheu Conversations-LexikonS, um gründlich vorbereitet zu sei», m-
für ein Portefeuille ihm auch beschicden werden mag. Gestern war er sch»
bei dem Artikel „Panischer Schrecken".
Q Phyllis! Wenn wir wirklich ErccllcnzcnS würden! Ich n#
nicht, was ich anfinge! Als mein Bruder Ryngulph vor Kurzem in
aniinirter Stimmung nach Hause kam — er hatte sich mit seinen Freunden
auf dem Fackelzug-ConimcrS angekneipt — schwärmte er viel von Dir und
wollte von mir durchaus Deine kleine Photographie haben, die Du mir
neulich schicktest. Ich gab sie ihn, nicht. An, andern Morgen aber legte
ich sie auf das Clavier, an welche», er vorbeikoniinen mußte, weil ich ihn
Gelegenheit geben wollte, sie zu stehlen. Er bemerkte sie auch, blieb stehe»,
warf eine» flüchtigen Blick darauf, sagte: „Ach so, Die!" ging fält
vorüber und ließ Dich auf de», Clavier liegen. O Phyllis, so sind die
Ich will aber AlleS für Dich thun, wenn Du mir »och einen Gefalle»
thun willst. Ihr in der Provinz seid ja noch weit zurück und glaubt »och
an Allerlei. Möchtest Du nicht eine gute Wahrsagerin, die auch richtig sagl.
um unsere Zukunft befragen? Thcilc mir daun doch Alles mit, was l>e
gesagt hat; aber natürlich nur, wenn cs gut ist. Mit brennender SehnM
wartet auf eine baldige und erfreuliche Antwort vo» Dir
Deine ewig getreue Freundin
Heliodora Schultze.
Ins
Pi,
In e
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Line Fastenpredigt.
Äerlöscht der Kerzen Glänzen,
Verdorrt Gewind' und Kranz!
Ausruhn die Exccllcnzen
Vom schweren Fackeltanz.
Gar Mancher, der bei der Flasche
Geschwebt in Sangesfrcud',
Trauert in Sack und Asche
Und bangen Sorgen heut.
Es spricht der närrische Prcd'ger:
„Er liegt auf der Lodtenbahr',
Der allzeit uns ei» gnäd'ger
Und lust'gcr Herre war.
Verödet ist sein Palazzo,
Zerbrochen sei» Herrscherstab;
Es legen Schalk und Bajazzo
Die bnntcn Jacken ab.
Und mit betrübter Miene
In schweren Kummer-s Bann
Schau'» Fräulein Colombine
Und Pantalon sich an.
Ach! Nacht ist wieder gesunken
Auf alle Völker umher,
Verglüht die „Cöluer Funken",
Der Gürzenich still und leer!
Nickt Becher noch Schellenkappen
Mehr geben fröhliche» Schall;
Zur Ruhe betten die Knappe»
De» Prinzen Carneval.
Jetzt ist — vernehmt's! — aufs Neue
Für alle Gläub'gen ja
Die Zeit der Bus;' und Reue,
Die Zeit der Fasten da.
Und fasten, sollt ihr, fasten,
Nicht klagen über Druck;
Ihr tragt zwar viele Lasten,
Doch lange noch nicht genug!
Entsagt den schnöden Moneten
Und härmt darob euch nicht;
Ihr wißt, die Noth lehrt beten,
Und beten ist eure Pflicht.
Und tragt die Steuern willig,
Wenn's Manchen auch verdrießt;
Noch Viele-s ist viel zu billig,
WaS itzo ihr genießt!
Und zahlt in nnterthän'ger
Ergebung Alles geschwind',
Und trinkt ein Seidel wcn'ger,
Wenn ;we> zu theuer sind!
O, daß die Welt doch wüßle
Nnd drüber dächte nach:
TaS Zechen und Flcischgelüste
Ist eitel Sünd' und Schmach.
Daß Schlesier, Sachs' und Po,i,m„
Doch endlich sähen ein:
Je ärmer, desto frommer
Wirst d», o Weltkind, sein.
Mit Beten und Bußgesnnge
Drum mach' dich, Volk, bereit
Auf eine lange, lange
Und schwere Fastenzeit!"
MsLLrrsLstsH.
Schultze.
Müller. -
„ir deck wieder ’
„eck dazu nehme;
Müller- 2
[cmmcn!
auf seine Schulter
machen l
Schulhe.
Müller.
Heliodor» Schulhe in Berlin n» Phyllis Müller in der Provinz.
Thcuerste Phyllis!
himmlische Tage liegen hinter uns. Wie haben wir geschwelgt in
Festlichkeiten! D. h. nur auf dem Papier; denn unsere ganze Theilnahiiie
beschränkte sich auf die Lecturc der Zeitungsberichte. Die lasen wir uns
wieder und immer wieder vor, und bis in die späten Nächte hinein über-
hörten wir dann einander und fragten uns gegenseitig: Wer ist alle-s da-
gewesen? WaS haben sie alles angchabt? Was hat cs alles gegeben? Ach!
daß man so schnell all' das Schöne wieder vergißt! Wenn D» mich jetzt
fragst, Phyllis: Welche von den hohen Damen war die mit der himbcer-
rothen Saniinctschlcppe ? — so kannst Du Dich — wozu ich Dir aber nicht
rathen will — auf den Kopf stellen, ich bin nicht im Stande, eS Dir
zu sagen.
