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Die Wett ist rund

Schnitze. Haste jelesen, daß 'ne Frau aus Metz dem Papst hat
vorjestcllt werden sollen, weil se in Lourdes plötzlich vom Lupus jeheilt
worden is?

Müller. Ach nee! Und worum is se denn nich nach Nom jereist?

Schnitze. 2, der Aerzteverein in Metz hat se untersuchen lassen
un har jefunden, dasj se noch immer nich jeheilt is.

Müller. Del is also der sojenannte lupus in fabula.

Schultze. Ratierlich!

Schnitze. Müller, weeßte denn, wie der amerikanische Bot-
schafter in Nom heißt?

Müller. Na, wie heißt er denn?

Schultze. Meyer heißt er, Meyer mit'n harten ey. Nu haben
wir 'neu Fürsterzbischof a. D. Kohn un 'nen Botschafter Meyer.

Müller. Fehlt bloß noch, daß 'u preußischer Oberhofmarschall
Schultze heißt.

Schultze. Un ü: Papst Müller.

Der Vereinsbund deutscher Zahnärzte beräth unter anderem über
die Titelsrage. Der Titel „Zahnarzt" wird von vielen Seiten als zu
nüchtern bekämpft; besonders schlecht klingt die Anrede „Frau Zahnarzt".
Man schlug vor „Mundschenk", ein Titel, der der Wandlungen „Hos-
mundschenk, Obermundschenk, Geheimer Obermundschenk" usw. fähig
wäre. Dagegen wurde aber wieder geltend gemacht, daß der Zahnarzt
dein Mundpatienten doch der Regel nach nichts schenkt. Auch an Zahn-
fleischbeschauer dachte man, aber das klingt nicht vornehm genug;
„Frau Zahnfleischbeschaner" ist unmöglich. Die Titel „Dentitätsrath,
Odontalrath, Plombierungsrath" wurden als Fremdwörter von alldeutscher
Seite bekämpft. Am meisten Aussicht auf Annahme hat der wohl-
klingende, verständliche und dabei deutsche Titel „Zahnrath". Wird
derselbe angenommen, so wird man künftig die wissenschaftliche Laufbahn
des Zahnheilkunstbeflifsenen kurz als Zahnrathbahn bezeichnen können-

Im Lenz

Von Eusebius Dauerbrand

Ich sah die Vögel ziehen
Und sprach: „Gut, laßt sie ziehn!"
Die Veilchen seh' ich blühen
Und sprecht „Gut, laßt sie blühu!"

Das sind doch alte Sachen:

Bald Blumen gibts, bald Eis;

Wer will das anders machen?
Drum meinetwegen: Sei's!

Wenn sich der Lenz erneuet,

2m Thauwind schmolz der Schnee,
Gibt's eins nur, was mich freuet,
Und eins nur thut mir weh:

Mit frohem Muth dann walle
Ich zum Salvatorbier,

Und ist zu bald es alle,

Wie weh, wie weh wird mir!

Die Grammophongesellschaft gab neulich in Berlin ein Concert,
bei dem die Leistungen der Grammophone einfach verblüfften. Orchester-
stücke, Instrumentensoli, Gesänge und Reden wtlrden mit einer über-
raschenden Naiurtreue wiedergegeben; man glaubte die Originale zu
hören. Bei dem Gedanken, daß man alle diese musikalischen und
rednerischen Genüsse noch lange nach dem Tode der Musiker, Sänger
und Redner naturgetreu wird hören können, brach die Zuhörerschaft
in begeisterten Beifall aus. Kurzsichtige Menge! Statt zu klatschen,
hättet ihr zischen, hättet ihr diese Erfindung des Teufels verwünschen,
hättet ihr wuthentbrannt die Grammophone zerschmettern sollen! Sollen
denn Siadthagens Reden ewig leben?

Einst rief man laut mit stolzem Sinn:
„Wir gehn nicht nach Canossa hin!"

