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Koch, Alexander [Hrsg.]; Fuchs, Georg [Hrsg.]
Grossherzog Ernst Ludwig und die Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt von Mai bis Oktober 1901: [ein Dokument deutscher Kunst] — Darmstadt, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3770#0119

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n6

Georg Fuchs: Die »Mathilden-Höhe« einst und jetzt.

PAUL BURCK.

Fantasie-Maske (Kohle-Zeichnung)

Stückchen der »guten alten Zeit«, das da
noch in der Abgeschiedenheit üppig grünte
und blühte, von tausend Blumen durchduftet
und von tausend befiederten Sängern erfüllt
mit schmachtenden und schmetternden Weisen.
Einst war es wohl eine hochfürstliche
Villegiatur, »vor dem Jägerthor« gelegen,
wo man hinausfuhr über die stäubende Land-
strasse in glitzernden Karossen, den Piqueur
vorauf, um sich zu ergötzen nach der Weise
jener biederen und doch auch ein kleines
bischen frivolen, vormärzlichen Zeit »als der
Grossvater die Grossmutter nahm«. — Da
standen noch auf sanft abfallenden, von
hohen, samentragenden Wimpel-Gräsern be-

Meerschaum-Pfeife im Munde, die
irgend eine nicht so ganz unbedenkliche
Leda-Scene am fleissig geschnitzten
und wohl angerauchten Kopfe darstellte,
und seine Kakteen-Plantage besichtigte.
Oder aber man dachte an die hübschen
Prinzessinnen mit den hohen, grossen,
umgebogenen Strohhüten, welche mit
blass-blauen, breiten Bändern um das
rosige Kinn gebunden waren, man sah
sie in ausgeschnittenen, rosa-lichten
Schuhchen über den Kies trippeln,
dass die kreuzweise um die Schultern
geschlungenen köstlichen Inder-Shwales
flatterten. Sie spielten »Blindekuh« mit
den artigen Herren des Hofes in langen
hechtgrauen Schooss-Röcken oder gold-
betressten Uniform - Spencern und
seriösen »Vatermördern« bis zum kurz-
abgestutzten kleinen Backenbärtchen;
oder sie sassen unter den weiss-rot
gestreiften Marquisen und schlürften
Schokolade aus kapriziösen Meissener
Tässchen. Sie hatten lange nackte Arme
und blitzende, weisse Zähne, rote Lippen
und rote Bäckchen — ganz so wie sie
auf den porzellanenen Miniatur - Bildchen
von anno dazumal »konterfeyet« sind, und
sie zwitscherten wie die Vögelchen, wenn
sie sich auf dem ebenen Plane des Platanen-
Haines mit Gesellschafts-Spielen vergnügten.
Und man konnte sich auch denken, dass
sich einmal ein Paar loslöste aus dem mun-
teren Kreise und Hand in Hand zwischen
den Gebüschen in den entfernten, nie be-
tretenen Winkeln des Gartens auf und
niederschritt im betäubenden Dufte der
Violen und des Flieders ■— dass vielleicht
einer jener sentimentalen und ränkevoll

standenen Rasen-Flächen die Pavillons und
Garten-Häuschen, grünlich-weiss verputzt mit brutalen Romane begann, wie wir sie bei
leicht bemoosten Schiefer - Dächern und Clauren lesen. Von den Wiesen herauf,
grünen, stets geschlossenen Fenster-Läden: die sich- zwischen wundervollen Buchen-
ein wenig abgebröckelt und etwas moder- Waldungen gegen Süden bis an die ersten
duftig, aber doch fast noch so, als ob sie Erhebungen des Odenwaldes dehnen, schwoll
erst verlassen worden wären, Wenn man der Duft des Heu's herein in den süssen Odem

in einem Lauben-Gange niedersass und sich
seinen Träumen überliess, konnte man es
sich leicht und klar ausmalen, wie da einst
Serenissimus gravitätisch und doch recht
häuslich-behaglich herumging mit der kurzen

der Blumen und mischte sich mit ihm zu
einem fast betäubenden Übermaasse fächeln-
den Wohlgeruchs. Und wer sich durch
das Gestrüpp einen Pfad hinanbahnte auf
die kleine Kuppe, welche in der Nord-Ost-
 
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