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Kleinpaul, Rudolf; Heinrich Schmidt & Carl Günther [Contr.]
Neapel und seine Umgebung: mit 142 Illustrationen — Leipzig: Heinrich Schmidt & Carl Günther, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.55172#0212
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Agrippina aber in ihrer Villa am Lucrinersee wirklich ermordet worden war (27. März 59).
Diese Gegend ist voll von Greueln der kaiserlichen Aera: in der Villa des Lucullus, die man
auf dem Wege nach Misenum trifft, fand Tiberius seinen Tod: er war ohnmächtig geworden,
man hielt ihn für todt und huldigte bereits seinem Grossneffen Caligula, dem Genossen seiner
Schändlichkeiten, als plötzlich die Nachricht kam, dass der Kaiser sich wieder erholt habe. Da
liess Macro, der Nachfolger des Sejanus, den Tiberius in seinem Bett ersticken (16. März 37).
Man kennt das schöne, geistvolle Gedicht Geibels, der Tod des Tiberius, welches mit den
Worten beginnt:
Bei Cap Misenum winkt ein fürstlich Haus
Aus Lorbeerwipfeln zu des Meeres Küsten etc.
Dieses Cap Misenum, eine isolirt aus dem Meere aufsteigende Felsmasse und gleichsam
ein italienisches Gibraltar, nach der Aeneide ein Grabhügel, den der fromme Aeneas dem Trompeter
Misenus errichtete, ist das Ziel unserer Wanderung, weil der Grenzpfeiler des ganzen Golfes.
Den Gipfel (92 m) krönt eine Burgruine; nach der See zu liegt malerisch ein mittelalterlicher Wacht-
thurm und ein Leuchtthurm; die Aussicht gehört zu den schönsten dieser Gegend. Um uns
ein unentwirrbares Labyrinth von Land- und Meerengen, Seen, Buchten, Inseln und Vorgebirgen;
westlich gegenüber der durch seinen Wein berühmte Berg von Pro.cida, welcher jenseits eines
Sumpfsees, des Mare Morto, und nicht etwa auf der Insel Procida, sondern ihr nur gegenüber-
liegt. Es ist gut sitzen auf dem Cap Misenum und römische Geschichte lesen — an Sextus
Pompejus zu gedenken, der die Triumvirn auf seinem Schiffe hat und dem Menas vorschlägt,
das Tau zu kappen und abzustossen — hättest du’s gethan, Menas, und nicht gesagt! — —
es ist namentlich gut, Virgil lesen auf dem Cap Misenum —
Monte sub aerio, qui nunc Misenus ab illo
dicitur aeternumque tenet per saecula nomen.
Armer Trompeter! Sohn des Aeolus und Geist des sturmumlärmten Vorgebirges, der so herrlich
geblasen, aber dem seine Kunst den nassen Tod gebracht haben soll! Ein eifersüchtiger Triton
riss den Misenus angeblich in’s Meer hinab, während er eben seine schönsten Stückchen zum
besten gab.
Er wird wohl berauscht gewesen sein und in Bacoli zu viel Monte di Procida getrunken
haben, der Trompeter von Misenum.

ZWEITES KAPITEL.
Die Inseln Ischia und Procida.
Fortsetzung unsers Ausflugs nach dem Busen von Pozzuoli -— die Inszilae Pithecusae und die Affen — Aenaria und
Prochyta — der Name Ischia — Casamicciola und der Epomeo — das Erdbeben von Casamicciola — der Thunfischfang.
I.
Jenen erfreut Pompeji vor allem und Ischia diesen,
Portici den; es behagt manchem vor allem Sorrent.
Aber ich liebe Pozzuol und das Rebengeheg des Falerners,
Gebe des Bajischen Golfs seliger Ruhe den Preis.
So hat einst Platen gesungen, und ein Correspondent der Allgemeinen Zeitung bemerkte
dazu in einem Artikel, der unter dem Eindruck des unsagbaren, über Casamicciola herein-
gebrochenen Unglücks, am 22. August 1883 geschrieben war, er denke anders, er bekenne sich
ohne Zaudern zu denen, welche Ischia vor allem erfreue. Mit dieser Meinung steht er nicht

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