Da gab's ein fröhlich Streiten.

Heut stecken wir im Centrumsstunpf,

Und heute ist katholisch Trumpf —

So ändern sich die Zeiten.

„Er wird gebaut mit Geld und Schweiß;
Kein Stückchen geben wir euch preis
Trotz Ränken und ttotz Finten."

Doch heute fehlen auf einmal
Zwei Stücke, ach. von dem Canal,

Eins vorn und eines hinten.

„Tie Gerste ist in puncto Zoll
Eins und untheilbar ganz und voll,"

So rief Bernhard der Erste,
llnd kurz darauf — was ist passiert? —
Wird plötzlich sie differenziert
Als Brau- und Futtergerste.

Einst waren eine Retterthat
Handelsverträge für den Staat
Und Helden ihre Väter.

Heut werden sie gar bös verhetzt,

Und die sie schlossen, gelten jetzt
Als Vaterlandsverräther.

„Wenn unsre Schule soll gedeihn,

Dann müssen Lehrer ganz allein
Sie leiten und regieren."

So hieß es einst; die Zeit ist fern,

Heut sollen nur die Kirchenherrn
In ihr das Scepter führen.

Einst saß die Freiheit auf dem Thron,
Heut herrscht die schwarze Reaction,

Und doch —. fort mit den Sorgen!

Die Welt ist rund und muß sich drchn,
Was oben war, wird unten stehn,

Auf Nacht folgt wieder Morgen!

Einem abstinenten Dichter Kurt Bah lamm ist es gelungen,
Goethes „König in Thule" zu entalkoholisieren. Bahlamm nimmt
an, daß der Beherrscher von Thule ein leidenschaftlicher Kaffeetrinker
gewesen ist, die erste Strophe des Liedes lautet daher bei ihm:

„Eo war ein jrönig in Thule
Ecr treu bis an das Grab.

Dem sterbend seine Buhle
Eine goldnc Tasse gab."

Die Tasse läßt sich dann überall sehr gut an Stelle des Bechers
setzen. Nur die fünfte Strophe, in der bei Goethe „Zecher" auf
„Becher" reimt, mußte wesentlich verändert werden. Sie lautet in
Bahlamms Fassung:

„Er trank in edelstem Nasse
Sich letzte Lebenogluth
Und warf die heilige Tasse
Hinunter in die Fluch."

„Hierinit", sagt Bahlamm in einer Anmerkung, „ist hoffentlich
der gute König in Thule für alle Zeiten zu einem Mustergreise gemacht
worden, und man wird ihn nicht mehr mit dem ewig benebelten Erl-
könig aus eine gleiche Stufe stellen.

Die Pfaffengasse am Rhein

wimmelt, wie- uns geschrieben wird, seit einigen Tagen von mlheimlichen
Gestalten. Wer sie sieht, köilnte an eine Collection von lebeildig ge-
wordenen Steckbriefen glauben. Hagere Gestalten, unstäte Augen,
fchleichcnder Gang, Fuchsgesichter. Die Kinder verlassen ihr Spiel und
verstecken sich instinctiv vor ihnen in den dunkelsten Winkeln, und die
Erwachsenen bleiben stehen und. blicken ihnen nach. Wenn man nicht
wüßte, daß die Jesuiten behagliche Leute mit rundlichem Leib und
offenem Gesichtsailsdruck wären, so könnte man auf eine Vermuthung
kommen, die wir hier nur andeuten wollen. Jedenfalls machen sich
die Winzer, die freilich etwas abergläubisch sind, sauf einen schlechten
Jahrgang gefaßt.

Verantwortlicher Nedacteur: I. Trojan. — Verlag von A. Hosmann & Comp-, S.W. 12. — Druck von Hempel & Co. D. m. b. H. — Sämmtl'.ch m Berlin.

Hierzu zwei Beilagen

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