Eines aber möchte ich von Dir wohl wissen. Die Männer, welche diese
Zeitungsberichte schreiben, müssen doch im Allgemeinen für unendlich dumm
in weiblichen Toilettefragen gelten; woher haben sie trotzdem die aller-
genauesten Kenntnisse unseres Staates? Sie sprechen über Schleifen und
Puffen, über Mull und Tüll, über Plisse, Filet, Tablicr und Pannier, über
Frisuren und Garnituren, über Bordüren, Tvurnure» und Coiffuren, über
Mantilleii und Chenillen, Rüsche und Plüsche, wie über ihnen ganz geläufige
Dinge. Kannst Du mir sagen, geliebte Freundin, woher sie diese staunenS-
werthen Kenntnisse haben? Ich bin ganz Baff darüber! Denn die Directrice
eines Confectionsgeschästs kann auf diesen, Gebiet nicht besser bewandert sein.
Weißt D», Phyllis, daß ich ganz nahe daran war, Ehrenjungfran
zu werden? I», letzten Augenblick noch zerschlug es sich; ich mußte absocken,
und eine Andere wurde mir vvrgczvgcn. Nun, so hübsch wie Die und Die
und Die bin ich am Ende auch »och! Um Scandal zu vermeiden, nenne
ich hier keine Namen, bin aber bereit, die Liste Derjenige», die ich meine,
privatim Jedem, der mich darum ersucht, niitzntheile». Denke nur, daß ich
mir -schon Wochen lang vor dem Spiegel ein reizendes Lächeln eingeübt
hatte! Ebenso hatte ich cS schon heranSbekommen, meinen Augenbrauen
mit dem Tnschpinsel etwas Fascinirendes zu geben. Und dn-S Alles umsonst!
Ich Hätte in den, Augenblick der Enltäuschung den ganzen Magistrat durch
unser,, braven Krauts mit einem stnmpfen Beil hinrichten lassen mögen,
wenn mir die Macht dazu gegeben wäre!
Wer weiß, wann wieder einmal ein Aufgebot von Ehrenjungfrauen
stattfindet? Wer weiß, ob ich dann nicht schon längst unter der Haube bin
oder auch vo» vornherein al-s abgetakelt betrachtet werde?
Ich habe geweint wie eine Dachtraufe, und sehr vieler Pfannkuchen
mit verschiedenartiger Füllung bedurfte es, um mich nur aus dem Gröbsten
heraus zu trösten.
Jetzt aber ist plötzlich ein blendender Lichtstrahl in meine Trauriglnl
gefallen. Es kann sein, daß Papa Minister wird! Du wirst cS fain
glaube»; aber ich schwöre Dir zu, die Möglichkeit ist vorhanden. Gin
ungeheurer Ministerbedarf steht in Aussicht; denn wie der alte „Yen®
cancrmus- — lasse Dir dieses Wort erkläre» — lautet:
»Otto teuet inappnm, madidam inappam teilet Otto“ — und inch
weiß Niemand, wem demnächst die Mappe von Otto zugcworfcii weck»
wird. Mein Gott, warum soll Papa nicht auch einmal Minister roerten’
Er hat das Alter dazu und eine unbestrafte Vergangenheit. Er hat ßi>
nie widersetzt, ist bereit, Alles mit sich machen zu lassen, und würde M
koininendeii Falls den Fackcltanz wie irgend Einer tanzen. Auf stir:
Geeignetheit kamen wir erst neulich, als Mama zufällig zu ihm sagte: .,T.:
läßt Dir aber auch Alles gefallen!" Das hat er denn sogleich als 2«
aufgefaßt, seine Zeugnisse eiugeschickt und sich gemeldet, und zwar für jedes
beliebige Fach. Während wir in größter Spannung sind, erwartet er ml)»,
die Entscheidung und studirt mittlerweile die neueste Auflage des Meyer'
scheu Conversations-LexikonS, um gründlich vorbereitet zu sei», m-
für ein Portefeuille ihm auch beschicden werden mag. Gestern war er sch»
bei dem Artikel „Panischer Schrecken".
Q Phyllis! Wenn wir wirklich ErccllcnzcnS würden! Ich n#
nicht, was ich anfinge! Als mein Bruder Ryngulph vor Kurzem in
aniinirter Stimmung nach Hause kam — er hatte sich mit seinen Freunden
auf dem Fackelzug-ConimcrS angekneipt — schwärmte er viel von Dir und
wollte von mir durchaus Deine kleine Photographie haben, die Du mir
neulich schicktest. Ich gab sie ihn, nicht. An, andern Morgen aber legte
ich sie auf das Clavier, an welche», er vorbeikoniinen mußte, weil ich ihn
Gelegenheit geben wollte, sie zu stehlen. Er bemerkte sie auch, blieb stehe»,
warf eine» flüchtigen Blick darauf, sagte: „Ach so, Die!" ging fält
vorüber und ließ Dich auf de», Clavier liegen. O Phyllis, so sind die
Ich will aber AlleS für Dich thun, wenn Du mir »och einen Gefalle»
thun willst. Ihr in der Provinz seid ja noch weit zurück und glaubt »och
an Allerlei. Möchtest Du nicht eine gute Wahrsagerin, die auch richtig sagl.
um unsere Zukunft befragen? Thcilc mir daun doch Alles mit, was l>e
gesagt hat; aber natürlich nur, wenn cs gut ist. Mit brennender SehnM
wartet auf eine baldige und erfreuliche Antwort vo» Dir
Deine ewig getreue Freundin
Heliodora Schultze.
Ins
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