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Mei den Aäuöern an der Höerlpree.

ursprünglich wohl für den „Berliner
Lokal - Anzeiger", ist folgender Bericht durch
einen glücklichen Zufall in unsere Hände ge-
langt. Er laufet:

„An einem regnerischen Nachmittag begab
ich mich in die Waldungen der Obcrspree, um
die dort hausende Räuberbande aufzusucheu. Längere Zeit wandertc
ich zwischen den Kiefern umher, ohne daß ich etwas RäubcrartigeS
zu sehen bekam. Tiefer und tiefer drang ich in den »rwaldähnlichc»
Forst ei». Phancroganicn und Kryptogamen versperrten mir häufig de»
Weg, Ringel- und andere Nattern, von de» Zweige» hcrabhängcnd, züngelte»
nach mir. Ta hör' ich plötzlich aus dem Dickicht schallen: „Wer hat
dich, du schöner Wald", und mühsam mir durch die dicken Blaubecrbiischc
Bahn brechend, komm' ich auf eine Wald blähe, wo die ganze Bande,
7 oder 8 Räuber stark, singend um ein Feuer versammelt liegt. Sofort
springt auch ein Räuber auf mich zu, setzt mir die Pistole aus die Brust
und jagt höflich: „Darf ich um Ihre Börse oder um Ihr Leben bitten?"
„Hier ist die crstere", sage ich und ziehe eine gehäkelte grünseidene Börse
hervor, die ich eigens zu diefemZweck mitgenommen und mit etwas Kleingeld gc-
füllt hatte. Er nimmt sic, leert sie aus und gibt sie mir zurück mit den Worten:
„Es ist wohl ein Wdenken an die Großtante? Wir wollen sic nicht bc
halten." Dieser Edclmuth rührte mich fast zu Thräue». Darauf sagt er, indem
er mich prüfend ansieht: „Sie habe» sonst nichts BcrsleuerbareS bei sich?"
„Nein", entgegne ich, „aber einen Wunsch habe ich: darf ich de» Hauptmann
der Baude sprechen?" „Sie drücken sich nicht richtig aus," sagt er mit
vorivnrssvvllem Blick, „eine Bande und einen Räuberhauptmann gibt cs nicht
mehr. Wir nennen uns eine Gesellschaft, und unser Führer hat de» Titel
„Director." „Entschuldigen Sic", jag' ich, „so möchte ich denn den Herr»

Dircctor sprechen." „Bitte," sagt er, „da sitz! er." Richtig, da sitzt er unter
einem alten Kamillenbaum, eine Gätgenphhsiognoniiei wie sie im Buch steht.
Wie ich mich ihm nähere, steht er aus und begrüßt mich mit den Worten: „Will
komme» im grünen Walde! Sic wollen mich interviewen, nicht wahr?"
„Selbstredend", erwidere ich. „Bitte", jagt er, auf eine nasse Stelle hin-
weisend, „nehmen Sie Platz! Vorher aber legen Sie güligst Stiesel, Rock
und Weste ab. Es ist ja warm, und wir sind unter uns." Ich solgc
seiner Aussordcriing um so rascher, als ich sieben Revolver auf mich gerichtet
sehe. Darauf zieht der Director aus dem eben von mir abgelegte» Rock
meine Cigarrentasche heraus und reicht sic mir mit den Worten: „Sic
rauchen doch? Bitte!" Ich nehme eine Cigarre, er auch eine auS dem Etui,
das er daraus nicht in meinen, sondern in seinen Rock steckt. Nachdem
wir unS die Cigarren augezündel haben, sagt er: „Nu» schießen Sic los!"
Ich werfe noch einen Blick auf die sieben Kerle, die genau so aussehcn wie
die künstlichen Räuber auf Küustlersesten, dann leg' ich los: „Wie sind Sic,
geehrter Herr Director, zu dieser Carriärc gekommen? Natürlich schwebten
Ihnen als leuchtende Vorbilder Carl Moor, Fra Diavolo und Rinaldo
Rinaldi ui vor." „Nein", sagt er, „es ist mehr angeerbt, und ich bin
aus einer ganz einfache» Berbrechcrfamilie. Die Großmutter, war Hehlerin,
mein Vater Lcichcnslcdderer, mein Lukel Einbrecher. Ich war für ctivas
Höheres bestimmt und sollte Falschspieler werden, wodurch ich mit dem Adel
Fühlung gewonnen hätte. Aber wie das jo geht." .... So weit war er,
da knisterte es in den Blaubeeren, und plötzlich erschienen aus der Bildfläche
siebzehn bis au die Zähne bewaffnete Schutzmänner. Im Nu war die Baude
zerstoben, und fast im nächsten Augenblick schon erklang cs gedämpft niid ans
weiter Ferne: „Wer hat dich, du." Ich blieb allein zurück und wurde von
den Schutzmännern ergriffen. Es waren aber nicht richtige Schutzmänner,
sondern falsche, mit einem Wort gleichfalls Räuber, eine Gegenbande, die
mit reicher Beute, zu der leider auch die mir förtgenommenen Kleidungs-
stücke gehörten, abzog. Nachdem die Strolche sich davon überzeugt hatte»,
daß ich kahl ausgeplüudert war, stießen sie mich hohnlachend in die nasse
Wildniß hinein. Mit großer Mühe, da cs schon finster wurde, tappte ich
mich nach Friedrichshagcn durch. Die Folge dieser Expedition war ein
furchtbarer Schnupfen, aber auch cmc große innere Genuglhuung. Unter
gleich schwierigen Umstände» hat wohl nie ein Berichterstatter mehr für das
durch ihn vertretene Blatt geleistet."

