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ein großes Interesse entgegen: einen tiefen Gegensatz zwischen
diesen beiden religiösen Betätigungen wird er kaum verspürt haben,
kamen doch beide seinem innerlichen Bedürfnis in gleich ursprüng-
licher Weise entgegen. Diese unsere Auffassung wird schon durch
die Tatsache bestätigt, daß er bis an sein Ende mit der verherr-
lichenden Darstellung der Madonna nicht aufgehört hat: so stammt
ja gerade aus seiner letzten Zeit das Gemälde der Madonna in der
Glorie (München).
Mit der exaltierten religiösen Erregung des Reformationszeit-
alters hängen die tiefgehenden sozialen Bewegungen aufs engste
zusammen. Die Apostel des Kommunismus durchzogen Süddeutsch-
land und übten den tiefsten Eindruck. Keine Frage, daß diese
kommunistischen Tendenzen vorzugsweise als Rückschlag auf die
bereits vielfach rein materialistische Anschauungsweise des Bürger-
tumes zu erklären sind. Man sieht das besonders deutlich, wenn
man die außerordentliche Vorliebe für das Bauerntum berücksich-
tigt, die damals durchgängig bei den Propheten des Neuen zu fin-
den ist. Während der am Alten hängende Satiriker Brant kurzweg
die Schlauheit und Unehrlichkeit des Bauern konstatiert („all Bschyss
yetz von den Buren kumt") hat bei den fortschrittlicheren Leuten
selbst in den Städten schon seit Rosenplüt eine Art Idealisierung
des Bauerntumes begonnen, die von diesem Stande Alles erhofft,
in ihm den eigentlichen Pfaffenfeind und Feind der Herren erblickt,
und mit seiner Hülfe das Ideal der Gemeinsamkeit alles Besitzes
zu erreichen strebt. Luther selbst vertrat bekanntlich ebenfalls
solche bauernfreundliche Anschauungen.
Zweifellos finden sich nun Züge des neu erwachten Interesses
für den Bauernstand auch bei Wolf Huber: wir haben ja seine
Kreuzerhöhung von vornherein als eine Art Bauernstück bezeich-
net; und müssen wir auch an dieser Stelle nochmals den Zusam-
menhang mit der alten Oberdeutschen Tradition betonen, so verrät
sich doch bei ihm in der besonderen Auffassung des Bauern, schon
den Äußerlichkeiten der Tracht nach, ein neuer Geist. Wie die
Darstellung dieser Gruppen um das Kreuz, schlägt auch der Christus
des Bildes aller städtischen Konvention ins Gesicht: seine Züge
sind bäuerlich derb und grob. Alle Körper sind von großer Plump-
 
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