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Kleinpaul, Rudolf; Heinrich Schmidt & Carl Günther [Mitarb.]
Neapel und seine Umgebung: mit 142 Illustrationen — Leipzig: Heinrich Schmidt & Carl Günther, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.55172#0058
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Der erste Gang zur Kirche.

DRITTES KAPITEL.

Die Religion.

Madonna und Cupinto — die Taufe — der heilige Gennaro — die Wallfahrt zur Madonna di Monte Vergine — das
Fest der Vergine di Piedigrotta — eine Predigt der Padre Rocco — das Begräbniss.

I.
n den Liedern, die zur Tarantella gesungen werden, stehen Madonna und „Cupinto“,
will sagen Cupido, oft einträchtig nebeneinander: die Italiener pflegen die Liebe an
die Religion und umgekehrt zu knüpfen — fanno air amore in chiesa. Wir sind
deshalb gerade auf der richtigen Fährte, wenn wir im Folgenden einen Blick auf das
religiöse Leben des Volkes werfen wollen.
Wir gehen von ungefähr über den kleinen Platz, der sich an die Piazza del
Plebiscito anschliesst und der nach der gegenüberliegenden Kirche Largo San
Ferdin ando heisst, als eine Sänfte unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Sie ist prächtig
geschmückt, beflittert und vergoldet und mit kleinen Engelchen bemalt; und ein
lebendiges Engelchen sitzt darin, auf dem Schoosse einer Hebamme, der Vammana, die ebenfalls
lauter Staat, lauter Gold und Flitter ist. Daraus dass der Kopf des Säuglings auf der linken
Seite liegt, kann man sehen, dass es ein Knabe ist, Mädchen wird der Kopf nach rechts
gelegt. Die Pathen und die übrigen Festgenossen schreiten neben der Porfantina her: es geht in
die Kirche zur Taufe, für welchen Zweck die Sänften vorzugsweise dienen; sie sind auserdem nur
am Charfreitag und bei Tänzerinnen und Schauspielerinnen in Gebrauch. Der Titel Vammana ist
griechisch und gleich so vielen anderen ein Ueberbleibsel von der Sprache, die einst
hier gesprochen ward; die Vammana versteht Latein, sie spricht bei der heiligen Handlung die
Gebete und die Responsorien.


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