Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
68

Zeichen der Zeit.

Das Ende der Well nahl, alle Zeichen der Zeit deuten daraus hin.

Das Auswürseln von Pfeffernüssen, daS ein Gastwirth in Satbcrg
bei Schwerin seinen Gästen gestattet hatte, Ist selbst von dein Landgericht
als verbotenes Glücksspiel angesehen worden. O über die Verruchtheit
der Menschen, die da die harmlose Pfeffernuß als Jeton benutzen!

In dein würltembergischen Franken hat, wie die „Deutsche Tages-
zeitung" glaubhaft berichtet, ein Schultheis, seinem Knechte selbst die
Schuhe gewichst, während dieser auf die Leutcnoth pochend seine Pfeife
rauchte. Wohin gerathen Mir! Wir lebe» in einer verkehrten Welt.
Ist doch neulich sogar der Baron v. X beobachtet worden, wie er seinem
DIenstinädchen die Strümpse auszvg.

Mit dem Bombenaltentat in Alexandria Ist cs wieder nichts, rein
gar nichts. Und da wage» die Leute noch zu lachen und dies nicht mit
dem Minister v. d. Recke für „ein ernstc8 Factum" zu halte».

Vorgestern mahnte der Zählkellner im (Safö Austria den Grafen
Dallcs-Borgsdorf um Begleichung der Zeche. Alle Bande srommer
Scheu lösen sich.

Zwei Biehmäikte mußten wegen Maul- und Klauenseuche ausgehoben
werden, während ein Maurer hohnlachend aus offener Straße ein Stück
amerikanischen Speck aß, ohne sofort von der Trichinosis befallen zu
Boden zu stürzen.

Nur ruhig! Die zeitlichen Strafen werde» nicht mehr verhängt, weil
die ewigen nahe sind. So entgleiste neulich auch der Schnellzug Breslau-
Berlin nicht, obwohl drei jüdische BanquierS darinsaßen.

Eine Mazzesabrik zahlte 10 % Dividende, und daS Rillergut Adllg-
KapvreS wurde zur Zwangsversteigerung gebracht, während sein Besitzer
zum Kurgebrauch in Monte Carlo weilte.

Die Aleppvbeule tritt aus. Sämmlliche Thcilnehmer an der Paläslina-
fahrt, die nicht reine» Herzens waren, sind davon befallen, und die
Barbiere versichern, daß die Stiesel weiter gemacht werde» müßten, sonst
würde die durch Hornhautbildung aus den Zehen charaktcrisirle Krankheit
Immer wiederkehren.

Zweiscll ihr noch, daß die Schwingen der Ewigkeit schon näher
rauschen? Plagte mir nicht gestern kurz vor dem Kirchgänge ein Hvscn-
knops ab. waren nicht zu derselben Zeit die Mundstück-von drei Trompeten
verschwunden, mit denen ich Reue in die tauben Ohren der Ungläubigen
wollte blasen laffcn! Wehe! Wehe! Wehe!

Graf pücklcr lKicin-Tschirne).

Zer beglückte H'akästinafahrer.

Ich siihl's an verschiedenen Stellen
Im Antlitz mir jucken, hurrah,

Und knotig beginnt es zu schwellen:

Die Aleppobeulen sind da!

Bald bricht aus den Knoten der Eiter
Und läuft mir übers Gesicht,

Doch bleib' ich gesaßt und heiter.

Gefährlich ist es ja nicht.

Die Beulen können nicht schaden
Und heilen säst ohne Kur,

Der Himmel schickt sie in Gnaden
Mir als ein Denkzeiche» nur.

Drum will ich das Jucken tragen
Mit fröhlichem Duldermnth,

Mit Stolz ,a darf ich cs sagen:

Die Beulen stehen mir gutl

Sie werden mich nun, o Wonne,

Dran mahnen ein volles Jahr,

Daß ich mit der „Mitiernachtssonne"

Nach dem heiligen Lande war!

Aus Nom ist eine Nachricht gekommen, die in Cenlrumskrelsen große
Beunruhigung hervorgerufen hat. Es hat sich herausgcstcllt, daß der
Papst seit längerer Zeit schon aus die „Fackel, Organ sür Feuerbestattung,"
abonnirt ist.

