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Kleinpaul, Rudolf; Heinrich Schmidt & Carl Günther [Mitarb.]
Neapel und seine Umgebung: mit 142 Illustrationen — Leipzig: Heinrich Schmidt & Carl Günther, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.55172#0018
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mit tausend Armen an den üppigen Hügeln hangend und ihr lachendes Angesicht in den Fluthen
des Golfes spiegelnd. Von Morgenwinden geküsst, erzittert und bebt sie in tausend Wonne-
schauern: es geht ein elektrischer Funke durch das Land, der die Sinne berauscht und einen
bacchantischen Taumel weckt; ein schöpferisches Erdbeben schlägt wie ein Herz unter der Erde
und theilt sich diesen Küsten, diesen Inseln, diesen Vorgebirgen, diesem frohlockenden Meere mit.
Das ist Neapel, das ist die Sirene Parthenope! Du kannst sterben, denn du hast sie gesehn.
O, dolce Napoli, Tu sei l’impero
O, suol beato, Dell’ armonia,
Dove sorridere Santa Lucia,
Volle il creato: Santa Lucia!
Neapel galt im Alterthum für den Sitz der Sirene Parthenope, und Parthenope pflegt die
Stadt von alten und neuen Dichtern mit Vorliebe genannt zu werden; 1799 gründeten bekanntlich
die Franzosen eine Parthenopeische Republik. Von Strabo wissen wir, dass man noch zu seiner


Die Ostseite von Neapel —• oben das Castell Sant’ Elnio.

Zeit in Neapel das Grab der Sirene zeigte und ihr zu Ehren Spiele gefeiert wurden. Heutzutage
zeigen die Neapolitaner den Fremden das Grab Virgils, den die Sirene gefangen hielt, und statt
der Parthenope wird eine andere Nymphe verehrt, die heilige Lucia, der Trost der Blinden und die
specielle Schutzpatronin des beliebten volksthümlichen Quais von Santa Lucia im Herzen der Stadt,
wo das wohlthätige Schwefelwasser quillt, wo sich der Pescator dell? onda und der Marinaro
mit der phrygischen Mütze tummelt, wo der Lazzarone molto maccaroni und Frutti di mare oder
Meer obst, will sagen Austern, Hummer, Krabben, Seespinnen und See-Igel verzehrt ■— und auf
welchen daher die Augen des Matrosen vorzugsweise gerichtet sind, wenn er, sich in lauer
Sommernacht mit seiner Barke auf dem Golfe wiegend, von der dolce Napoli und dem suol
beato phantasirt.
II.

Neapel ist ein griechisches Wort und entspricht dem deutschen Neustadt oder dem russischen
Nowgorod. Ursprünglich eine Kolonie des berühmten Cumae, war die junge Stadt durch griechische
Nachzügler ansehnlich erweitert und diese neue Niederlassung, im Gegensatz zu der alten (Palaepolis),
Neustadt (Neapolis) genannt worden, wie wir in Dresden eine Altstadt und eine Neustadt
 
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