In der ersten Sitzung des jetzt in Berlin tagenden siebenten Inter-
nationalen GeographencongresseS kain es zu einem interessanten Vorgang.

Eben hatte der Fürst Albert von Monaco seinen scffelnden
Vortrag über die Resultate seiner neusten oceanographischen Forschungen
beendet, als ein Telegraphenbote im Saale erschien und ihm eine Depesche
übcrbrachte. Der Fürst las sie, und der strahlende Ausdruck angenehmster
Ueberraschung und vollster Zufriedenheit verbreitete sich über seine sym-
pathischen Züge. Naiv und vertrauensvoll, wie er als ein guter Mensch
ist, gab er dann den ihn umringenden Gelehrten daS Telegramm zu
lesen. Es war von dem ersten Director der Spielbank abgejchickl und
lautete: „Gestern ein brillanter Tag. Drei haben sich erschossen, zwei
hingen an dem großen Enkalyplns, zwei sollen sich ins Meer gestürzt
haben."

Das Antlitz deS Fürsten zeigte noch immer den Ausdruck einer
großen und reinen Freude, als er. von dem Vorstände der Gesellschaft
geleitet, die Hosequipage bestieg, die ihn zu seinen Gemächern im Königlichen
Schlosse zurückführle.

Die „Köln. Volksztg." macht der Regierung zum Vorwurf, sic lebe
mit den Couservativen und den Liberalen in polilischer.Bigamie. Bigamie
ist ja freilich kein sehr tugendhafter Zustand, allein das Bcrhältniß, daS
die Regierung mit dem Centrum unterhält, ist auch nicht sehr platonisch.
Die „Köln. VolkSztg." pocht vielleicht daraus, daß dieses Verhältniß bisher
ohne Folgen geblieben sei, aber sie vergißt, daß demselben schon früher ein
Kind entsprossen ist - der Schulgesetzeiitwnrs. Wenn dieses Kind auch
todtgcborcu war und deshalb schnell vergesse» worden ist, so ließ es doch
lief blicken. Und behauptet nicht Lieber, das Centnim sehe jetzt in guter
Hoffnung der Zukunft entgegen?

Der Präsident von Transvaal hält seine Sprechstunde Morgens von
5 bis 8 Uhr ab. Unter diese» Umständen ist cs vollkommen zu begreifen,
daß Chamberlaiu zum Kriege drängt und einen Abbruch der diplo-
matischen Verhandlungen erstrebt; denn so lange diese dauern, muß er
doch bemüht sein, früher aufzustehen als der Präsident Krüger.

8 u n Ul c u i q u e!

Riskirtc cs ein Landrath nur,

Bescheide» nein zu sagen,

So ward vernichtet jede Spur
Von seinen Erdentagen.

— Wer in der Zeitung, mit Gebrumm
Hetzte die Malcontenten,

Der wurde stracks besördert zum
Seehandliingspräsidcnlcn.

Ihm frommte das, was mißgethan
War von dem großen Haufen.

Den großen Feind besördert nia»,

Die kleinen heißt man laufen!

lieber die amtliche Thätigkeit des neuen CullnsministerS Dr SlndI
gelangen jetzt die ersten zuverlässigen Nachrichten in die Oefsentlichkeil. Er
hat am 23. September Nachmittags der Kaiserregatla der Schüler der
Berliner höheren Lehranstalten bei Niederschönweide beigewohnt, den Siegern
mit einer längeren Ansprache die Preise überreicht und ein begeistertes
Hoch auf de» Kaiser ausgebracht, und noch au demselben Tage hat er an
einem Diner Iheilgenomnien, das der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe
ihm und dem neuen Minister des Innern zu Ehren gab.

Beim Ausbruch von dem Diner soll Or. Studt z» dem junge»
College» v. Rheinbaben gesagt haben: „Die Sache macht sich. Ich halle
mir, offen gestanden, das Minislersci» viel schwerer und unersreulicher
gedacht."

Die Agrar Conservalive» sind entrüstet über Drohiingrii, die nach
ihrer Ansicht die Regierung gegen sie ansgestoßen hat, und lassen sich auch
nicht durch die Versichernngen der osficiösen Presse beruhige», daß kein
Minister daran gedacht habe, so etwas zu Ihun.

Man versteht die Erregung der Herren von der Fronde nicht. Wenn
die Negierung auch wirklich die ärgsten und unheimlichsten Drohungen gegen
sie auSstoßen sollte, so weiß man ja doch, daß von dem Angedrohten nichts
auSgeführt wird.
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