Wie schrecklich wäre es, wenn ein heiliger Vater in Gotha bestattet

Aegir. „Jott sei Dank, deß det verfluchte Rasiren u
ussjkhört hat!"


Auf «ach Arankfurt!

Eine Straskauimer In Frankfurt a. M. hat -inen Redacteur, der die
letzte Thronrede kritisirt Halle, wegen Majestätsbeleidigung zu vier Mo-
naten Gefängniß verurtheilt, nachdem von einer ander» Straskammcr die
Eröffnung der Haupiverhandlung abgelehnt worden war. Diese ersreuliche
Berurtheilung muß im patriotischen Jntereffe weiter nutzbar gemacht
werden!

Der fliegende Gerichlsstand der Presse ermöglicht es bekanntlich, den
verantwortlichen Redacteur eines jeden Blattes an jedem beliebigen Orlc
im deutschen Reich vor Gericht zu stellen. Und gerade eine Siadt wie
Franksurl a. M., in der wohl alle deutschen Blätter gelesen werden, eignet
sich dazu, eine Ceniralstelle sür die Aburiheilung von deutschen Zcltuugs-
jchreibern zu werde». Wenn nun alle Staatsanwälte in Preußen Preß-
processe wegen Majestätsbelcidigung nur bei der Franksurtcr Straskammcr
anhängig machen, die das oben erwähnte Uriheil gefällt hat, so dürste
der Ersolg höchst befriedigend sein.

Jene Straskauimer wird dann mit Majestälsbeleidigungen so viel zu
lhun bekommen, daß sie sich aus andere Sachen nicht mehr cinlassen kann.
Ihre Thäligkeit ist dann ja ganz -inseitig, aber in ihrer Specialii«, wird
sie es naturgemäß bald zur höchsten Vvllkbmmenheit bringen. Ihre ,Mit-
glieder werden bei ihrer reichen Erfahrung die einzelnen Fälle immer
richtiger beurtheilen und immer beffere und gerechtere Entscheidungen
sälleu. Dann wird sich auch der beschämende Zustand ändern, daß die
V-rurlheiiungen ivegen Majestätsbelcidigung. wie Herr Schönstedt noch
jüngst constatirt hat, nicht von Jahr zu Jahr zunehmeu wollen. Da die
Menge solcher Bcleidtguuge» ohne Frage gewachsen ist, mußte auch die
Zahl der Verurlheilungcu größer werden. Ist das nicht geschehen, so
weist das auf einen Mangel in der Justizpflege hin, darum auf nach
Franksurl!

„Wie nach katholischen Grundsätzen Rechtsprechung und Rechtgestallung
sich zu bilden haben," wird in dem Commentar zum Bürgerlichen
Gesetzbuch gelehrt, den der Jejnitenpater August Lehmkuhl versaßt hat.
Dieser Fingerzeig hat bei Laien, die bisher noch nichts von einer
katholischen Gesetzesauslegung gewußt halten, Befremden heroorgerusen,
die Juristen hingegen Haltes den Commentar sür überflüssig. Sie meinen
nämlich, daß ein richtiger Textdreher nichts mehr von einem Jesuiten
zu lernen brauch«, und verweisen auf zahlreiche Gerichtsentscheidungen, die
dem gemeinen Menschenverstände so unsaßbar sind, daß selbst ein geschulter
Jesuit mindestens vier Wochen braucht, um sich hineinzudenken.

II r. Lieb ers Antipathie.


'V

Hört, waS ich euch unterm Siegel
Des Geheimnisses vertrau':

Liebers Schreckniß ist ein Spiegel,

Den ihm vorhält eine Frau.

Diese Fra» isl'S, die mit Grauen
Und mit Abscheu ihn erfüllt.

Wenn sie läßt sein Bild ihn schauen -
Und die Frau ist unverhüllt.

Ganz darüber kam zur Klarheit
Ich, weshalb ihn Ingrimm packt,

Wenn er NacktcS sieht. — Die Wahrheit
Geht ja auch bekanntlich nackt.

Darum kam er, wie ich meine,

Aus die richtige Idee:

Wahrheit, sagt man, Ist im Weine,

Aber Lug und Trug im Thee.
Image description
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen