ZWEITES BUCH.
DAS NATIONALMUSEUM.
Allgemeine Uebersicht.
Der Palazzo degli Studi — Entstehung und Eintheilung des Gebäudes — Rang, den das neapolitanische Museum unter
den grossen Sammlungen Europas einnimmt.
einen Hofmeister für seine
Was, rief der Edelmann aus,
nicht soviel! — So nehmen
gewisser Abate Genovesi schlug Don Lelio Caraffa
beiden Söhne vor: Gehalt dreissig Dukaten monatlich.
dreissig Dukaten! Ich gebe meinem ersten Kutscher
Sie einen zweiten Kutscher an, Herr Graf; Sie werden zwei Pferde mehr im
Stalle haben.
Die Regierung, der diese Antwort zu Ohren gekommen war, beeilte sich, einen
Pferdestall, der recht weit draussen lag, in eine Universität zu verwandeln.
Das umfangreiche Gebäude, welches gegenwärtig den Namen Nationalmuseum
führt, wurde im Jahre 1562 von dem Vicekönig Herzog von Ossuna aufgeführt: es diente
als Kavalleriekaserne. Erst der Nachfolger des Herzogs von Ossuna, Graf von Lemos,
weihte es einem erhabeneren Zwecke; der Baumeister Domenico Fontana sollte aus der
Kaserne eine Hochschule machen. Nach seinen Plänen wurde denn auch ein neuer Baugrund
hinzugenommen, ein zweites Stockwerk aufgesetzt und der Palazzo degli Studi geschaffen, dessen
Vollendung Fontana nicht erlebte (1615). Im Jahre 1780 endlich wurde wieder die Universität in
das alte Jesuitencollegium (Gesü Vecchio) übertragen, unser Palast aber zehn Jahre später zur
Aufnahme der königlichen Sammlungen eingerichtet, welche eben damals durch die Aufdeckung
von Herculanum (1719) und Pompeji (1748) und die Einholung der Farnesischen Bildwerke (1786)
die grossartigste Bereicherung erfuhren; zunächst waren die ausgegrabenen Gegenstände in Portici
untergebracht worden, wo sie noch Goethe 18. März 1787 sah. Bei dieser Gelegenheit mussten
F'uga und Schiantarelli das Gebäude abermals erweitern, ganz fertig machten es erst die beiden
Baumeister Francesco Maresca und Antonio Bonucci unter F'erdinand L, in demselben Jahre, wo
dieser die Gebiete diesseit und jenseit der Meerenge unter dem Namen des Königreichs beider
Sicilien wieder zu einem Gesammtstaat vereinigte (1816). Nach ihm, dem Bourbon, den Canova am
Eingang als Minerva, ja als Minerva darstellen musste, erhielt das Museum die Bezeichnung Museo
Reale Borbonico; unter diesem Titel ward 1824 ein Prachtwerk begonnen, zu welchem der
Archäolog Francesco Maria Avellino die vorzüglichsten Beiträge lieferte. Von 1860 ab, seit der
Begründung des Königreichs Italien, heisst es Museo Nazionale Italiano. 1862 ward Giuseppe
Fiorelli zum Director ernannt und unter seiner Leitung noch fortwährend daran geändert und
gebaut. Zwölf Marmortafeln, die in die Wände des Vestibüls eingelassen sind, erzählen die eben
vorgetragene Geschichte.
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DAS NATIONALMUSEUM.
Allgemeine Uebersicht.
Der Palazzo degli Studi — Entstehung und Eintheilung des Gebäudes — Rang, den das neapolitanische Museum unter
den grossen Sammlungen Europas einnimmt.
einen Hofmeister für seine
Was, rief der Edelmann aus,
nicht soviel! — So nehmen
gewisser Abate Genovesi schlug Don Lelio Caraffa
beiden Söhne vor: Gehalt dreissig Dukaten monatlich.
dreissig Dukaten! Ich gebe meinem ersten Kutscher
Sie einen zweiten Kutscher an, Herr Graf; Sie werden zwei Pferde mehr im
Stalle haben.
Die Regierung, der diese Antwort zu Ohren gekommen war, beeilte sich, einen
Pferdestall, der recht weit draussen lag, in eine Universität zu verwandeln.
Das umfangreiche Gebäude, welches gegenwärtig den Namen Nationalmuseum
führt, wurde im Jahre 1562 von dem Vicekönig Herzog von Ossuna aufgeführt: es diente
als Kavalleriekaserne. Erst der Nachfolger des Herzogs von Ossuna, Graf von Lemos,
weihte es einem erhabeneren Zwecke; der Baumeister Domenico Fontana sollte aus der
Kaserne eine Hochschule machen. Nach seinen Plänen wurde denn auch ein neuer Baugrund
hinzugenommen, ein zweites Stockwerk aufgesetzt und der Palazzo degli Studi geschaffen, dessen
Vollendung Fontana nicht erlebte (1615). Im Jahre 1780 endlich wurde wieder die Universität in
das alte Jesuitencollegium (Gesü Vecchio) übertragen, unser Palast aber zehn Jahre später zur
Aufnahme der königlichen Sammlungen eingerichtet, welche eben damals durch die Aufdeckung
von Herculanum (1719) und Pompeji (1748) und die Einholung der Farnesischen Bildwerke (1786)
die grossartigste Bereicherung erfuhren; zunächst waren die ausgegrabenen Gegenstände in Portici
untergebracht worden, wo sie noch Goethe 18. März 1787 sah. Bei dieser Gelegenheit mussten
F'uga und Schiantarelli das Gebäude abermals erweitern, ganz fertig machten es erst die beiden
Baumeister Francesco Maresca und Antonio Bonucci unter F'erdinand L, in demselben Jahre, wo
dieser die Gebiete diesseit und jenseit der Meerenge unter dem Namen des Königreichs beider
Sicilien wieder zu einem Gesammtstaat vereinigte (1816). Nach ihm, dem Bourbon, den Canova am
Eingang als Minerva, ja als Minerva darstellen musste, erhielt das Museum die Bezeichnung Museo
Reale Borbonico; unter diesem Titel ward 1824 ein Prachtwerk begonnen, zu welchem der
Archäolog Francesco Maria Avellino die vorzüglichsten Beiträge lieferte. Von 1860 ab, seit der
Begründung des Königreichs Italien, heisst es Museo Nazionale Italiano. 1862 ward Giuseppe
Fiorelli zum Director ernannt und unter seiner Leitung noch fortwährend daran geändert und
gebaut. Zwölf Marmortafeln, die in die Wände des Vestibüls eingelassen sind, erzählen die eben
vorgetragene Geschichte.
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