Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kleinpaul, Rudolf; Heinrich Schmidt & Carl Günther [Contr.]
Neapel und seine Umgebung: mit 142 Illustrationen — Leipzig: Heinrich Schmidt & Carl Günther, 1884

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.55172#0145
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
DRITTES BUCH.

DER VESUV.

ERSTES KAPITEL.
Ein feuerspeiender Berg.

Weshalb man hinaufsteigt — um zu. sehen, was in dem Berge ist — die Schmiedewerkstätte Vulkans und der grosse
Mischkrug — der Lacrima Christi — der Eingang zur Hölle — das Reich Lucifers — die Eremitage und das
Observatorium — Visionen des Eremiten von SS. Salvatore — Empedocles, Plinius, Melloni, Palmieri — die
Parabel von Rückert.

I.

me si va netto, citta, dolente. Wenn wir in die Schweiz reisen und auf den Rigi
steigen, so wollen wir nicht sowohl den Rigi selbst, als vielmehr das herrliche
Land betrachten, welches um diesen Berg herumliegt. Wie der Rigi selbst aus-
seine charakteristische, eben an den Vesuv erinnernde Gestalt, vermögen wir in

Wir steigen hinauf, um ein neues Bild von dieser schönen
aufzunehmen — wie das Kind auf einen Stuhl, um näher am Angesicht

sieht,
der unmittelbaren Nähe gar nicht zu beurtheilen; dazu wäre es viel besser, wenn wir
auf den Pilatus stiegen. Nein, auf den Rigi steigen wir, um. die schneebedeckten
Häupter des Berner Oberlands zu sehn, die wie die Söhne eines fernen Lichtreichs
feierlich zu uns hinübergrüssen — um uns an dem lieblichen Blick über das Hügelland
der nördlichen Schweiz zu weiden —- um das malerische Panorama von Wäldern und
Seen, Städten und Dörfern zu geniessen, das in einem Umkreis von hundert Stunden
vor uns ausgebreitet ist.
Welt in uns


der unendlichen Mutter zu stehn und sie zu erlangen mit unser kleinen Umarmung.
Wenn wir aber nach Neapel reisen und den Vesuv besteigen, so nimmt unser Interesse
eine andere Richtung. Zwar bietet uns auch dieser Gipfel auf Land und Meer, ja bis zu den
Ponza-Inseln und dem Monte Circello eine prachtvolle Aussicht dar; bereits auf dem Plateau des
Eremiten (676 m) entfaltet sich das glorreiche Panorama. Der Vesuv ist an 1300 (1297) m
hoch, man kann keine bestimmte Zahl angeben, da jeder Ausbruch die Gestalt und Höhe

des Berges verändert, der Monte Somma, wie die nordöstliche Seite des Berges genannt
wird, 1110 m hoch; er ist also ein Berg wie der Gaisberg bei Salzburg (1286 m), der Keilberg
im Erzgebirge (1235 m), oder der Mount Bruce in Westaustralien (1300 m); in den Apenninen
stehen ihm etwa der am Rande der Campagna Felice gelegene Monte Partenio (1309 m) und der
Pizzuto di Melfi (1329 m) am nächsten. Das ist denn, da die absolute Höhe hier wegen der
unmittelbaren Nähe des Meeres zugleich die relative, schon ein ganz respektabler Gipfel und das
Panorama selbst für den verwöhnten Italienfahrer überraschend. Der Blick westwärts auf das

leuchtende, herrlich umrahmte Meer, auf die räthselhafte Sphinx von Capri, auf den scharfgezackten

99
 
Annotationen